BGH Beschluss v. - II ZB 27/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Koblenz, 5 O 533/06 vom OLG Koblenz, 6 U 367/10 vom

Gründe

I. Der Kläger begehrt Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbe- gründungsfrist.

Der Kläger legte gegen das ihm am zugestellte Urteil des Landgerichts am Berufung ein. Mit Schriftsatz vom beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf die angekündigte Verhandlung einer Vielzahl von Verfahren aus einer Klageserie vor dem Bundesgerichtshof am das Ruhen des Verfahrens und ohne zeitliche Eingrenzung die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Der Vertreter der Beklagtenpartei habe telefonisch bereits die Zu- stimmung zu einer derartigen Verfahrensweise erteilt. Der unter dem Aktenzeichen des Landgerichts an das Landgericht adressierte Schriftsatz ging am , einem Freitag, beim Landgericht ein. Nach einer Weiterleitungsverfügung vom , einem Montag, erreichte der Schriftsatz das Berufungsgericht erst am .

Mit Schriftsatz vom begründete der Kläger die Berufung und beantragte die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers sei aufgefallen, dass der Schriftsatz vom versehentlich unter dem Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens an das Landgericht gerichtet gewesen sei. Er habe ihn daraufhin unterzeichnet und die Kanzleiangestellte bei der Rückgabe der Unterschriftenmappe angewiesen, vor der Ausfertigung und Versendung die erste Seite auszuwechseln und sicherzustellen, dass der Schriftsatz unter dem richtigen Aktenzeichen des Berufungsverfahrens an das Berufungsgericht verschickt werde. Zudem habe er die Kanzleiangestellte aufgefordert, den Schriftsatz vorab per Fax zu übermitteln. Weshalb diese Anweisung nicht beachtet worden sei, sei im Nachhinein nicht erklärlich.

Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Umstände vor und auch bis zur Einreichung des Fristverlängerungsgesuchs vom gereichten dem Kläger nicht zum Nachteil, weil Versäumnisse der Sekretärin seines Prozessbevollmächtigten ihm nicht zuzurechnen seien. Auch habe der Prozessbevollmächtigte mit der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechnen dürfen und er sei grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen, sich beim Oberlandesgericht telefonisch nach dem Eingang des Schriftsatzes zu erkundigen. Es sei aber nicht glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers dafür Sorge getragen habe, dass nach einem Fristverlängerungsantrag die Frist nicht versäumt werde. Werde die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, dürfe sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen werde. Der Eintrag der endgültigen Frist sei erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden sei. In jedem Fall sei durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden sei, das wirkliche Ende der Frist gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht festgestellt werde. Wäre spätestens am überprüft worden, welche Fristverlängerung das Oberlandesgericht gewährt habe, hätte sich noch rechtzeitig herausgestellt, dass dort ein Fristverlängerungsantrag nicht vorgelegen habe.

2. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in die am , einem Montag, abgelaufene und daher versäumte Berufungsbegründungsfrist im Ergebnis zu Recht versagt. Die Versäumung der Frist beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das sich dieser nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

a) Das Berufungsgericht stellt im Ausgangspunkt richtig darauf ab, dass es grundsätzlich an einem der Partei zuzurechnenden Verschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung fehlt, wenn der Anwalt einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte; ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine bislang zuverlässige Kanzleikraft eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen auch nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. , MDR 2011, 1442 Rn. 8).

Dieser Vertrauensgrundsatz gilt aber insoweit nicht, als der Rechtsanwalt von der ihm selbst ohne weiteres möglichen Beseitigung eines von ihm erkannten Fehlers absieht. Ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist hier bereits darin zu sehen, dass dieser den Verlängerungsantrag unterzeichnet hat, ohne die von ihm als falsch erkannte Adresse entweder selbst handschriftlich zu korrigieren oder zusätzliche Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass seine Kanzleiangestellte die ihr von ihm zum Zwecke der Korrektur des Fehlers erteilte Einzelweisung tatsächlich befolgte. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für eine fehlerhaft adressierte Berufungsschrift entschieden (vgl. , NJW-RR 2012, 122 Rn. 13 f.). Einem Schriftsatz, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt werden soll, kommt für die Zulässigkeit der Berufung keine mindere Bedeutung zu. Dem Fristverlängerungsantrag kann nämlich nur stattgegeben werden, wenn er vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Es gelten daher dieselben Sorgfaltsanforderungen bei der Sicherstellung der Einhaltung der Frist wie bei der Einreichung einer Berufungsschrift (vgl. , NJW-RR 2006, 1565 Rn. 7).

b) Zu Recht verneint das Berufungsgericht eine Unterbrechung des Kausalverlaufs. Grundsätzlich ist dem Rechtsmittelführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er einen fristgebundenen Schriftsatz versehentlich nicht beim Rechtsmittelgericht sondern beim Ausgangsgericht einreicht und dieser bei unterstellter Weiterleitung durch das Ausgangsgericht im ordentlichen Geschäftsgang fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingegangen wäre (vgl. , NJW 2011, 2887 Rn. 12 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass bei Eingang des Verlängerungsantrags beim Landgericht am Freitag, dem , nicht mit einer Weiterleitung des Schriftsatzes auf dem ordentlichen Geschäftsweg bis zum Tag des Fristablaufs am folgenden Montag gerechnet wer- den konnte (vgl. auch , NJW 2011, 2887 Rn. 13). Die Rechtsbeschwerde greift diesen Punkt auch nicht auf.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
YAAAE-06179