BGH Urteil v. - V ZR 148/11

Demnächstige Zustellung der Klage: Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses mehr als 2 Wochen nach der unmittelbar vor den Osterfeiertagen zugegangenen Kostenanforderung

Gesetze: § 167 ZPO, § 12 Abs 1 GKG

Instanzenzug: Az: 318 S 168/10vorgehend Az: 102A C 8/09

Tatbestand

1Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin wendet sich - ursprünglich zusammen mit zwei weiteren Klägern - gegen eine Reihe von Beschlüssen, die die Wohnungseigentümerversammlung am gefasst hat.

2Die gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage ist am bei dem Amtsgericht eingegangen, die Klagebegründung am (Montag). Mit ihm am zugegangenem Schreiben des Gerichts vom erhielt der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Anforderung des Kostenvorschusses nach einem vorläufigen Streitwert von 10.000 Euro. Der frühere Kläger zu 3 veranlasste die Zahlung am ; gutgeschrieben wurde der Betrag der Justizkasse am . Die Klage ist am zugestellt worden.

3Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin zu 2 ihren Antrag, die Beschlüsse für ungültig zu erklären, weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht hält die Klage wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG für unbegründet. Die erst am erfolgte Zustellung der Klage wirke auf den Zeitpunkt der - dann rechtzeitigen - Einreichung () nach § 167 ZPO nur zurück, wenn sie "demnächst" vorgenommen worden sei. Das sei hier zu verneinen, weil der Zeitraum von 16 Tagen nicht mehr nur geringfügig die 14-Tage-Frist überschreite, die dem Kläger im Regelfall für die Einzahlung des Vorschusses zugebilligt werde. Ein besonderer Ausnahmefall, der die Zustellungsverzögerung von 16 Tagen noch als hinnehmbar erscheinen lasse, liege nicht vor. Dass die Anforderung des Kostenvorschusses den Prozessbevollmächtigten der Kläger kurz vor den Osterfeiertagen erreicht habe, sei unerheblich. Er habe die Anforderung unverzüglich weiterleiten müssen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger zu 3, nachdem er die Anforderung des Kostenvorschusses erhalten habe, noch weitere Zeit habe verstreichen lassen, bevor er die Zahlung veranlasst habe.

II.

5Die nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt die Zustellung der Klage auf den Zeitpunkt des Eingangs zurück, da die Zustellung demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist.

71. Geht es um von der klagenden Partei zu vertretende Zustellungsverzögerungen, so ist das Merkmal "demnächst" nur erfüllt, wenn sich die Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen hält. Mit Blick auf den nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschuss ist das nur zu bejahen, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich "um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt" (, aaO; Senat, Urteil vom - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 235 f., Rn. 16). Ob sich die Verzögerung "in einem hinnehmbaren Rahmen hält", ist vor allem der Beurteilung des Tatrichters vorbehalten, der dabei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat.

82. Dem ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden.

9a) Allerdings hat es nicht übersehen, dass es keine starre zeitliche Grenze von 14 Tagen gibt, die für die Frage maßgeblich wäre, in welchem zeitlichen Rahmen eine Verzögerung der Zustellung noch hingenommen werden kann. Es ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass stets alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind, wobei jedenfalls bei einem Zeitraum von 14 Tagen regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sich die Verzögerung noch in einem hinnehmbaren Rahmen hält (, NJW 2000, 2282 mwN).

10b) Rechtsfehlerhaft hat es aber nicht alle maßgeblichen Umstände gewürdigt und einer Gesamtschau unterzogen, sondern nur einzelne Aspekte unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, ob sie ausnahmsweise die Überschreitung der angenommenen Höchstfrist von 14 Tagen rechtfertigen.

11c) Da das Berufungsgericht diese erforderliche Gesamtwürdigung unterlassen hat, kann sie der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Sie führt dazu, dass sich die nur geringfügig über zwei Wochen liegende Verzögerung (16 Tage) in einem noch hinnehmbaren Rahmen hält, so dass die Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist.

12Dabei ist zu berücksichtigen, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Kostenanforderung dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unmittelbar vor den Osterfeiertagen zugegangen ist. Ob das dazu führt, dass - wie möglicherweise einer Entscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entnommen werden kann (Urteil vom - VII ZR 185/07, MDR 2011, 560) - die Osterfeiertage bei der Berechnung der 14-Tage-Frist von vornherein herauszurechnen sind, mag zweifelhaft erscheinen. Darauf kommt es indes nicht an. Denn jedenfalls stehen mehrere (hier vier) aufeinanderfolgende Tage, an denen keine Geschäfte vorgenommen werden, typischerweise einer zügigen Erledigung einer Kostenanforderung entgegen. Das kann bei der Frage, ob sich die Einzahlung des Kostenvorschusses innerhalb eines Zeitraum nach Zugang der Anforderung bewegt, der "sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt", nicht unbeachtet bleiben.

13Ferner ist - was das Berufungsgericht übersehen hat - zu berücksichtigen, dass die Kostenanforderung entgegen §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 2 KostVfg nicht den Klägern selbst, sondern deren Prozessbevollmächtigtem übersandt worden ist. Bei dieser von der gebotenen Handhabung abweichenden Verfahrensweise waren weitere Verzögerungen nicht nur generell nicht ausgeschlossen. Sie sind im konkreten Fall auch eingetreten, da der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Anforderung erst nach den Osterfeiertagen, nämlich mit Schreiben vom , weitergeleitet hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
AAAAE-09424