NWB Nr. 8 vom Seite 617

„Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung”

Dr. Andreas S. Bolik | Steuerberater | Ernst & Young GmbH, Stuttgart

Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit

Im Nachgang zur umfangreichen Diskussion über einen sog. schädlichen Steuerwettbewerb in Europa hatte Deutschland im Zuge der Unternehmensteuerreform seinen nominellen Körperschaftsteuersatz reduziert, seine Bemessungsgrundlage verbreitert und sich insoweit in einen europäischen Trend eingefügt. In 2011 hatte dann die Europäische Kommission ihren Entwurf einer Richtlinie über eine gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) zur einheitlichen Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage für in der EU tätige Unternehmen vorgelegt. Aktueller Baustein einer europäischen Angleichungsbemühung ist die vom BMF am vorgelegte Studie zu den Ergebnissen der deutsch-französischen Erörterungen zu möglichen Angleichungen in der Unternehmensbesteuerung beider Länder. Danach strebt Deutschland keine Änderungen im Bereich des Körperschafsteuersatzes an. Im Übrigen werden in dem sog. „Grünbuch” u. a. Änderungen in den folgenden Bereichen in Betracht gezogen (s. dazu Seite 635):

  • Organschaft: Abschaffung des Gewinnabführungsvertrags als Voraussetzung (alternativ: Änderung der Anforderungen an den Gewinnabführungsvertrag) gegen Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote.

  • Verlustnutzung: Erhöhung des Verlustrücktrags auf 1 Mio. € ohne Wahlrecht des Steuerpflichtigen über die tatsächliche Höhe des Verlustrücktrags und gesetzliche Regelung zur grenzüberschreitenden Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste.

  • Steuerpflicht von Streubesitzdividenden: Einführung einer Mindestbeteiligungsquote als Voraussetzung für die Steuerfreistellung von Dividenden nach § 8b KStG.

  • Personengesellschaften: Einführung einer gesetzlichen Regelung, wonach Sondervergütungen auch für die Anwendung eines DBA im Ergebnis als betriebliche Gewinne qualifizieren.

Interessant erscheinen die aktuellen Konvergenztendenzen auch im Hinblick auf einen am vorgelegten Prüfbericht der Facharbeitsgruppe zur Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung aus dem BMF, in dem es noch hieß, dass unter dem Ziel der Aufkommensneutralität allenfalls kleine Änderungen in der bestehenden Organschaftsregelung zu erwarten wären. Der letzte konkretere Anlauf zur Anpassung der Organschaftsvoraussetzungen (damals ging es um die Verlustübernahme) wurde im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 diskutiert, aber nicht umgesetzt. Welche der im Grünbuch genannten Maßnahmen tatsächlich Eingang in ein Gesetzgebungsverfahren finden werden, bleibt abzuwarten. Zwingend erforderlich sind jedenfalls Änderungen in der Besteuerung von Streubesitzdividenden, nachdem der die geltenden Regelungen als gemeinschaftsrechtswidrigen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit eingestuft hat. Die mit dem Grünbuch in Betracht gezogene Einführung einer Mindestbeteiligungsquote könnte ein Hinweis auf die mögliche Ausgestaltung einer Gesetzesänderung sein.

Andreas Bolik

Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 617
NAAAE-02383