BGH Beschluss v. - VIII ZB 31/12

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Der Kläger erwarb im Jahre 2009 von der Beklagten zu 1, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen aus Slowenien eingeführten Pkw F. . In dem von dem Beklagten zu 2 ausgefüllten Übergabeprotokoll ist aufgeführt, dass dem Kläger mit dem Fahrzeug ein - für die Zulassung benötigtes - sogenanntes COC-Papier (Certificate of Conformity) sowie ein Serviceheft und ein Bordbuch übergeben würden. Statt des COC-Papiers erhielt der Kläger jedoch nur eine sogenannte SA-Bescheinigung, welche fehlerhafte Daten enthielt. Diese Daten waren vom Landratsamt R. in die für das Fahrzeug erteilte Zulassungsbescheinigung übernommen worden, obwohl ein vorgeschriebener Abgleich mit den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes ergeben hätte, dass sie unzutreffend waren. Die für den Kläger zuständige Kraftfahrzeugzulassungsstelle in D. verweigerte im Hinblick auf die fehlerhaften Daten und die fehlende COC-Bescheinigung zunächst die Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger. Die Zulassung erfolgte erst, nachdem der Kläger ein Gutachten des TÜV eingeholt hatte.

2 Mit seiner Klage begehrt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 905,43 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,70 €, jeweils nebst Zinsen. Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch neben der verspäteten Zulassung des Fahrzeuges darauf, dass er das Serviceheft und das Bordbuch nur in slowenischer Sprache erhalten habe und die Beschaffung entsprechender deutscher Unterlagen ebenso wie die Umstellung der Sprache des Bordcomputers auf eigene Kosten habe vornehmen müssen; zudem stehe ihm keine vollständige "F. -Garantie" zu.

3 Das Amtsgericht hat der Klage im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch wegen der verspäteten Zulassung in Höhe von 408,56 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Amtsgericht hat die Berufung im Tenor seiner Entscheidung ohne Einschränkung zugelassen und hierzu in den Entscheidungsgründen ausgeführt:

"Auf Antrag des Klägers war die Berufung gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Soweit ersichtlich ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher die Frage der Zurechnung einer fehlerhaften behördlichen Leistung gemäß § 278 BGB nämlich noch nicht entschieden worden."

4 Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Nach Rücknahme der Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und dies damit begründet, das Amtsgericht habe die Berufung nur beschränkt auf die Frage der Zurechnung einer fehlerhaften behördlichen Leistung zugelassen. Hierin liege eine Beschränkung auf die Haftung der Beklagten dem Grunde nach. Wegen der abtrennbaren Berechtigung der vom Amtsgericht nicht zugesprochenen Schadenspositionen, auf die sich die Berufung des Klägers gründe, sei die Berufung jedoch nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

5 1.

Die Rechtsbeschwerde ist kraft Gesetzes statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 284; 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; BVerfG, NJW 2003, 281; BVerfG, NJW 1991, 3140; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 1; vom - VIII ZB 104/11, [...] Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, unter II 1 bb; vom - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227; vom - VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 unter II 3 b). Indem das Berufungsgericht zu Unrecht von einer beschränkten Zulassung der Berufung ausgegangen ist, hat es dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt verwehrt.

6 2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht nach § 522 Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen.

7 a)

Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Amtsgericht eine nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auszusprechende Zulassung der Berufung auf Teile des Streitstoffes beschränken kann. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gericht die Möglichkeit einer Nachprüfung in einem Rechtsmittelverfahren hinreichend klar und eindeutig auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (, NJW-RR 2009, 1431 Rn. 11; vgl. für die Revision: , NJW 2010, 3015 Rn. 18; vom - VIII ZR 159/09, WuM 2010, 163 Rn. 14; vom - VIII ZR 164/08, WuM 2009, 733 Rn. 11; , NJW 2011, 1278 Rn. 23; vom - V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 Rn. 8 f.; vom - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 360 ff.).

8 An einer solchen eindeutigen Beschränkung der Berufungszulassung fehlt es hier.

9 b)

Zwar stellt sich die vom Amtsgericht als bislang nicht geklärt angesehene Frage der Zurechnung einer fehlerhaften behördlichen Leistung nur insoweit, als der Kläger einen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die verzögerte Zulassung des Fahrzeuges geltend macht. Soweit der Kläger Ersatzansprüche im Hinblick auf die Umstellung des Bordcomputers, den Erwerb deutscher Unterlagen und die nicht umfassende Herstellergarantie geltend macht, kommt es auf diese Rechtsfrage dagegen nicht an. Dies könnte dafür sprechen, dass das Amtsgericht die Berufung auch nur beschränkt zulassen wollte. Denn wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Gericht die Berufung zugelassen hat, bei - wie hier - mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, ist in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Anspruch zu sehen (vgl. , aaO Rn. 13 f.; vgl. zur Revision: , aaO; , aaO; vom - VIII ZR 159/09, aaO; vom - VIII ZR 164/08, aaO; jeweils mwN).

10 Gleichwohl verbleiben hier durchgreifende Zweifel, ob das Amtsgericht eine derartige Beschränkung der Berufungszulassung vornehmen oder nicht vielmehr nur eine Begründung für seine Zulassungsentscheidung geben wollte, ohne zugleich die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstandes beschränken zu wollen (vgl. dazu , aaO; Senatsurteil vom - VIII ZR 96/09, aaO Rn. 19). Denn das Amtsgericht hat im ersten, durch einen Absatz vom nachfolgenden Text getrennten Satz seiner Ausführungen zur Zulassung der Berufung ausdrücklich darauf abgestellt, dass es die Berufung auf Antrag des Klägers zugelassen habe. Da dem Kläger der Verzögerungsschaden, für den die im zweiten Satz bezeichnete Rechtsfrage Bedeutung hat, jedoch zugesprochen worden ist, hätte eine hierauf beschränkte Zulassung der Berufung nur den Beklagten die Möglichkeit eröffnet, die Rechtssache zur Überprüfung durch das Berufungsgericht zu stellen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bezog sich indes ausdrücklich auch auf den vom Amtsgericht abgewiesenen Teil der Klageforderung. Die Bezugnahme auf den Antrag des Klägers spricht deshalb dafür, dass das Amtsgericht ihm im begehrten Umfang den Zugang zur Berufungsinstanz ermöglichen wollte. Dies zeigt sich auch darin, dass das eine Anhörungsrüge des Klägers (§ 321a ZPO) unter Verweis darauf, dass die Berufung gegen das Urteil zugelassen worden sei, als unzulässig zurückgewiesen hat. Denn eine derartige Zurückweisung erfordert, dass das Amtsgericht von einer Anfechtbarkeit seiner Entscheidung durch den Kläger ausgegangen ist.

11 3.

Nach alledem kann der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Verwerfung der Berufung keinen Bestand haben. Er ist daher insoweit und im Kostenpunkt aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).

Fundstelle(n):
QAAAE-20257