BVerwG Beschluss v. - 7 B 5/12

Anspruch auf Informationszugang; Rechtsweg

Leitsatz

Für einen Anspruch gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sonderzuweisung nach § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG erfasst diesen Anspruch nicht.

Gesetze: § 1 Abs 1 IFG, § 48 Abs 1 WpÜG, § 48 Abs 2 WpÜG, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 4 S 5 GVG, § 29 VwVfG, § 40 Abs 1 S 1 VwGO

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 6 B 1926/11 Beschlussvorgehend VG Frankfurt Az: 7 K 514/11.Fnachgehend Az: III ZB 59/13 Beschlussnachgehend OLG Frankfurt Az: WpÜG 3/11 Beschluss

Gründe

I.

1Mit Schreiben vom beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) Einsicht in die Unterlagen, die der Beklagten über ein von der Deutschen Bank AG an die Aktionäre der Deutschen Postbank AG gerichtetes Übernahmeangebot vorlagen. Mit Bescheid vom gab die Beklagte diesem Begehren teilweise statt unter Ablehnung des Antrags im Übrigen. Bereits zuvor hatte der Kläger als außenstehender Aktionär der Postbank AG gegen die Gestattung der Veröffentlichung der freiwilligen Angebotsunterlagen für das Übernahmeangebot Widerspruch erhoben und nach § 29 i.V.m. § 13 Abs. 1 VwVfG die Einsicht in die bei der Beklagten über diesen Vorgang vorhandenen Unterlagen beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom ab. Die gegen beide Bescheide erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück und führte in der Rechtsbehelfsbelehrung aus, dass gegen die Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben werden könne. Am hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und dort sein Zugangsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz weiterverfolgt. Zugleich hat er am selben Tag gegen den gesamten Widerspruchsbescheid Beschwerde zum Oberlandesgericht erhoben. Auf den Antrag der Beklagten, den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zu verweisen, hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Er hat die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.

II.

2Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof haben zu Recht angenommen, dass für den geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang nach § 1 IFG der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.

3Bei dem Rechtsstreit um diesen Anspruch handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn die streitentscheidende Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG verpflichtet nur Behörden des Bundes als Träger hoheitlicher Gewalt; sie ist folglich dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. nur Schoch, IFG, 2009, § 9 Rn. 68, 71). Auch die Beklagte stellt das nicht in Frage. Für die Entscheidung über diesen Anspruch sind demnach gemäß der genannten Vorschrift die Verwaltungsgerichte zuständig; denn es fehlt an einer ausdrücklichen Zuweisung an ein anderes Gericht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird der streitige Anspruch von der abdrängenden Sonderzuweisung in § 48 Abs. 1 und Abs. 4 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes - WpÜG - vom (BGBl I S. 3822), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 46 des Gesetzes vom (BGBl I S. 3044), nicht erfasst.

4Nach § 48 Abs. 1 WpÜG ist gegen Verfügungen der Beklagten die Beschwerde statthaft; nach § 48 Abs. 4 WpÜG entscheidet über die Beschwerde ausschließlich das für den Sitz der Beklagten in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht. Entgegen dem weiten Wortlaut des § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG erstreckt sich die Sonderzuweisung nicht umfassend auf alle Verfügungen der Beklagten. Vielmehr bezieht sich § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG nur auf solche Verfügungen der Beklagten, die in dem von § 1 WpÜG umschriebenen Anwendungsbereich des Gesetzes, d.h. in Bezug auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, erlassen worden sind. In erster Linie sind das - wie in § 46 Satz 1 WpÜG ausdrücklich verdeutlichend formuliert - Verfügungen, die "nach diesem Gesetz" ergangen sind (vgl. Wackerbarth/Kresse, in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2011, § 48 WpÜG Rn. 4 f.; Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 48 WpÜG Rn. 3). Dazu kommen hieran anknüpfende - akzessorische - Verfügungen, etwa in der Verwaltungsvollstreckung, sowie gegebenenfalls sonstige Hilfs- und Nebenansprüche (vgl. etwa zum Rechtsweg für Auskunftsverlangen beim Amtshaftungsanspruch - BGHZ 67, 81 <91> und - BGHZ 78, 274 <276 ff.>). Hiernach werden Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz von § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG nicht erfasst. Denn sie sind insbesondere nicht als bloße Nebenansprüche zu sonstigen Ansprüchen zu verstehen, die sich aus dem WpÜG ergeben. Vielmehr gewährt das Informationsfreiheitsgesetz einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch auf Informationszugang, der sich insbesondere vom Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren grundlegend unterscheidet ( BVerwG 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 17; vgl. auch - juris Rn. 10 ff.). Der Gedanke der prozessualen Zweckmäßigkeit und des Sachzusammenhangs, der der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegt, kann deswegen das Fehlen einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Sonderzuweisung nicht ersetzen (siehe auch - NWVBl 2003, 23 <juris Rn. 5>).

5Eine Erstreckung der Rechtswegzuweisung nach § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG auf Ansprüche nach § 1 IFG kommt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deswegen in Betracht, weil der Kläger zugleich (siehe § 1 Abs. 3 IFG) ein Akteneinsichtsbegehren nach § 29 VwVfG geltend macht.

6Es spricht zwar viel dafür, dass über dieses dem Verfahren nach dem WpÜG akzessorische Begehren nach § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG vom Oberlandesgericht zu entscheiden ist. Hieraus folgt aber nichts für den Rechtsweg hinsichtlich des Informationsanspruchs nach § 1 IFG. Das gilt auch dann, wenn - wie die Beklagte im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof meint - beide Ansprüche demselben Streitgegenstand zuzuordnen sind. Nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand im Allgemeinen als der prozessuale Anspruch durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet (stRspr, siehe etwa BVerwG 8 C 15.10 - BVerwGE 140, 290 Rn. 20 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 75 und vom - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2 <3>). Hiervon ausgehend dürfte eine Identität des Streitgegenstandes jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn der Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 IFG auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist. Allerdings ist zu erwägen, ob bei einem Verpflichtungsbegehren der Streitgegenstand nicht allein durch die begehrte Rechtsfolge und den Klagegrund bestimmt, sondern durch die gesetzliche Anspruchsgrundlage präzisiert und umgrenzt wird (siehe hierzu Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 28 m.N.; vgl. auch BVerwG 7 C 4.10 - BVerwGE 139, 184 Rn. 41 = Buchholz 406.27 § 16 BBergG Nr. 1). Dies bedarf hier jedoch keiner Vertiefung. Denn auch die Identität des Streitgegenstandes verändert nicht die Rechtswegzuweisung als solche. Eine einheitliche Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand wird vielmehr dadurch gewährleistet, dass das Gericht, bei dem ein Verfahren zuerst rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 261 Abs. 3 ZPO) nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG rechtswegüberschreitend über sämtliche Anspruchsgrundlagen entscheiden kann (vgl. Rennert, in: Eyermann a.a.O. § 41/§§ 17 - 17b GVG Rn. 18 f. m.w.N.).

7Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist ( BVerwG 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13 = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 302).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 10 Nr. 48
ZIP 2012 S. 2319 Nr. 47
OAAAE-20317