BGH Beschluss v. - PatAnwZ 3/11

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Das Oberlandesgericht München hat durch Urteil vom - PatA-Z 2/11 - die Klage des Antragstellers gegen die Patentanwaltskammer auf Herausgabe einer "aktuellen Mitgliederliste des Vereins Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR)" abgewiesen. Den Antrag des Klägers, die Berufung zuzulassen, hat der Senat mit Beschluss vom abgelehnt. An der Entscheidung haben unter anderem die Richter am Bundesgerichtshof Hubert und Dr. Grabinski sowie der patentanwaltliche Beisitzer Patentanwalt Schaafhausen mitgewirkt.

2 Mit am eingegangenem Schriftsatz vom hat der Kläger "Gegenvorstellung" gegen den Senatsbeschluss vom erhoben. Im Hinblick auf die Entscheidung über die Gegenvorstellung hat er bereits mit Schreiben vom 24. und die Richter am Bundesgerichtshof Hubert und Dr. Grabinski wegen der Besorgnis der Befangenheit ausdrücklich abgelehnt.

3 Zur Begründung macht der Kläger insbesondere geltend: Richter am Bundesgerichtshof Hubert und Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski, welcher Mitglied der GRUR sei, hätten in der vorliegenden Sache rechtswidrig mit dem patentanwaltlichen Senatsmitglied Schaafhausen zusammengearbeitet. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski sei bekannt gewesen, dass es sich bei Patentanwalt Schaafhausen um den Vizepräsidenten der GRUR handele. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski unterstehe dessen Fehlweisungen. In seinen Schreiben wendet sich der Kläger im Übrigen generell gegen die Mitwirkung des patentanwaltlichen Senatsmitglieds Schaafhausen im vorliegenden Verfahren.

4 In seiner dienstlichen Äußerung vom hat Richter am Bundesgerichtshof Hubert erklärt, ihm sei bislang nicht bekannt gewesen, dass Patentanwalt Schaafhausen Vizepräsident der GRUR sei.

5 Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom ausgeführt, er sei nicht Mitglied der GRUR. Er habe bisher lediglich an einer Ausschusssitzung der GRUR teilgenommen und im Übrigen bei Veranstaltungen der GRUR Vorträge gehalten. Dass Patentanwalt Schaafhausen Vizepräsident der GRUR sei, sei ihm bislang nicht bekannt gewesen, sondern lediglich, dass es sich bei diesem um den Vorsitzenden einer Bezirksgruppe der GRUR handele.

6 Der hierzu angehörte Kläger hat sich im vorliegenden Verfahren nicht weiter geäußert.

II.

7 Mit seinen im Zusammenhang mit der Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom eingereichten Schreiben vom 24., 25. und hat der Kläger nicht nur die Richter am Bundegerichtshof Hubert und Dr. Grabinski, sondern bei der gebotenen Auslegung seiner Eingaben auch das patentanwaltliche Senatsmitglied Patentanwalt Schaafhausen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat darin nämlich - neben der ausdrücklichen Ablehnung der genannten Berufsrichter - auch zum Ausdruck gebracht, dass er dessen Mitwirkung ablehnt, weil dieser Vizepräsident derjenigen Vereinigung ist, deren Mitgliederliste Gegenstand des Streits ist. Die Ablehnungsgesuche haben nur teilweise Erfolg.

8 1. Nach der hier gemäß § 94d Satz 2 PAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur AnwZ (B) 13/10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Rn. 8 m.w.N.). Dafür genügt es, dass die Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben, weil es bei den Vorschriften der Befangenheit von Richtern darum geht, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden. Die Vorschriften über die Richterablehnung dienen zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs der Parteien, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt (vgl. , NJW 2012, 1890 Rn. 10 m.w.N.).

9 2. Nach diesen Maßstäben liegen Ablehnungsgründe gegen die Richter am Bundesgerichtshof Hubert und Dr. Grabinski nicht vor, während die Ablehnung von Patentanwalt Schaafhausen Erfolg hat.

10 a) Das gegen Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski gerichtete Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

11 aa) Dass dieser -entgegen der ursprünglichen Behauptung des Klägers -nicht Mitglied der GRUR ist, hat der Kläger auf die dienstliche Äußerung hin jedenfalls nicht bestritten. Eine solche einfache Mitgliedschaft in einer Vereinigung ist im Übrigen ohnehin für sich nicht geeignet, die Besorgnis der Voreingenommenheit zu begründen (vgl. Meyer-Goßner, aaO Rn. 9; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rn. 11, 32 m.w.N.; Senatsbeschluss vom - PatAnwSt (B) 1/11, [...] Rn. 7). Nichts anderes gilt für die Teilnahme an einer Ausschusssitzung der GRUR und die bei Veranstaltungen der Vereinigung gehaltenen Vorträge des abgelehnten Richters (vgl. Vollkommer, aaO Rn. 32 m.w.N.). Unerheblich ist insoweit der Hinweis des Klägers, der abgelehnte Richter trage durch sein - allgemein gehaltenes und knappes - Lob an einem Markenrechtskommentar wesentlich zur "Verbreitung von GRUR-Fälschungen" bei.

12 bb) Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Abgelehnten zu rechtfertigen, ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Klägers zur Mitwirkung des patentanwaltlichen Senatsmitglieds Schaafhausen. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski hatte weder die Möglichkeit noch Anlass, diese Mitwirkung zu verhindern. Bis zum Abschluss des Verfahrens hatte kein Ablehnungsgesuch gegen Patentanwalt Schaafhausen vorgelegen. Zudem war Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski die Stellung von Patentanwalt Schaafhausen als Vizepräsident der GRUR nicht bekannt, so dass sich aus seiner Sicht die Frage nach einer angeblichen Rechtswidrigkeit der Mitwirkung des Vizepräsidenten der GRUR nicht stellen konnte.

13 Der Kläger hat auch keine Umstände aufgezeigt, die aus Sicht eines vernünftigen Prozessbeteiligten Anlass zu der Annahme geben könnten, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski habe entgegen seiner dienstlichen Äußerung von dieser Stellung des patentanwaltlichen Senatsmitglieds Kenntnis gehabt. Auch ein - vom Kläger in einem anderen Gerichtsverfahren hierfür angeführter - Vortrag des abgelehnten Richters bei der Jahrestagung 2011 der GRUR, in deren Rahmen Patentanwalt Schaafhausen zum neuen Vizepräsidenten gewählt worden ist, rechtfertigt diesen Schluss nicht.

14 cc) Soweit der Kläger eine Weisungsabhängigkeit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski gegenüber dem Vizepräsidenten der GRUR geltend macht, ist ein Ablehnungsgrund nicht dargetan. Abgesehen davon, dass bereits die zugrundeliegende Behauptung, der abgelehnte Richter sei Mitglied der GRUR ausweislich der dienstlichen Äußerung nicht zutrifft, ist nicht ersichtlich, woraus sich eine Weisungsbefugnis gegenüber einem einfachen Vereinsmitglied ergeben sollte. Dass Patentanwalt Schaafhausen auf Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski Einfluss genommen habe, hat der Kläger weder konkret behauptet noch sind aus der Sicht eines vernünftigen Betrachters hierfür Anzeichen erkennbar.

15 b) Die Ablehnung von Richter am Bundesgerichtshof Hubert ist jedenfalls unbegründet. Der Vorwurf, der abgelehnte Richter habe die Mitwirkung von Patentanwalt Schaafhausen nicht verhindert, geht in Bezug auf Richter am Bundesgerichtshof Hubert erst recht fehl. Wie bereits ausgeführt, folgt dies schon daraus, dass auch ihm die Vizepräsidentschaft von Patentanwalt Schaffhausen nicht bekannt gewesen ist.

16 3. Das Ablehnungsgesuch gegen das patentanwaltliche Senatsmitglied Patentanwalt Schaafhausen ist begründet.

17 a) Nach dem bereits aufgezeigten Maßstab ist die Stellung als Vizepräsident der Vereinigung GRUR aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Würdigung geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Anders als ein einfaches, gegebenenfalls in fachlichen oder örtlichen Gremien besonders engagiertes Mitglied unterliegt Patentanwalt Schaafhausen als Vizepräsident und damit Gesamtvorstandsmitglied vereinsrechtlichen Treuepflichten, insbesondere der Pflicht, im Rahmen seiner geschäftsführenden Tätigkeit die Interessen des Vereins zu wahren und drohende Schäden vom Verein abzuwenden. Dazu gehört etwa die Pflicht, im Interesse des Vereins über geheimhaltungsbedürftige Tatsachen Stillschweigen zu bewahren (vgl. dazu insgesamt MünchKommBGB/ Reuter, 6. Aufl., § 27 Rn. 44 m.w.N.).

18 Ein aktueller Interessenwiderstreit für Patentanwalt Schaafhausen ergibt sich hieraus zwar nicht zwingend. Denn er ist im vorliegenden Verfahren nicht unmittelbar (auch) in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der GRUR betroffen und erst recht nicht als solches zur Mitwirkung berufen. Die Klage auf Herausgabe der Mitgliederliste richtet sich nicht gegen die Vereinigung, sondern gegen die Patentanwaltskammer; unterstellte man ihre Begründetheit, so läge in der Mitwirkung von Patentanwalt Schaafhausen an einer stattgebenden Entscheidung keine Verletzung seiner vereinsrechtlichen Treuepflicht. Indes sind die Umstände geeignet, aus Sicht eines vernünftigen Ablehnenden den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu begründen, wie sie der Kläger nun offenbar befürchtet.

19 b) Der Senat kann ohne die Einholung einer dienstlichen Erklärung des abgelehnten patentanwaltlichen Beisitzers Patentanwalt Schaafhausen entscheiden. Der letztlich maßgebliche - objektive - Umstand seiner Vizepräsidentschaft in der Vereinigung GRUR, deren Interessen mittelbar durch den Ausgang das Verfahren berührt sein können, ist aus dem allgemein zugänglichen Internetauftritt der Vereinigung ersichtlich.

Fundstelle(n):
AAAAE-17683