BFH Beschluss v. - III B 58/12

Anforderung an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (hier: Verstoß der einkommensteuerrechtlichen Kindergeldregelung gegen den Gleichheitssatz)

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, EStG § 1 Abs. 2, EStG § 1 Abs. 3, EStG § 63 Abs. 1 Satz 3, GG Art. 3 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist deutsche Staatsangehörige und lebt mit ihrem Ehemann und ihrem im Dezember 2009 geborenen Sohn in Kenia. Laut Bescheinigung des Finanzamts X vom wird die Klägerin nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.

2 Ihren im Januar 2010 gestellten Kindergeldantrag lehnte die Familienkasse X mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass das Kind keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem diesem gleichstellten Staat (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG) habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) —nach aus Gründen der Zuständigkeit erfolgter Abgabe des Falles— mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.

3 Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass ein Kindergeldanspruch einfachgesetzlich durch § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG ausgeschlossen werde, da das Kind die dort aufgestellten Voraussetzungen hinsichtlich des Wohnorts bzw. gewöhnlichen Aufenthalts nicht erfülle. Die insoweit vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung zwischen den nach § 1 Abs. 2 EStG Steuerpflichtigen und den nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Steuerpflichtigen sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

4 Mit der dagegen gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin sinngemäß die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

5 II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat den behaupteten Zulassungsgrund nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.

6 Der Vortrag der Klägerin genügt nicht den Anforderungen zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

7 a) Hierzu bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (z.B. , BFH/NV 2011, 206). Die Beschwerde muss sich insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie ggf. mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom III B 121/03, BFH/NV 2005, 46). Macht ein Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der rechtlichen Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom III B 82/10, BFH/NV 2011, 38).

8 b) Diesen Erfordernissen genügt der Vortrag der Klägerin nicht.

9 aa) Die Klägerin hat schon nicht den für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblichen abstrakten Prüfungsmaßstab aufgezeigt, an dem die in Rede stehenden Vorschriften zu messen sind. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil das einkommensteuerrechtliche Kindergeld zwei unterschiedlichen Sachbereichen —zum einen der steuerlich gebotenen Verschonung des Familienexistenzminimums (Entlastungsfunktion), zum anderen der Förderung der Familie (Förderfunktion)— zuzuordnen ist und je nachdem, welcher der beiden Bereiche betroffen ist, unterschiedliche Maßstäbe für die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht kommen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60; vom 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, unter B.I.2.).

10 bb) Soweit die Entlastungsfunktion der in Rede stehenden Vorschriften betroffen ist, ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht ersichtlich, weil im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht der Klägerin —gleichviel, ob sich diese aus § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG ergäbe— das Existenzminimum des Sohnes durch den Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) freigestellt ist (Schmidt/Loschelder, EStG, 31. Aufl., § 32 Rz 7). Dieser Freibetrag wird dem Grunde nach unabhängig davon gewährt, ob das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im In- oder Ausland hat (§ 32 Abs. 6 Satz 4 EStG).

11 cc) Soweit die Klägerin einen Verfassungsverstoß wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Förderfunktion annehmen will, fehlen jegliche Ausführungen dazu, warum die vorgenommene Abgrenzung der Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des BFH sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt sein soll.

12 Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Allerdings ist dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten nicht gestattet, sachwidrig zu differenzieren (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164).

13 (1) Die Klägerin behauptet zwar, die nicht erfolgte Einbeziehung der bei einem privaten Arbeitgeber Beschäftigten in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 EStG sei gleichheitswidrig. Es fehlt aber jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, warum der mit § 1 Abs. 2 EStG verfolgte Zweck —einerseits die Nachteile der beschränkten Steuerpflicht, andererseits das Entstehen unbesteuerter Einkünfte zu vermeiden (vgl. dazu , BFHE 212, 468, BStBl II 2007, 106, unter B.I.2.c cc)— nicht auch die erfolgte Abgrenzung der Leistungsberechtigten rechtfertigen kann. Insoweit setzt sich die Klägerin auch nicht mit dem Umstand auseinander, dass Mitglieder und Beschäftigte diplomatischer Missionen sowie konsularischer Vertretungen und deren Angehörige —im Gegensatz zu den bei privaten Arbeitgebern Beschäftigten— hinsichtlich ihrer Ansässigkeit den Regelungen internationaler Übereinkommen (insbesondere dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen bzw. dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen) unterliegen. Im Übrigen können auch die bei einem privaten Arbeitgeber Beschäftigten nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG kindergeldberechtigt sein, wenn sich ihre Einkünfte innerhalb der Grenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG bewegen.

14 (2) Soweit die Klägerin einen Gleichheitsverstoß darin erblicken will, dass die in § 1 Abs. 3 EStG genannten Personen zwar als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden und grundsätzlich kindergeldberechtigt sind, aber —anders als die in § 1 Abs. 2 EStG Genannten— für ihre in deren Haushalt lebenden Kinder, die weder über einen Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat verfügen, keinen Kindergeldanspruch haben, finden sich in der Beschwerdebegründung keine Ausführungen zur Frage, warum nicht das Territorialitäts-Prinzip hierfür einen ausreichenden sachlichen Differenzierungsgrund liefern kann. Nach Auffassung des BFH ist die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG als weitere Ausprägung des Territorialitäts-Prinzips nicht sachwidrig (Senatsurteil vom III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, unter II.1.e, m.w.N; Senatsbeschluss vom III B 111/10, BFH/NV 2011, 1897, unter II.1.b cc (2), m.w.N.). Hierzu wird im Fachschrifttum u.a. die Meinung vertreten, die Gewährung des der Familienförderung dienenden Kindergeldes für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat hätten, jedoch im Haushalt eines Berechtigten nach § 1 Abs. 2 EStG lebten, rechtfertige sich mit dem bei diesem Personenkreis typischerweise fortbestehenden größeren Inlandsbezug (Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 63 EStG Rz 72). Auch wird ein hinreichender Differenzierungsgrund darin erblickt, dass die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG zwingend vorgeschrieben und daher unvermeidbar ist, während dem Steuerpflichtigen, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG erfüllt, ein Wahlrecht eingeräumt wird, ob er als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden will, so dass er diesen Antrag nur zu stellen braucht, wenn er hieraus einen Vorteil ziehen kann (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 63 Rz 7). Gleichwohl enthält die Beschwerdebegründung hierzu keine Ausführungen.

Fundstelle(n):
SAAAE-19300