BVerwG Beschluss v. - 2 B 34/11

Landesrechtliche Regelung des disziplinargerichtlichen Verfahrens; Eröffnung der Revisionsinstanz durch Landesgesetz

Leitsatz

Der Landesgesetzgeber ist berechtigt, in Disziplinarsachen keine Revisionsinstanz zu eröffnen.

Gesetze: Art 74 Abs 1 GG, Art 99 GG, § 187 Abs 1 VwGO, § 45 S 1 DG ST 2006, § 3 DG ST 2006

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 10 L 1/10 Urteilvorgehend VG Magdeburg Az: 8 A 19/08

Gründe

1Die Beschwerde ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils unzulässig, weil das Landesdisziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) für landesrechtliche Disziplinarverfahren eine Revisionsinstanz nicht eröffnet (vgl. auch Entwurfsbegründung LTDrucks 4/2364 S. 81).

2Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unter anderem die Kompetenz, Verfassung und Verfahren der Verwaltungsgerichte zu regeln. Von dieser Kompetenz hat er durch Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung Gebrauch gemacht und das verwaltungsgerichtliche Verfahren erschöpfend geregelt. Auch bei umfassender und erschöpfender Regelung eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund sind landesrechtliche Regelungen jedoch insoweit zulässig, als das Bundesrecht Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung enthält. Einen solchen Vorbehalt enthält § 187 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift können die Länder den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit übertragen sowie dabei die Besetzung und das Verfahren regeln (vgl. - BVerfGE 29, 125 <137 ff.> m.w.N.).

3Sachsen-Anhalt hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nach § 45 Satz 1 Halbs. 1 DG LSA nehmen die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit nach dem Landesdisziplinargesetz wahr.

4§ 187 Abs. 1 VwGO belässt dem Landesgesetzgeber nicht nur die Kompetenz, den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit zu übertragen. Er eröffnet ihm auch die Möglichkeit, die Besetzung und das Verfahren abweichend von den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln, ohne dass er dabei eine umfassende eigenständige Verfahrensregelung treffen müsste. Der Landesgesetzgeber kann sich auf den Erlass einiger abweichender Verfahrensbestimmungen beschränken ( a.a.O. S. 146 f.). Diese Kompetenz umfasst die Befugnis, den Instanzenzug abweichend vom Regelfall der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln.

5Der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt hat eine Revisionsinstanz für das Disziplinarverfahren nicht eingeführt. Nach Art. 99 GG kann dem Bundesverwaltungsgericht für den letzten Rechtszug durch Landesgesetz die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Die Vorschrift eröffnet den Ländern damit die Möglichkeit, Zuständigkeiten von Bundesgerichten im Bereich des Landesrechts und damit auch im Bereich des Disziplinarrechts durch Landesgesetz zu begründen (vgl. zum Verhältnis zu § 127 BRRG: - BVerfGE 10, 285 <292 f., 301 f.> und BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30 <31> = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 37 Rn. 6; zum Personalvertretungsrecht: BVerwG 7 P 3.60 - BVerwGE 11, 336 <337>, BVerwG 7 P 27.77 und 28.77 - Buchholz 238.3A § 106 BPersVG Nr. 1 S. 4 und zum Rundfunkgebührenrecht: BVerwG 7 B 199.89 - juris Rn. 4). Für eine solche Zuweisung genügt eine allgemeine Verweisungsnorm wie § 3 DG LSA, mit der zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend anwendbar erklärt werden, nicht. Es bedarf vielmehr nach Art. 99 GG einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Zuweisung an das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz. Eine solche enthält das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht.

Fundstelle(n):
NAAAE-02305