Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG [1] in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom (BGBl I S. 2592) [2] Folgendes:
1. Allgemeines
Die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG schränkt den Anspruch einer ausländischen Gesellschaft nach §§ 43b, 50g EStG oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) auf Befreiung oder Ermäßigung von Kapitalertrag- oder Abzugssteuern nach § 50a EStG ein,
soweit Personen an der Gesellschaft beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (persönliche Entlastungsberechtigung), und
soweit die Funktionsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (sachliche Entlastungsberechtigung) nicht vorliegen (schädliche Erträge).
Die Funktionsvoraussetzungen für unschädliche Erträge sind alternativ erfüllt,
soweit die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen oder
in Bezug auf die nicht eigenwirtschaftlichen Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorhanden sind und die ausländische Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt oder
§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG Anwendung findet.
2. Anwendungsbereich
Unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung von der Kapitalertragsteuer oder der Abzugssteuer nach § 50a EStG. Ausgeschlossen werden hiernach Ansprüche auf völlige oder teilweise Erstattung einbehaltener Steuern (§ 50d Abs. 1 EStG) sowie auf völlige oder teilweise Freistellung vom Steuerabzug (§ 50d Abs. 2 EStG).
Erzielt die ausländische Gesellschaft der Quellensteuer unterliegende abzugsteuerpflichtige Einkünfte, ermäßigt sich die Quellensteuer vorbehaltlich einer zusätzlichen persönlichen Entlastungsberechtigung im Verhältnis der unschädlichen Bruttoerträge zu den im Wirtschaftsjahr insgesamt erzielten Bruttoerträgen der ausländischen Gesellschaft („Aufteilungsklausel“).
Nicht in den Anwendungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG fallen eventuelle Entlastungsansprüche, die sich aus der Zuweisung des Besteuerungsrechtes nach einem DBA für andere Einkünfte ergeben, z. B. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen.
3. Ausländische Gesellschaft
Der Begriff der Gesellschaft ist entsprechend dem jeweiligen Antrag i. S. d. einschlägigen DBA oder der §§ 43b Abs. 2 oder 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auszulegen. Nach Artikel 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-Musterabkommen bedeutet der Ausdruck „Gesellschaft“ juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Die Einordnung einer Gesellschaft durch die Vertragsstaaten kann unterschiedlich ausfallen. Für deutsche Besteuerungszwecke erfolgt die Einordnung ausschließlich nach deutschem Steuerrecht (Typenvergleich). Unabhängig davon ist Entlastung von deutschen Abzugssteuern zu gewähren, wenn die Einkünfte nach dem Recht des anderen Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind. Daher ist eine ausländische Personengesellschaft, die nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, Gesellschaft i. S. d. § 50d Abs. 3 EStG [3].
Bei Anträgen nach §§ 43b oder 50g EStG ist darauf abzustellen, ob die Gesellschaft eine der in der Anlage 2 zu § 43b EStG bzw. Anlage 3a zu § 50g EStG aufgeführten Rechtsformen aufweist und im Übrigen die jeweiligen weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.
Ausländisch ist eine Gesellschaft, wenn sie weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat oder bei sog. Doppelansässigkeit nach dem maßgeblichen DBA im anderen Vertragsstaat als ansässig gilt.
Die Ansässigkeit einer ausländischen Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat richtet sich nach Artikel 4 Abs. 1 und 3 OECD-Musterabkommen bzw. der einschlägigen Vorschrift des maßgeblichen DBA.
4. Persönliche Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG)
4.1 Gesellschafterbezogene Prüfung
Eine ausländische Gesellschaft ist persönlich entlastungsberechtigt, soweit den an ihr beteiligten Personen ein Entlastungsanspruch nach §§ 43b, 50g EStG oder nach einem DBA zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (Prüfung der mittelbaren Entlastungsberechtigung des Gesellschafters). Die Entlastungsberechtigung ist entsprechend dem Gesetzeswortlaut („soweit“) für jeden Gesellschafter gesondert zu prüfen. Gesellschafter mit Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland sind nicht entlastungsberechtigt.
4.2 Mittelbare persönliche Entlastungsberechtigung des Gesellschafters
Handelt es sich bei dem Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft um eine Gesellschaft, kommt es darauf an, ob diese nach einem DBA oder einer EU-Richtlinie persönlich entlastungsberechtigt ist (fiktiver Entlastungsanspruch). Soweit die mittelbar beteiligte Gesellschaft sachlich nicht entlastungsberechtigt ist, ist zu prüfen, ob eine an ihr beteiligte Gesellschaft, sofern diese selbst persönlich entlastungsberechtigt ist, die sachlichen Funktionsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt. Im Hinblick auf Gesellschaften in einer Beteiligungskette muss stets für jede Gesellschaft in der Kette die persönliche Entlastungsberechtigung gegeben sein (vgl. , BStBl II S. 819). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Gesellschaften in der Kette im gleichen Umfang entlastungsberechtigt sind. Allerdings begrenzen die fiktiven Entlastungsansprüche der in der Beteiligungskette voranstehenden Gesellschafter die Höhe des Entlastungsanspruchs nachfolgender Gesellschafter (siehe Tz. 12).
4.3 Ausschluss der mittelbaren Entlastungsberechtigung
Eine fehlende persönliche Entlastungsberechtigung schließt mögliche mittelbare Entlastungsberechtigungen nachfolgender Gesellschafter aus. Danach ist ein Gesellschafter dann nicht (mittelbar) persönlich entlastungsberechtigt, wenn er
in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist,
als außerhalb der EU ansässige Person nicht die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinien erfüllt,
die Rechtsform einer Gesellschaft hat, diese sachlich nicht entlastungsberechtigt (siehe Tz. 1) ist und deren Gesellschafter ihrerseits in einem Nicht-DBA-Staat ansässig sind bzw. als außerhalb der EU ansässige Personen nicht die Voraussetzungen der einschlägigen EU-Richtlinien erfüllen oder
zwar in einem DBA-Staat und/oder innerhalb der EU ansässig ist, aber nicht die Vergünstigungen eines DBA bzw. der einschlägigen EU-Richtlinien geltend machen kann (hierunter fallen für Zwecke der unmittelbaren Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG auch inländische Gesellschafter).
Beispiel:An einer niederländischen B. V. ist u. a. auch eine Gesellschaft beteiligt, die ihren Sitz auf den Bermudas hat. An letzterer Gesellschaft sind u. a. natürliche Personen mit Wohnsitz in den USA beteiligt. Die fehlende persönliche Entlastungsberechtigung der Bermuda-Gesellschaft schließt einen möglichen Entlastungsanspruch eines Gesellschafters in den USA aus.
5. Eigene Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG)
Soweit die im betreffenden Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, besteht ein Anspruch auf Entlastung (siehe Tz. 5.5). Dazu zählen auch die Bruttoerträge einer Gesellschaft, die mit der eigenen Wirtschaftstätigkeit derselben Gesellschaft in einem wirtschaftlich funktionalen Zusammenhang stehen (siehe Tz. 12) sowie Zinserträge einer Gesellschaft, die aus der verzinslichen Anlage entlastungsberechtigter Gewinne derselben Gesellschaft erzielt werden. Bruttoerträge sind die Bruttoerträge i. S. d. § 9 AStG (siehe Tz. 9.0.1 des , BStBl I Sonder-Nr. 1 – Anwendungsschreiben zum AStG). Dividenden und andere Erträge (z. B. Zinsen und Lizenzgebühren) von geleiteten Gesellschaften (siehe Tz. 5.3) zählen zu den Bruttoerträgen des Bereiches der eigenen Wirtschaftstätigkeit.
Im Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG gilt das Jahr des Ertragszuflusses als betreffendes Wirtschaftsjahr. Im Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG ist es das Jahr der Antragstellung. Die Bruttoerträge aus eigenwirtschaftlicher Tätigkeit sind anhand des Jahresabschlusses des betreffenden Wirtschaftsjahres nachzuweisen. Sollte dieser noch nicht vorliegen, ist auf die Verhältnisse des vorangegangenen Wirtschaftsjahres abzustellen; sofern es für den Steuerpflichtigen günstiger ist, kann er rückwirkend die Erträge des Wirtschaftsjahres zugrunde legen, in dem sie angefallen sind. Bei Neugründung sind die Verhältnisse des ersten Wirtschaftsjahres nach der Gründung maßgebend.
5.1 „Wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“
Eine eigene Wirtschaftstätigkeit setzt eine über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus („wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“). Die Zwischenschaltung einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft ist vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Cadbury-Schweppes () nur dann gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft am dortigen Marktgeschehen im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt.
Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt auch vor, wenn Dienstleistungen gegenüber einer oder mehreren Konzerngesellschaften erbracht werden. Voraussetzung ist, dass die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden und wie gegenüber fremden Dritten abgerechnet werden.
An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es nach § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von eigenen und/oder fremden Wirtschaftsgütern erzielt, z. B. bei bloßem Erwerb von Beteiligungen (, BStBl II S. 496) oder dem Halten von Stammkapital oder dem Halten und Verwalten von Vermögen (, BStBl 1977 II S. 266; , BStBl II S. 263).
5.2 Aktive Beteiligungsverwaltung
Hält die ausländische Gesellschaft in ihrem Betriebsvermögen Anteile an inländischen Gesellschaften, liegt eine eigene Wirtschaftstätigkeit nur dann vor, wenn Beteiligungen von einigem Gewicht erworben wurden, um gegenüber den Gesellschaften, an denen die Beteiligungen bestehen, geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen (aktive Beteiligungsverwaltung, siehe , BStBl 1981 II S. 339, 341). Es reicht nicht aus, dass eine Gesellschaft ohne sonstige unternehmerische Betätigung geschäftsleitende Funktionen nur gegenüber einer Tochtergesellschaft ausübt oder lediglich Anteile an einer oder mehreren Tochtergesellschaften hält und sich dabei auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt (passive Beteiligungsverwaltung). Ob eine Beteiligung von einigem Gewicht erworben wurde, hängt nicht von der Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung ab. Es kommt darauf an, dass auf das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft tatsächlich Einfluss genommen wird.
5.3 Geschäftsleitende Funktionen
Geschäftsleitende Funktionen werden durch Führungsentscheidungen ausgeübt. Führungsentscheidungen zeichnen sich durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung aus, die sie für den Bestand der Beteiligungsgesellschaft (geleitete Gesellschaft) haben. Sie unterscheiden sich von Entscheidungen, die kurzfristig und ausführungsbezogen sind. Die Durchführung nur einzelner Geschäftsfunktionen, wie z. B. Lizenzverwertung und/oder Kreditgewährung, reicht für die Qualifizierung als aktive Beteiligungsverwaltung nicht aus. Mündliche Führungsentscheidungen ohne hinreichende Dokumentation reichen zum Nachweis der geschäftsleitenden Funktion nicht aus.
5.4 Auslagerung wesentlicher Geschäftstätigkeiten
Eine eigene Wirtschaftstätigkeit liegt auch dann nicht vor, wenn die wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte, z. B. Anwaltskanzleien oder Managementgesellschaften, übertragen werden (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).
5.5 Gesellschafterbezogene Prüfung
Soweit keine eigene Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird, ist die sachliche Entlastungsberechtigung gesellschafterbezogen eingeschränkt.
6. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG)
Nimmt die ausländische Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, besteht ein Anspruch auf Entlastung, soweit die nicht aus einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit stammenden Erträge aus einem Geschäftsbereich stammen, für den die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft aus wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen gerechtfertigt ist. Ein wirtschaftlicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn mit der ausländischen Gesellschaft die Aufnahme einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Tz. 5 geplant ist und entsprechende Aktivitäten eindeutig nachgewiesen sind.
An einem wirtschaftlichen Grund fehlt es insbesondere dann, wenn die ausländische Gesellschaft überwiegend der Sicherung von Inlandsvermögen in Krisenzeiten dient, für eine künftige Erbregelung oder für den Aufbau der Alterssicherung der Gesellschafter eingesetzt werden soll, vgl. , BStBl 1977 II S. 265.
Als sonst beachtliche Gründe können u. a. rechtliche, politische oder auch religiöse Gründe in Betracht kommen.
Umstände, die sich aus den Verhältnissen des Konzernverbunds ergeben, wie z. B. Gründe der Koordination, Organisation, Aufbau der Kundenbeziehung, Kosten, örtliche Präferenzen, gesamtunternehmerische Konzeption, stellen keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe in diesem Sinne dar, vgl. auch Tz. 8.
An einer ausländischen Gesellschaft sind zu 100 % nicht entlastungsberechtigte Gesellschafter beteiligt. Die Gesellschaft erzielt zu 80 % Erträge, die nicht aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit stammen, wobei für 60 % dieser Erträge die Einschaltung der Gesellschaft wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Ein für den Geschäftszweck angemessen ausgestatteter Geschäftsbetrieb liegt vor. Die dem Quellensteuerabzug unterliegenden deutschen Zahlungen sind zu 68 % (= 20 % [eigenwirtschaftliche Erträge] und 60 % x 80 % [§ 50d Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG]) entlastungsberechtigt.
7. Angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG)
Die ausländische Gesellschaft muss im Ansässigkeitsstaat über einen für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügen (qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel, , BStBl II S. 819, 822), d. h. ein „greifbares Vorhandensein“ muss nachweisbar sein (). Indizien für ein solches „greifbares Vorhandensein“ liegen vor, wenn
die Gesellschaft dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt,
das Personal der Gesellschaft über die Qualifikation verfügt, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen,
die Geschäfte zwischen nahe stehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG einem Fremdvergleich (wie unter fremden Dritten) standhalten.
8. Konzernverhältnisse (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG)
Für die Prüfung der in Tz. 6 und 7 genannten Ausschlussgründe ist ausschließlich auf die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft und nicht auf den Konzernverbund abzustellen, deren Teil sie ist. Struktur und Strategiekonzepte des Konzerns führen deshalb nicht dazu, dass einer funktionslosen Konzerngesellschaft Steuerentlastungen gewährt werden können. Dies gilt u. a. auch in Fällen der Organschaft oder fiskalen Einheit. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist nicht anzuwenden.
9. Sonderfälle (§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG)
Vom Anwendungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG sind nur die folgenden ausländischen Gesellschaften ausgenommen:
9.1 Gesellschaften mit börsengehandelten Aktien
Gesellschaften, für deren Hauptgattung der Aktien ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet, fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 50d Abs. 3 EStG. Der Begriff „anerkannte Börse“ bedeutet organisierter Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetz und vergleichbare Märkte mit Sitz außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes.
9.2 Investmentgesellschaften
Ausgenommen sind nur ausländische Investmentvermögen des Kapitalgesellschaftstyps (d. h. mit einer Investmentaktiengesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 5 Investmentgesetz vergleichbare Konstruktionen). Die Vorgabe zur Ermittlung der Erträge des Investmentvermögens nach den Regeln für Überschusseinkünfte (§ 3 Abs. 1 Investmentsteuergesetz) führt nicht zur Einstufung der Tätigkeit des Investmentvermögens als Vermögensverwaltung. Wegen der unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Ausland gilt dies auch dann, wenn die Verwaltung des Investmentvermögens auf eine besondere Verwaltungsgesellschaft ausgelagert wird.
Handelt es sich bei der nach einem DBA oder einer EU-Richtlinie persönlich entlastungsberechtigten ausländischen Gesellschaft nicht um eine solche i. S. d. § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG (Tz. 9.1 und 9.2), ist darauf abzustellen, ob eine an ihr unmittelbar oder mittelbar beteiligte Gesellschaft einen der Tatbestände des § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG (Tz. 9.1 und 9.2) erfüllt, sofern diese ebenfalls persönlich entlastungsberechtigt ist. Auch bei einer mittelbar beteiligten Gesellschaft muss die persönliche Entlastungsberechtigung gegeben sein.
10. Verhältnis von § 50d Abs. 3 EStG zu Missbrauchsregelungen in den DBA
Der abkommensrechtlich mögliche Entlastungsanspruch steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG (, BStBl II S. 781). Dies gilt nicht in Fällen, in denen das einschlägige DBA eine abschließende Regelung enthält ( BStBl 2008 II S. 619).
11. Verhältnis von § 50d Abs. 3 EStG zu § 42 AO
§ 50d Abs. 3 EStG ist im Verhältnis zu § 42 AO die speziellere Vorschrift und vorrangig anzuwenden. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG nicht vor, ist die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO zu prüfen, da dessen Anwendbarkeit nicht durch § 50d Abs. 3 EStG oder eine andere gesetzliche Vorschrift ausgeschlossen ist (§ 42 Abs. 2 AO).
12. Höhe des Anspruchs auf Steuerentlastung
Die ausländische Gesellschaft hat insoweit einen Anspruch auf Steuerentlastung, als
an ihr unmittelbar oder mittelbar persönlich entlastungsberechtigte Personen (siehe Tz. 4) beteiligt sind oder
sie nachweist, dass für die abzugssteuerpflichtigen Einkünfte eine sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt (unschädliche Erträge i. S. d. Tz. 1) oder
es sich um einen der in § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG genannten Sonderfälle (siehe Tz. 9) handelt.
Sind an der ausländischen Gesellschaft auch nicht entlastungsberechtigte Personen beteiligt (zur Prüfung der Entlastungsberechtigung, siehe Tz. 4.) und erbringt sie den genannten Nachweis nicht, ist zur Feststellung der Höhe des Steuerentlastungsanspruchs für jeden Gesellschafter gesondert zu prüfen, wie hoch sein Entlastungsanspruch wäre, wenn er die Einkünfte unmittelbar erzielte (fiktiver Entlastungsanspruch). Der Steuerentlastungsanspruch der Gesellschaft ergibt sich aus der Summe der fiktiven Entlastungsansprüche der Gesellschafter, die unmittelbar oder mittelbar an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.
An einer nach DBA zu 100 % persönlich entlastungsberechtigten ausländischen Gesellschaft A sind zwei Gesellschaften B und C zu 40 % bzw. 60 % beteiligt. A erzielt zu 70 % schädliche Bruttoerträge. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe liegen hinsichtlich dieser Erträge nicht vor. 30 % der Bruttoerträge stammen aus ihrem aktiven Geschäft als Produktions- und Vertriebsgesellschaft sowie die Lizenzzahlung einer deutschen Tochtergesellschaft, die für A den Vertrieb der Produkte auf dem deutschen Markt übernommen hat (funktional wirtschaftlicher Zusammenhang der Lizenzzahlung mit der Produktions- und Vertriebstätigkeit der A). Die Lizenzzahlung unterliegt einer deutschen Quellensteuer i. H. v. 15 %. Des Weiteren bezieht die A eine dem Kapitalertragsteuerabzug von 25 % unterliegende Dividende.
An der nach DBA persönlich entlastungsberechtigten Gesellschaft B, die ausschließlich schädliche Bruttoerträge erzielt, sind die persönlich nicht entlastungsberechtigte natürliche Person D und die entlastungsberechtigte börsennotierte AG zu je 50 % beteiligt.
An der Gesellschaft C, deren Erträge zu 20 % dem unschädlichen und zu 80 % dem schädlichen Bereich zugerechnet werden, sind die natürlichen Personen E und F zu je 50 % beteiligt, die nach DBA eine Ermäßigung der Quellensteuer auf 15 % beanspruchen könnten. Die Gesellschaft C selbst könnte nach DBA eine Ermäßigung der Quellensteuer auf 5 % beanspruchen.
Eine Entlastungsberechtigung hinsichtlich der abzugssteuerpflichtigen Einkünfte (Lizenz- und Dividendenzahlung) ergibt sich wie folgt:
Sachliche Entlastungsberechtigung aufgrund eigenwirtschaftlicher Bruttoerträge der A
Die abzugssteuerpflichtigen Einkünfte sind zu 30 % entlastungsberechtigt, da sich aus dem Verhältnis der im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten eigenwirtschaftlichen Bruttoerträge zu den Gesamtbruttoerträgen eine auf die abzugssteuerpflichtigen Einkünfte anzuwendende Quote von 30 (unschädliche Erträge) zu 70 (schädliche Erträge) ergibt.
Persönliche Entlastungsberechtigung der Gesellschaft A
70 % der abzugssteuerpflichtigen Einkünfte sind insoweit entlastungsberechtigt, als entlastungsberechtigte Gesellschafter (siehe Tz. 4) vorhanden sind:
B ist zwar persönlich entlastungsberechtigt, erzielt aber ausschließlich schädliche Erträge. Daher ist der fiktive Entlastungsanspruch der an B beteiligten Gesellschafter maßgeblich. Die mittelbar zu 50 % beteiligte börsennotierte Aktiengesellschaft ist vollumfänglich entlastungsberechtigt (siehe Tz. 4.2); D ist jedoch persönlich nicht entlastungsberechtigt. A kann insoweit eine Entlastung von 14 % (= 40 % x 50 % x 70 %) gewährt werden. C ist zwar persönlich entlastungsberechtigt, aber erzielt zu 80 % schädliche Erträge. Insoweit ist der fiktive Entlastungsanspruch der an C beteiligten Gesellschafter E und F maßgeblich. Da sowohl E als auch F persönlich entlastungsberechtigt sind, beträgt der Entlastungsanspruch 48 % (= 80 % x 60 %), der aber wegen der Reduktion der Quellensteuer auf 15 % für die inländische Dividendenzahlung um 15/25 (= 15 % von 25 % Abzugssteuer) sowie für die inländische Lizenzzahlung vollständig eingeschränkt ist. Von dem Entlastungsanspruch i. H. v. 48 % werden deshalb nur 19,2 % gewährt (= 10/25 x 48 %). In Bezug auf den Anteil der schädlichen Erträge der A (70 %) ergibt sich somit ein Entlastungsanspruch von 13,44 % (= 19,2 % x 70 %).
Hinsichtlich der unschädlichen übrigen 20 % ist C persönlich entlastungsberechtigt und deshalb ein Rückgriff auf die an ihr beteiligten Gesellschafter nicht notwendig. Für A ergibt sich ein Entlastungsanspruch i. H. v. 12 % (= 20 % x 60 %), der wegen der Reduktion der Quellensteuer auf 5 % um 1/5 (= 5 % von 25 % Abzugssteuer) für die inländische Dividendenzahlung und 1/3 (= 5 % von 15 %) für die inländische Lizenzzahlung eingeschränkt ist. Von dem Entlastungsanspruch i. H. v. 12 % werden deshalb für die inländische Dividendenzahlung nur 9,6 % (= 4/5 x 12 %) und für die inländische Lizenzzahlung 8 % (= 2/3 x 70 %) gewährt. In Bezug auf den Anteil der schädlichen Bruttoerträge der A (70 %) ergibt sich somit ein Entlastungsanspruch von 6,72 % (= 9,6 % x 70 %) der Quellensteuer für die Dividendenzahlung und von 5,6 % (= 8 % x 70 %) für die Lizenzzahlung.
Insgesamt ergibt sich für die abzugssteuerpflichtige Dividendenzahlung eine Entlastungsberechtigung i. H. v. 64,16 % (= 30 % + 14 % + 13,44 % + 6,72 %) sowie für die abzugssteuerpflichtige Lizenzzahlung eine Entlastungsberechtigung i. H. v. 49,6 % (= 30 % + 14 % + 5,6 %).
13. Feststellungslast
Die Feststellungslast hinsichtlich des Nichtvorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG liegt bei der ausländischen Gesellschaft. Aufgrund der bei Auslandssachverhalten gebotenen erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO) obliegt der ausländischen Gesellschaft die Feststellungslast für weitere Entlastungsmöglichkeiten (persönlich entlastungsberechtigte Gesellschafter oder Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit).
14. Freistellungsbescheinigung
Freistellungsbescheinigungen nach § 50d Abs. 2 EStG sind grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu erteilen. Die ausländische Gesellschaft ist in der Bescheinigung darauf hinzuweisen, dass sie den teilweisen oder vollständigen Wegfall der Voraussetzungen für die Freistellung dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unverzüglich mitzuteilen hat; § 50d Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz EStG ist entsprechend anzuwenden, im Übrigen siehe die de-minimis-Regelungen in Tz. 15 Ergänzend wird auf die sich aus der Abgabenordnung ergebenden allgemeinen Grundsätze zur Berichtigung von Erklärungen (vgl. § 153 AO) hingewiesen.
15. De-minimis-Regelungen
Die ausländische Gesellschaft hat den teilweisen oder vollständigen Wegfall der Entlastungsberechtigung i. S. d. § 50d Abs. 3 EStG für die Freistellung dem BZSt unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn
sich das bei Erteilung der Freistellungsbescheinigung zugrunde gelegte Verhältnis der Bruttoerträge aus eigenwirtschaftlicher Tätigkeit zu den gesamten Bruttoerträgen um weniger als 30 %-Punkte verringert oder
sich ein Gesellschafteranteil (bei unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung) um weniger als 20 %-Punkte ändert.
Sofern die gesetzlich/abkommensrechtlich vorgeschriebenen Mindestbeteiligungshöhen unterschritten werden, ist dies dem BZSt ebenfalls unverzüglich mitzuteilen.
In den Fällen, in denen nach den de–minimis–Regelungen keine Mitteilungspflicht besteht, kann eine Neuberechnung des prozentualen Anteils der entlastungsberechtigten Erträge unterbleiben.
16. Erstmalige Anwendung
§ 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des Gesetzes vom ist erstmals ab anzuwenden sowie für alle vorangegangenen Zeiträume, soweit Steuerbescheide oder Freistellungsbescheinigungen noch nicht bestandskräftig sind und diese Regelung zu einer günstigeren Entlastungsberechtigung führt.
Dieses Schreiben ersetzt die (BStBl I S. 446) und (BStBl I S. 596).
Die jeweils aktuelle Fassung der Antragsvordrucke ist den Internetseiten des BZSt zu entnehmen.
BMF v. - IV B 3 -
S 2411/07/10016
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2012 I Seite 171
DB 2012 S. 262 Nr. 5
DStR 2012 S. 410 Nr. 8
EStB 2012 S. 95 Nr. 3
FR 2012 S. 233 Nr. 5
FR 2012 S. 327 Nr. 7
GmbH-StB 2012 S. 115 Nr. 4
GmbHR 2012 S. 415 Nr. 7
IStR 2012 S. 160 Nr. 4
IStR 2012 S. 4 Nr. 3
StBW 2012 S. 110 Nr. 3
StBW 2012 S. 221 Nr. 5
Ubg 2012 S. 196 Nr. 3
VAAAE-01378
1Dieses Schreiben gilt für die unmittelbare Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG. Soweit diese Vorschrift nur entsprechend anzuwenden ist, wie z. B. gem. § 44a Abs. 9 Satz 2 EStG, sind die Ausführungen dieses Schreibens nur nach dem Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift zu berücksichtigen.
2BStBl I S. 1171
3Auf die Einordnung einer ausländischen Gesellschaft nach dem innerstaatlichen deutschen Steuerrecht (Typenvergleich) kommt es insoweit nicht an. Siehe OECD-Musterkommentar, Tz. 5 zu Art. 1.