BFH Urteil v. - V R 32/10 BStBl 2012 II S. 525

Anwendung der Vereinfachungsregelung des § 44 Abs. 1 UStDV bei für das Unternehmen bezogenen Mastschweinen

Leitsatz

1. Wird eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung, die gemäß § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkt, während eines Einspruchsverfahrens gegen die abgelehnte Änderung der Herabsetzung eines Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids abgegeben, wird gemäß § 365 Abs. 3 AO der Umsatzsteuer-Jahresbescheid zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

2. „Wirtschaftsgut” i.S. des § 15a Abs. 1 und 2 UStG und des § 44 Abs. 1 UStDV ist bei Mastschweinen (Ferkeln), die für das Unternehmen bezogen worden sind, das einzelne Ferkel.

Gesetze: AO § 168 Satz 1 , AO § 365 Abs. 3BGB § 90, BGB § 90aUStG 2005 § 15a Abs. 1 und 2, Abs. 11 Nr. 1UStDV § 44 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2010, 2130) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1 Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) verpflichtet ist, aufgrund der im Streitjahr 2008 geltenden Geringfügigkeitsgrenze in § 44 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr (2008) anzuwendenden Fassung (UStG) beim Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) rückgängig zu machen.

2 Der Kläger ist Landwirt und versteuerte in 2007 seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften (§ 24 Abs. 4 UStG). Im Kalenderjahr 2007 erwarb der Kläger von einem Viehhändler aufgrund eines Vertrags vom 893 Ferkel zum Preis von brutto 38.783 €. Noch in 2007 veräußerte er hiervon 474 Tiere.

3 Mit Wirkung auf den Beginn des Streitjahres (2008) kehrte der Kläger zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen zurück. Den Restbestand der 2007 erworbenen Tiere veräußerte der Kläger am (209 Ferkel) und am (141 Ferkel). Für die im Streitjahr (2008) veräußerten Ferkel hatte er beim Erwerb im Jahr 2007 Vorsteuer in Höhe von 2.765 € (= 350 Schweine zu je 7,90 € Vorsteuer) in Anspruch genommen.

4 Der Kläger ging in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für das I. Quartal 2008 davon aus, dass aufgrund des Wechsels der Besteuerungsform auch die Vorsteuerbeträge aus Aufwendungen für die im Jahr 2007 erworbenen und im Streitjahr veräußerten Ferkel gemäß § 15a UStG zu berichtigen seien.

5 Später berief sich der Kläger gemäß § 44 Abs. 1 UStDV darauf, die Vorsteuerberichtigung für die 350 Ferkel zu seinen Lasten habe zu unterbleiben. Berichtigungsobjekt im Sinne der Regelung sei jedes einzelne Ferkel, so dass die Vorsteuerberichtigung wegen Unterschreitens des Mindestbetrags von 1.000 € je Berichtigungsobjekt ausscheide.

6 Der Kläger beantragte die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das I. Quartal 2008, die das FA ablehnte. Im anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger am die Umsatzsteuererklärung für 2008 ein, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) als Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkte. Das Einspruchsverfahren wurde durch die Einspruchsentscheidung vom abgeschlossen, in der das FA die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum aus anderen Gründen herabsetzte. Die weiter gehend begehrte Änderung unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 1 UStDV in Bezug auf die veräußerten Ferkel lehnte das FA erneut ab. Zudem erließ das FA unter dem einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Streitjahr 2008, in dem es Änderungen gegenüber der Jahressteuererklärung vornahm, dem Begehren des Klägers aber ebenfalls nicht abhalf.

7 Der Kläger erhob gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für das I. Quartal 2008 Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage „wegen Umsatzsteuer 2008” aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2130 mitgeteilten Gründen statt und verpflichtete das FA zur antragsgemäßen Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2008 vom .

8 Jedes der im Streitjahr 2008 veräußerten 350 Ferkel sei ein „Wirtschaftsgut” i.S. des § 44 Abs. 1 UStDV, sodass für jedes Tier die Geringfügigkeitsgrenze von 1.000 € einzeln zu prüfen sei. Jedem Tier komme im Geschäftsverkehr ein eigener wirtschaftlicher Wert zu, es könne einzeln bewertet werden und habe eine gewisse Lebensdauer. Diese Auffassung werde auch vom Bayerischen Landesamt für Steuern in der Verfügung vom für die Vorsteuerberichtigung bei Vieh vertreten (S 7316.2.1-3/1 St 34, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2008, 868).

9 Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Für beide im Streitjahr 2008 veräußerte Partien Ferkel sei die Geringfügigkeitsgrenze in § 44 Abs. 1 UStDV von 1.000 € (Verkäufe vom : 1.651,10 € und vom : 1.113,90 €) überschritten.

10 Berichtigungsobjekt gemäß § 15a UStG sei das „Wirtschaftsgut”, das nach spezifisch umsatzsteuerrechtlichen Kriterien zu bestimmen sei. Bei vertretbaren Sachen sei nach Abschn. 218 Abs. 1 Satz 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 (UStR) im Streitjahr 2008 nicht die einzelne Sache, sondern bei Berichtigungen aufgrund einer Veräußerung der bezogenen Gegenstände, die zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger geschlossene Vereinbarung maßgeblich. Tiere, die im Massentierhandel verkauft würden, seien gemäß §§ 90a, 91 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vertretbare Sachen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen habe der Kläger im Streitjahr 209 Tiere und 141 Tiere als einheitlichen Liefergegenstand jeweils für einen Gesamtpreis veräußert. Die Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für eine bestimmte Anzahl von Mastschweinen, die jeweils nicht individualisiert seien, führe zu einer Sachgesamtheit (der „Partie”), die Liefergegenstand und Berichtigungsobjekt sei (Hinweis auf Abschn. 24 Abs. 1 Satz 2, 214 Abs. 1 Sätze 4 und 5 UStR 2008). Die „Partie” der Tiere werde im Geschäftsverkehr als Sachgesamtheit bewertet, habe einen eigenen wirtschaftlichen Wert, der mit der Summe der Einzeltiere nicht identisch sei und eine eigene Vermarktbarkeit.

11 Das FA beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12 Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13 Mastschweine seien entgegen der Auffassung des FA keine vertretbaren Sachen i.S. des § 91 BGB. Werde eine Partie mehrerer Tiere veräußert, seien die Verhältnisse jedes einzelnen Tieres maßgeblich für die Bildung des Gesamtkaufpreises, da dieser nach dem Fettgehalt der Tiere berechnet werde und einzelne Tiere aussortiert werden müssten. Es sei zweifelhaft, ob für die Regelungen zur Vorsteuerberichtigung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen zu unterscheiden sei. Die Vorentscheidung vertrete zutreffend, dass sich hierfür im Gesetz keine Stütze finde.

II.

14 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung zu Lasten des Klägers verneint.

15 1. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass Gegenstand des Klageverfahrens der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 vom war.

16 a) Ergeht während des Verfahrens über den Einspruch gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ein Umsatzsteuer-Jahresbescheid, wird dieser gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens (, BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454). Ebenso wie die entsprechende Regelung in § 68 FGO für das Klageverfahren (hierzu BFH-Entscheidungen vom IV R 66/99, BFH/NV 2002, 524; vom II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237; vom X R 28/02, BFH/NV 2004, 1287) gilt § 365 Abs. 3 AO auch für Verpflichtungsbegehren. Der Anwendung des § 365 Abs. 3 AO steht somit nicht entgegen, dass es sich bei einem Antrag auf Herabsetzung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids um ein Verpflichtungsbegehren handelt, während ein gegen einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid erhobener Einspruch ein Anfechtungsbegehren enthält. Dem Zweck der Vorschrift entsprechend ist entscheidend, ob der angefochtene ursprüngliche und der neue Bescheid „dieselbe Steuersache” betreffen (vgl. zur entsprechenden Regelung im FG-Verfahren —§ 68 FGO— das BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1287). Das ist nach ständiger Rechtsprechung im Verhältnis des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids zum Umsatzsteuer-Jahresbescheid der Fall (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454; vom V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337; vom XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; vom V B 115/09, BFH/NV 2010, 1829). Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen die abgelehnte Änderung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für das I. Quartal des Streitjahres 2008 wurde daher mit ihrer Abgabe am die gemäß § 168 Satz 1 AO als Umsatzsteuerfestsetzung wirkende Umsatzsteuer-Jahreserklärung.

17 b) Das FA hat ungeachtet dessen in der Einspruchsentscheidung vom zu Unrecht nur über die abgelehnte Änderung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für das I. Quartal des Streitjahres 2008 entschieden und der Kläger hiergegen Klage erhoben. Streitgegenstand der Klage ist gleichwohl wegen der Identität des Streitgegenstands im Einspruchs- und anschließendem Klageverfahren der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 vom (vgl. hierzu BFH-Entscheidungen vom XI R 37-54/92 u.a., BFH/NV 1994, 45; vom VII B 67/08, BFH/NV 2008, 1901; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 44 Rz 32). Dass der Kläger in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Einspruchsentscheidung zunächst den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das I. Quartal des Streitjahres 2008 als Klagegegenstand bezeichnet hat, ist nach der Anpassung seines Klagebegehrens unerheblich (vgl. hierzu den , BFH/NV 2009, 1443). Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 in Gestalt der Umsatzsteuererklärung vom ist durch den zeitgleich mit der Einspruchsentscheidung vom bekannt gegebenen Umsatzsteueränderungsbescheid 2008 des FA vom ersetzt worden.

18 c) Die Einspruchsentscheidung vom und der geänderte Jahressteuerbescheid 2008 vom selben Tage gelten gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sind. Im Streitfall kann offen bleiben, ob die Einspruchsentscheidung und der geänderte Jahressteuerbescheid für das Streitjahr 2008 dem Kläger gleichzeitig oder nacheinander und in welcher Reihenfolge bekannt gegeben worden sind. Denn entweder ist der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2008 vom noch Gegenstand des Einspruchsverfahrens und deshalb auch des Klageverfahrens geworden oder —wenn der Änderungsbescheid vom erst nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung wirksam geworden sein sollte— er ist gemäß § 68 Abs. 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

19 2. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist gemäß § 15a Abs. 2 UStG eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

20 a) Zu Recht gehen das FG und die Beteiligten davon aus, dass eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse nach § 15a Abs. 7 UStG durch den Übergang des Klägers von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG eingetreten ist.

21 Der Kläger hat im Streitjahr die noch veräußerten 350 Ferkel einmalig zur Ausführung von Umsätzen im Sinne der Regelung verwendet.

22 b) „Wirtschaftsgut” im Sinne der Regelung und damit Berichtigungsobjekt ist entgegen der Auffassung des FA das einzelne Ferkel und nicht der erworbene oder veräußerte Bestand an Tieren.

23 aa) § 15a Abs. 2 UStG ist durch Art. 5 Nr. 12 des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (EURLUmsG) vom (BGBl I 2004, 3310) eingeführt worden. Unionsrechtlich sind „Investitionsgüter” Berichtigungsobjekte (vgl. Art. 187 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem —MwStSystRL— und die Vorgängerregelung in Art. 20 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern 77/388/EWG —Richtlinie 77/388/EWG—). Art. 189 Buchst. a MwStSystRL (zuvor Art. 20 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) erlaubt den Mitgliedstaaten, bei Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Begriff „Investitionsgüter” und damit einzelne Berichtigungsobjekte zu definieren. Nach nationalem Recht sind Berichtigungsobjekte „Wirtschaftsgüter”, die nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden (§ 15a Abs. 1), Wirtschaftsgüter, die nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden (§ 15a Abs. 2 UStG), die in § 15a Abs. 3 genannten Bestandteile und sonstigen Leistungen, die in § 15a Abs. 4 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen sowie unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 6 UStG auch nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten.

24 bb) Für eine Einzelbetrachtung bei der Auslegung des Merkmals „Wirtschaftsgut” spricht, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen des Leistungsaustauschs bei Vorliegen eines Bündels von Einzelleistungen und Handlungen jede Leistung als eigene selbständige Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. , Card Protection Plan (CPP), Slg. 1999, I-973 Rdnrn. 29, 30; vom C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnrn. 19 bis 22; zum Ganzen , BFHE 231, 360, BStBl II 2011, 306, unter II.3.a aa, m.w.N.). Hiervon gilt eine Ausnahme, wenn die Einzelbetrachtung dazu führt, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung künstlich aufgespalten wird. Dies ist etwa der Fall, wenn sog. untrennbare Leistungen vorliegen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss in BFHE 231, 360, BStBl II 2011, 306, unter II.3.a cc (2), m.w.N.). Ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen und im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.d; vom V R 14/06, BFH/NV 2008, 624, unter II.2. und 3.; vom V R 66/05, BFHE 221, 60, BStBl II 2008, 638, unter II.3.; vom V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, unter II.1.a). Aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist ein „Wirtschaftsgut” ein Gut, das nach der Verkehrsauffassung selbständig verkehrsfähig und bewertbar ist (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 15a Rz 44). Auf dieser Grundlage ist das FG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den einzelnen Ferkeln jeweils um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt. Es hat darauf abgestellt, dass jedem einzelnen Tier im Geschäftsverkehr ein eigener wirtschaftlicher Wert zukomme, und es könne einzeln bewertet werden. Die „Partie” der einzelnen Schweine bilde —so das FG— auch deshalb keine einheitliche Sache (Sachgesamtheit), weil die Tiere für gewöhnlich nicht über die gesamte Nutzungsdauer beieinander blieben. Die zivilrechtliche Wertung gemäß § 90a Satz 1 BGB, dass Tiere keine Sachen sind, sondern nur entsprechend der für Sachen geltenden Vorschriften zu behandeln sind, spricht nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der den Mitgliedstaaten zustehenden Definitionsbefugnis (s. oben II.2.b aa) ebenfalls dafür, dass nach Sicht des Durchschnittsverbrauchers einzelne Tiere für sich betrachtet „Wirtschaftsgüter” sind.

25 cc) Hierfür spricht weiter, dass jeder Erwerbsvorgang gleich behandelt wird. Die Auslegung des FA hätte demgegenüber zur Folge, dass bei Lieferungen an den Steuerpflichtigen auf der Grundlage eines Vertrags, in dem die einzelnen Tiere als Liefergegenstände nicht individualisiert wären, stets die Sachgesamtheit (Partie) der Tiere Liefergegenstand und Berichtigungsobjekt wäre. Die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 UStDV hinge dann davon ab, ob mit den Vorsteuerbeträgen, die auf die jeweils erworbene Anzahl von Tieren entfielen, der Grenzbetrag überschritten würde. Eine solche Auslegung vermag nicht zu überzeugen. Die Auslegung des Merkmals „Wirtschaftsgut” muss den Umständen jedes einzelnen Erwerbsvorgangs gerecht werden.

26 dd) Das vorstehende Auslegungsergebnis wird schließlich durch die handelsrechtlichen und ertragsteuerlichen Wertungen gestützt. Tiere, die —wie im Streitfall— ertragsteuerlich dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind, sind grundsätzlich einzeln zu bewerten. Die Möglichkeit, aus Gründen der Praktikabilität bei der Bewertung von Tierbeständen von einer Gruppenbewertung gemäß § 240 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs Gebrauch machen zu können, führt nicht zu einer Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einem Wirtschaftsgut, sondern lediglich zu einem einheitlichen Wertansatz für mehrere Wirtschaftsgüter (vgl. z.B. , BFHE 186, 402, BStBl II 1999, 14; vom IV R 72/00, BFH/NV 2003, 1155, unter II.2.d; Leingärtner/Wendt, Besteuerung der Landwirte, Kap. 29a Rz 191).

27 3. Die Vorsteuerberichtigung zu Lasten des Klägers hat im Streitfall gemäß § 15a Abs. 11 Nr. 1 UStG i.V.m. § 44 Abs. 1 UStDV zu unterbleiben, da die auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten jedes Tieres entfallende Vorsteuer den Betrag von 1.000 € nicht übersteigt, ebenso Wenzel in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz 181; Bülow in Vogel/ Schwarz, UStG, § 15a Rz 201; a.A. Hundt-Eßwein in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 15a UStG Rz 134a, 135; , BStBl I 2005, 1068, Tz. 58). Der abweichenden Auffassung des BMF in Abschn. 218 Abs. 1 Satz 4 UStR 2008 (nunmehr Abschn. 15a.11. Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), die bei vertretbaren Sachen zur Bestimmung des Wirtschaftsguts auf die vertraglichen Vereinbarungen —den Vertragsgegenstand— zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger abstellt, folgt der Senat jedenfalls für Mastschweine nicht (wie hier auch Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom S-7316.2.1, UR 2008, 868; anders anscheinend nunmehr in Verfügung vom S 7316.2.1-3/3 St 33, juris, unter Tz. 2, 6 und Beispiel 3 zu Tz. 9).

Fundstelle(n):
BStBl 2012 II Seite 525
AO-StB 2012 S. 133 Nr. 5
BB 2012 S. 865 Nr. 14
BFH/NV 2012 S. 832 Nr. 5
BFH/PR 2012 S. 206 Nr. 6
BStBl II 2012 S. 525 Nr. 11
DStRE 2012 S. 753 Nr. 12
DStZ 2012 S. 301 Nr. 9
HFR 2012 S. 1045 Nr. 10
KÖSDI 2012 S. 17886 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2012 S. 1133
StB 2012 S. 141 Nr. 5
StBW 2012 S. 360 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2012 S. 454
UR 2012 S. 531 Nr. 13
UStB 2012 S. 126 Nr. 5
UVR 2012 S. 196 Nr. 7
JAAAE-05750