NWB Nr. 41 vom Seite 3281

„NWB-Expertentage Sanierung und Insolvenz – Volume 1”

Dr. Gerhard Pape | Richter am BGH | Kasse und Prof. Dr. Christoph Uhländer | FH für Finanzen | Nordkirchen

Die zweite Chance der Steuerberater

Die erste Auflage der NWB-Tagung zur Sanierung von Unternehmen mittels Insolvenzverfahren, in deren Mittelpunkt die ersten Erfahrungen mit dem am in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) gestanden haben, hat am in Düsseldorf stattgefunden. Als wesentliche Erkenntnis der Veranstaltung ist festzuhalten, dass mit Inkrafttreten des ESUG die zweite Chance zur Beteiligung der steuerberatenden Berufe am insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahren gekommen ist, nachdem die Insolvenzabwicklung in der Vergangenheit weitgehend in den Händen der Juristen gelegen hat. Zwar haben Steuer- und Sanierungsberater die Möglichkeiten der Insolvenzordnung in der Vergangenheit kaum genutzt, sondern vielmehr ihre Bemühungen um den Erhalt von Unternehmen an der Schwelle zur Insolvenz eher aufgegeben. Einhellige Meinung war aber, dass das ESUG interessante neue Sanierungsmöglichkeiten eröffnet, die nicht verpasst werden sollten. Gefordert ist neben insolvenz- und steuerrechtlichen Kenntnissen vermehrt der wirtschaftliche Sachverstand und die interne Kenntnis der Unternehmen, die sich in der Krise befinden.

Erstes Mittel zur Einbringung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten kann neben der unmittelbaren Beteiligung durch die Übernahme des Amtes des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters im Verfahren mit Eigenverwaltung die Vorbereitung von Insolvenzplänen, die Ausstellung von Bescheinigungen nach § 270b Abs. 1 InsO und die Beteiligung an vorläufigen Gläubigerausschüssen sein. Insoweit ist in der Veranstaltung deutlich geworden, dass gerade über die jetzt möglichen fakultativen Gläubigerausschüsse (s. § 22a Abs. 2 InsO) erheblicher Einfluss sowohl auf die mit der Aufsicht/ Abwicklung betrauten Personen als auch auf die Art des Verfahrens genommen werden kann. Hinsichtlich der Einleitung des Eigenverwaltungsverfahrens hat sich in den Vorträgen und in der Diskussion überwiegend die vorläufige Insolvenzverwaltung nach § 270a InsO als nahe liegende Handlungsalternative, die den größtmöglichen Einfluss des Schuldners sichert, herauskristallisiert. Das Schutzschirmverfahren des § 270b InsO erschien den Teilnehmern dagegen mehrheitlich wegen der engen Voraussetzungen nur in besonderen Fallkonstellationen geeignet, das neue Sanierungsrecht umzusetzen.

Aus steuerrechtlicher Sicht ist hervorzuheben, dass § 55 Abs. 4 InsO auf den vorläufigen Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung nach derzeitiger Rechtslage nicht anwendbar ist (vgl. auch die entsprechende Gesetzesinitiative des Bundesrats vom , BR-Drucks. 127/11 S. 5). Steueransprüche der Finanzverwaltung vor Verfahrenseröffnung sind damit vorbehaltlich einer künftigen Gesetzesänderung lediglich Insolvenzforderungen und keine Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 4 InsO. Bei der „Sanierung” von Unternehmen im Verfahren der Eigenverwaltung kann diese Ausgangslage zu beträchtlichen Liquiditätsvorteilen führen.

In dem in Kürze erscheinenden „NWB Kommentar zum Insolvenzrecht” (Hrsg. Pape/ Uhländer) wird besonderer Wert auf die Darstellung dieser wichtigen steuer-, wirtschafts- und sanierungsrechtlichen Fragestellungen des Insolvenzverfahrens gelegt.

Gerhard Pape und Christoph Uhländer

Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 3281
DAAAE-18586