BAG Urteil v. - 9 AZR 225/10

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell - Überschreiten der Überlastquote - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Gesetze: § 2 Abs 1 AltTZTV, § 2 Abs 2 AltTZTV, § 3 Abs 1 Nr 3 Alt 1 AltTZG 1996, Art 3 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 11 Ca 28/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 14 Sa 26/09 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt von dem beklagten Land, mit ihm einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen.

Der am geborene Kläger trat am in die Dienste der späteren F GmbH. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom (TV ATZ) Anwendung. Dort finden sich ua. folgende Regelungen:

3Die F GmbH beschied Anträge auf Altersteilzeit, die Arbeitnehmer vor dem stellten, im Anschluss an den Eingang des Antrags, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Altersteilzeit nach dem Wunsch des Arbeitnehmers beginnen sollte. Mit Aushang vom bat sie, Anträge auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags erst „ca. 6 Monate vor Vollendung des 60. Lebensjahres“ einzureichen. Seitdem entschied sie über Altersteilzeitanträge erst etwa ein halbes Jahr vor Vollendung des 60. Lebensjahres des antragenden Arbeitnehmers.

4Mit Schreiben vom beantragte der Kläger, das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzusetzen.

5Das Bundesministerium des Innern (BMI) machte mit Rundschreiben vom (Az.: D I 1 - 210 172/20) bekannt, dass die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte ab dem nur noch im Teilzeitmodell möglich sei. Ausgenommen seien bestimmte Personalabbaubereiche. Mit Rundschreiben vom (Az.: D II 2 - 220 770-1/18) übertrug das BMI diese Regelung auf Altersteilzeitarbeitsverträge mit Arbeitnehmern.

6Die F GmbH begründete in der Folgezeit Altersteilzeitarbeitsverhältnisse im Teilzeitmodell, obwohl sie mehr als fünf Prozent ihrer Mitarbeiter in Altersteilzeit beschäftigte. Anträge, die auf die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell zielten, nahm sie grundsätzlich nicht an.

7Unter dem teilte die F GmbH dem Kläger mit, sie lehne seinen vom datierenden Antrag ab. Zur Begründung führte sie an, aus personalwirtschaftlichen Gründen könnten keine Altersteilzeitarbeitsverhältnisse im Blockmodell vereinbart werden. Im Nachgang teilte sie mit, die Überlastquote nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG sei überschritten.

8Am modifizierte der Kläger seinen Antrag vom und verlangte von der F GmbH, das Altersteilzeitarbeitsverhältnis erst zum zu begründen.

9In der Folgezeit übertrug die F GmbH auf der Grundlage eines vom datierenden Vertrags sämtliche Vermögensgegenstände auf das beklagte Land.

10Mit Schreiben vom informierte die F GmbH den Kläger, die von ihr betriebene Forschungseinrichtung, an der sie den Kläger beschäftige, sei mit Wirkung zum auf das beklagte Land übergegangen.

11Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, das beklagte Land habe das Recht, sich auf die Überschreitung der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG geregelten Überlastquote zu berufen, verwirkt. Zudem stehe ihm unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

13Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, der Kläger habe keine Ungleichbehandlung erfahren. Die Gewährung von Altersteilzeit sei eine freiwillige Leistung mit Stichtagscharakter. Diese habe die F GmbH unter Beachtung der in den BMI-Rundschreiben genannten Vorgaben inhaltlich ausgestaltet und zulässigerweise - bis auf wenige Ausnahmen - auf die Fälle beschränkt, in denen Arbeitnehmer Altersteilzeit im Teilzeitmodell verlangt hätten. Das Blockmodell begründe für den Arbeitgeber einen gegenüber dem Teilzeitmodell erhöhten finanziellen Aufwand, da der Arbeitgeber gezwungen sei, Rückstellungen zu bilden und das Wertguthaben gegen Insolvenz zu sichern. Zudem gewährleiste nur das Teilzeitmodell den erforderlichen Wissenstransfer von den ausscheidenden auf die nachrückenden Fachkräfte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, die der Kläger in der ersten Instanz gegen die F GmbH gerichtet hat, stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger anstelle der F GmbH das beklagte Land in Anspruch genommen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Abweisung der Klage.

Gründe

15A. Parteien des Rechtsstreits sind der Kläger und das beklagte Land. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz einen zulässigen Parteiwechsel erklärt. Infolgedessen ist die ursprünglich beklagte F GmbH aus dem Rechtsstreit ausgeschieden und das beklagte Land an ihrer Stelle in die Position der beklagten Partei eingerückt.

16B. Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage hat keinen Erfolg.

17I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger erstrebt mit Rechtskraft des obsiegenden Urteils die rückwirkende Verurteilung des beklagten Landes zur Annahme des Angebots auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit vom bis zum . Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll durch die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom bis zum und einer Freistellungsphase vom bis zum zustande kommen. Inhaltlich soll sich das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des TV ATZ richten.

18II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell. Für das Klagebegehren fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

191. Tarifliche Vorschriften geben dem Kläger keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags.

20a) Die Bestimmungen des TV ATZ fanden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zwischen der F GmbH und dem Kläger Anwendung. Dies gilt infolge des Betriebsübergangs auch für das Arbeitsverhältnis zwischen dem beklagten Land und dem Kläger. Mit der Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände der F GmbH auf das beklagte Land trat dieses anstelle der F GmbH in das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ein (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit gilt die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem beklagten Land als Betriebserwerber (vgl.  - Rn. 34, NZA 2011, 457). Die Vorschriften des UmwG über die Übertragung von Vermögen (§ 174 ff. UmwG) stehen der Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB nicht entgegen (§ 324 UmwG).

21b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ haben Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gegen den Arbeitgeber Anspruch auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung, soweit die übrigen Anforderungen des § 2 Abs. 1 TV ATZ erfüllt sind.

22c) Die tariflichen Voraussetzungen, unter denen der TV ATZ den öffentlichen Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang aussetzt, liegen nicht vor.

23aa) Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 iVm. Abs. 1 TV ATZ. Der Kläger vollendete am das 60. Lebensjahr. Die F GmbH beschäftigte ihn über fünf Jahre vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeitarbeit am . Der Kläger stand in dem Fünfjahreszeitraum vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem SGB III. Obwohl der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung unter dem das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ließ sich die F GmbH auf den Altersteilzeitantrag ein, indem sie ihn aus Sachgründen, insbesondere unter Hinweis auf die Überschreitung der Überlastquote, zurückwies. In einem solchen Fall steht der frühe Antragszeitpunkt dem erhobenen Anspruch nicht entgegen (vgl.  - Rn. 22, AP ATG § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33). Schließlich brachte der Kläger den Altersteilzeitantrag rechtzeitig an. Er wahrte sowohl mit seinem ersten Antrag vom als auch mit dem modifizierten Antrag vom die Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ.

24bb) Ein tariflicher Anspruch des Klägers scheitert daran, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangte, die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG bestimmte Überlastquote überschritten war.

25(1) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG muss für Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit über fünf vH der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt.

26(2) Die tarifliche Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ, die die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“ (§ 2 Abs. 1 TV ATZ) vorsieht, bezieht das öffentlich-rechtliche System der an bestimmte Erfordernisse gebundenen Refinanzierung durch Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand nach § 3 und § 4 AltTZG in die privatrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen mit ein ( - Rn. 35, BAGE 126, 264). Die gesetzliche Quotierung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG dient dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in Grenzen zu halten. Die tarifliche Anspruchsvoraussetzung „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“ gilt für den Kläger, obwohl das Erfordernis lediglich in § 2 Abs. 1 TV ATZ und nicht auch in § 2 Abs. 2 TV ATZ enthalten ist (vgl. so zuletzt  - Rn. 24, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 41 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 29; ausführlich  - Rn. 34 ff., BAGE 126, 264).

27(3) Die Überschreitung der Überlastquote hat das Landesarbeitsgericht mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO). Sowohl am , als der Kläger erstmals den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangte, als auch am , als der Kläger seinen ursprünglichen Antrag modifizierte, war die Höchstquote von fünf vH der Beschäftigten, ab der der Arbeitgeber frei über den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen entscheiden können muss, überschritten.

28(4) Weder die F GmbH noch das beklagte Land haben das Recht, sich auf die Überlastquote zu berufen, dadurch verwirkt (§ 242 BGB), dass sie nach Überschreitung der Quote weiterhin mit Mitarbeitern Altersteilzeitarbeitsverträge schlossen. Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, der Arbeitgeber werde sich dauerhaft nicht auf die Überlastquote berufen (vgl.  - Rn. 43, BAGE 126, 264). Solche besonderen Tatsachen liegen nicht vor; sie sind im Übrigen nicht ersichtlich.

29(a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestands lägen vor. Denn weder die F GmbH noch das beklagte Land hätten die Entscheidung getroffen, nach Überschreitung der Überlastquote keine Altersteilzeitarbeitsverhältnisse mehr zu schließen.

30(b) Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht übersieht, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Altersteilzeit aus § 2 Abs. 2 TV ATZ gar nicht erst zuwächst, wenn die Überlastquote erfüllt ist (vgl.  - Rn. 41, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 34). Das negative Tatbestandsmerkmal der Überlast ist keine Einrede des Arbeitgebers, die zu erheben ihm obliegt, sondern eine rechtshindernde Einwendung, die der Entstehung des Rechtsanspruchs entgegensteht. Einer Entscheidung des Arbeitgebers, wie sie das Landesarbeitsgericht vermisst, bedarf es deshalb nicht.

31(c) Andere Umstände, die eine Verwirkung begründeten, haben die Parteien nicht vorgetragen. Sie sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

322. Aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist das beklagte Land nicht verpflichtet, den Antrag des Klägers vom in der modifizierten Form vom anzunehmen.

33a) Die F GmbH erbrachte durch den Abschluss von Alterszeitarbeitsverträgen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Überlastquote überschritten war, zwar eine freiwillige Leistung, bei deren Ausgestaltung sie an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden war; die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell beantragten, und der Arbeitnehmer, die sich wie der Kläger für das Blockmodell entschieden, ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Dies rügt die Revision zu Recht.

34aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten Gleichheitssatzes. Gewährt der Arbeitgeber Arbeitnehmern freiwillige Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip, ist der Arbeitgeber ungeachtet des Vorrangs der Vertragsfreiheit an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden (vgl.  - Rn. 11, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20). Schließt der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG geregelten Überlastquote hierzu nicht verpflichtet ist (vgl.  - Rn. 40 f., AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 34), erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (vgl.  - Rn. 54, BAGE 126, 264).

35Im Streitfall ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet. Ungeachtet des Umstands, dass sich mehr als fünf vH der im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter in Altersteilzeit befanden, nahm die F GmbH - auch nach dem Zugang der BMI-Rundschreiben vom 28. Februar und  - Anträge von Arbeitnehmern, die Altersteilzeit leisten wollten, an. Die aus der Gewährung von Altersteilzeit folgende Pflicht zur Gleichbehandlung bindet nicht nur die F GmbH, sondern auch das beklagte Land als deren Rechtsnachfolger (§ 174 Abs. 1, § 175 Nr. 1, § 176 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

36bb) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleichzubehandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (st. Rspr., vgl.  - Rn. 23, AP ATG § 3 Nr. 21 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 2).

37(1) Die F GmbH behandelte Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell leisten wollten, anders als Arbeitnehmer, die den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangten, der eine Verteilung entsprechend dem Blockmodell vorsah. Während die F GmbH die Anträge der ersten Gruppe von Arbeitnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des TV ATZ annahm, lehnte sie Anträge der zweiten Gruppe, so auch den Antrag des Klägers, ua. mit Hinweis auf die gesetzliche Überlastquote grundsätzlich ab. Lediglich in Ausnahmefällen - und auch hier in Übereinstimmung mit den Vorgaben des BMI - entschied die F GmbH abweichend, etwa bei Arbeitnehmern, die in Bereichen tätig waren, in denen Stellen abgebaut werden sollten.

38(2) Diese Gruppenbildung der F GmbH ist unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ihr liegen sachliche Erwägungen zugrunde, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

39(a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei im Streitfall schon allein deswegen verletzt, weil die pauschale Ablehnung des Blockmodells keine dem Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB entsprechende Ermessensausübung sei.

40(b) Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Der Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB, anhand dessen die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen haben, ob der Arbeitgeber ein ihm zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, ist ein anderer als der Maßstab, an dem die Gewährung und Ausgestaltung freiwilliger Arbeitgeberleistungen unter Gleichheitsgesichtspunkten zu messen ist. Während für § 315 Abs. 1 BGB Einzelfallaspekte maßgeblich sind, ist die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren ist, unter Heranziehung abstrakter Kriterien zu beantworten.

41(aa) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 1 BGB, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Frage, ob der Arbeitgeber die Grenzen des Ermessens gewahrt hat, verlangt eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, über die der Arbeitgeber zu befinden hat (vgl.  - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).

42(bb) Demgegenüber orientiert sich die Prüfung, ob die ungleiche Behandlung von Arbeitnehmergruppen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, an abstrakten Kriterien. Der Maßstab ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster. Der im Vergleich zu § 315 Abs. 1 BGB verengte Maßstab schließt es aus, dass individuelle Umstände, die einzelne Mitglieder der Gruppe betreffen, über die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung entscheiden. Dies folgt bereits daraus, dass der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Falle freiwilliger Arbeitgeberleistungen erst dann eröffnet ist, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem generalisierenden, also vom Einzelfall absehenden Prinzip erbringt.

43(c) Tatsächlich ist die Gruppenbildung nach Arbeitnehmern, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell wählen, und solchen, die ihre Arbeitsleistung im Blockmodell erbringen wollen, aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen für den Arbeitgeber sachlich gerechtfertigt. Leistet der Arbeitnehmer Altersteilzeit nicht im Teilzeitmodell, sondern im Blockmodell, ist dies für den Arbeitgeber mit finanziellen Mehrkosten verbunden. Denn der Arbeitgeber ist, wenn er Arbeitnehmern Altersteilzeit im Blockmodell gewährt, verpflichtet, finanzielle Rückstellungen zu bilden. Den Rückstellungsbetrag hat der Arbeitgeber zeitanteilig vom Beginn der Arbeitsphase bis zu deren Umwandlung in die Freistellungsphase aufzubauen (vgl.  - Rn. 38, BFHE 212, 83). Zudem verpflichtete § 7d Abs. 1 Satz 1 SGB IV idF vom (BGBl. I S. 86) die Parteien eines Altersteilzeitarbeitsvertrags, Vorkehrungen zu vereinbaren, um das vom Arbeitnehmer in der Arbeitsphase erworbene Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern. Dies geschieht üblicherweise durch den Abschluss einer Insolvenzversicherung, deren Beiträge dem Arbeitgeber zur Last fallen. Diese Verpflichtungen bestehen für den Arbeitgeber nicht, wenn ein Arbeitnehmer Altersteilzeit im Teilzeitmodell leistet. Angesichts dieser Unterschiede zwischen den beiden Altersteilzeitmodellen sind die Gründe, die der Gruppenbildung zugrunde liegen, weder sachfremd noch willkürlich.

44(d) Da bereits die finanziellen Auswirkungen die von der F GmbH getroffene Differenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen rechtfertigen, kann der Senat die Frage offenlassen, ob weitere Rechtfertigungsgründe, wie von dem beklagten Land geltend gemacht, vorliegen.

45b) Dass die F GmbH nicht zeitnah, sondern erst nach mehr als einem Jahr über den Antrag des Klägers vom entschied, begründet keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die F GmbH traf unter dem eine zulässige Stichtagsregelung, der zufolge sie über Anträge auf Altersteilzeit erst ca. sechs Monate vor Vollendung des 60. Lebensjahres des antragenden Arbeitnehmers entscheidet.

46aa) Stichtagsregelungen sind als „Typisierung in der Zeit” ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich zulässig. Erforderlich ist jedoch, dass sich die Wahl des Zeitpunkts am zu regelnden Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst. Die mit ihnen verbundenen Härten sind im Regelfall hinzunehmen. Denn der Anspruch auf Gleichbehandlung ist nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich begrenzt. Der Arbeitgeber darf unter Wahrung von Besitzständen eine neue Regelung einführen. Bei der Festlegung des Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen freiwillig erbringt. Allerdings ist nicht jede beliebige zeitliche Differenzierung zulässig. Sie muss auf die in Rede stehende Leistung und ihre Besonderheiten abgestimmt sein. Entscheidend sind die hinter der Stichtagsregelung stehenden Gründe (vgl.  - Rn. 30, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 186).

47bb) Die F GmbH änderte mit dem ihre Entscheidungspraxis. Während sie zuvor Anträge auf Altersteilzeit im Anschluss an den Eingang des Antrags unabhängig davon beschied, zu welchem Zeitpunkt die Altersteilzeit nach dem Wunsch des Arbeitnehmers beginnen sollte, entschied sie seit dem über Altersteilzeitanträge erst etwa ein halbes Jahr, bevor der antragende Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendete. Hierin liegt eine zulässige Stichtagsregelung, die die F GmbH der Belegschaft mit Aushang vom bekannt gab. Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Erst wenn der Eintritt in die Altersteilzeit in absehbarer Zukunft liegt, kann der Arbeitgeber verlässlich darüber befinden, ob die im TV ATZ genannten tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Dies gilt für die Frage, ob betriebliche Gründe der Gewährung von Altersteilzeit entgegenstehen (§ 2 Abs. 3 TV ATZ), ebenso wie für die Frage, ob zum Zeitpunkt des Eintritts in die Altersteilzeit die Überlastquote überschritten ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG).

48cc) Der Kläger reichte seinen Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit unter dem , mithin nach dem Stichtag ein.

C. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1482 Nr. 23
DB 2012 S. 1045 Nr. 18
BAAAD-99851