BGH Beschluss v. - 5 StR 382/12

Instanzenzug:

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Ö. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2 1. Hinsichtlich der Tat 8 b der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, weil diese Tat nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage war und eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO nicht erhoben worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Einl. Rn. 143a).

3 a) Nach den zu Fall 8 b der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte A. am in Hamburg von seinem niederländischen Lieferanten sieben Kilogramm Marihuana, welches am um 21.18 Uhr in die Wohnung des Angeklagten Ö. gebracht wurde. Von dort aus wurde es weiter verkauft oder zum Weiterverkauf an Dritte übergeben.

4 b) Dieses Tatgeschehen ist - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - nicht von der zugelassenen Anklage umfasst. Im Anklagesatz wird lediglich der unter Fall 8 a der Urteilsgründe festgestellte Sachverhalt (Erwerb, Anlieferung und Verkauf bzw. Lagerung von zehn Kilogramm Marihuana am 18. und ) geschildert. Allein der Umstand, dass bereits ein Teil des Handlungsablaufs vom , allerdings bezogen auf die Lieferung vom , im Anklagesatz erwähnt ist, lässt noch nicht den Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer mit dieser Handlung verbundenen weiteren prozessualen Tat erkennen. Denn ein eigenständiger Erwerb von Betäubungsmitteln, der für das weitere Betäubungsmittelgeschäft die Grundlage bilden würde, lässt sich weder dem Anklagesatz noch dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen.

5 2. Das Urteil begegnet ferner durchgreifenden Bedenken, soweit eine Erörterung der Unterbringung des Angeklagten A. in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen getroffenen Erwägungen, dass bei dem Angeklagten A. "keine klassische Drogenabhängigkeit vorlag und eine stationäre Drogenentzugsbehandlung - geschweige denn eine Unterbringung nach § 64 StGB" (UA S. 59) nicht notwendig sei, lassen befürchten, dass das Landgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Verhängung dieser Maßregel in Betracht kommt, einen zu engen Begriff des Hangs zu übermäßigem Rauschmittelkonsum zugrunde gelegt hat. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB setzt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung voraus, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei auch das Fehlen ausgeprägter Ent-

zugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz dem nicht entgegenstehen ( mwN). Solches ist bei dem einschlägig vorbestraften Angeklagten A. angesichts des festgestellten Konsums von Marihuana und Kokain sowie sonstiger Auffälligkeiten (UA S. 8, 58) nicht völlig fernliegend. Die Sache bedarf insoweit unter Hinzuziehung eines Sachverständigen neuer tatrichterlicher Prüfung. Das Verbot der Schlechterstellung steht einer möglichen Maßregelanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).

6 3. Die Einstellung wegen der nicht angeklagten Tat zieht die Änderung der Schuldsprüche nach sich. Der Wegfall der im Fall 8 b der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen führt - hinsichtlich des Angeklagten A. neben der Beanstandung der unterbliebenen Maßregel - zur Aufhebung der Gesamtstrafen. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass diese bei Wegfall je einer Verbrechensverurteilung ungeachtet der weiteren Einzelstrafen etwas niedriger bemessen werden könnten.

Fundstelle(n):
SAAAE-19780