BFH Beschluss v. - II S 5/11 (PKH)

Stellung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe von einem prozessfähigen Bevollmächtigten

Gesetze: FGO § 56 Abs. 1, FGO § 58 , FGO § 62 Abs. 4, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 2, FGO § 142, ZPO § 117

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) ließ sich vor dem Finanzgericht (FG) in einem Klageverfahren wegen Grunderwerbsteuer zunächst von einer Rechtsanwältin und nach Mandatsniederlegung von einem Prozessbevollmächtigten vertreten, der nicht zu dem nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) berechtigten Personenkreis gehört und der dem FG mitgeteilt hatte, wegen einer längerfristigen Erkrankung nicht prozessfähig zu sein.

2 Am verhandelte das FG ohne Anwesenheit des Antragstellers und seines durch förmliche Zustellung geladenen Bevollmächtigten und wies am Ende der mündlichen Verhandlung die Klage als unbegründet ab. Hinsichtlich der behaupteten Prozessunfähigkeit führte das FG aus, dem Antragsteller habe es freigestanden, den Prozess vor dem FG selbst zu führen oder einen anderen Vertreter zu bestellen. Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt, indem es dem Prozessbevollmächtigten am persönlich übergeben wurde.

3 Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im FG-Urteil wehrt sich der Antragsteller durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom , mit dem er zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

4 Mit Schreiben vom hat die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung PKH dann nicht gewährt werden kann, wenn die auf dem amtlichen Vordruck abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 und 4 der ZivilprozessordnungZPO—) nicht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Gericht vorgelegt wird. Die Geschäftsstelle hat zugleich den entsprechenden Vordruck übersandt und den Prozessbevollmächtigten gebeten, die Gründe für das verspätete Einreichen des Vordrucks mitzuteilen.

5 Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom die ausgefüllten Formulare sowie Nachweise vorgelegt und geltend gemacht, er und der Antragsteller seien nicht mehr in Deutschland ansässig. Das FG habe es zudem versäumt, die für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen PKH-Formulare seinem Urteil beizufügen. Auch habe das örtlich zuständige Amtsgericht jede Rechtshilfe verweigert.

6 II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH wird abgelehnt. Der Antrag hat unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers prozessfähig ist oder nicht, keine Aussicht auf Erfolg.

7 1. Soweit der Prozessbevollmächtigte prozessunfähig sein sollte, wäre er nach § 58 Abs. 1 FGO nicht in der Lage, Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Zwar besteht für einen PKH-Antrag insoweit kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO ( (PKH), BFH/NV 2010, 2295). Das ändert aber nichts daran, dass ein wirksamer PKH-Antrag nur von einem prozessfähigen Bevollmächtigten gestellt werden kann. Die Prozessfähigkeit ist insoweit Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung, d.h. sie ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags und für die Wirksamkeit jeder einzelnen Prozesshandlung, die von, für oder gegenüber den Prozessbeteiligten vorgenommen wird (vgl. , BFH/NV 2003, 1197; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 58 Rz 1, m.w.N.).

8 2. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers prozessfähig sein sollte, hätte der von ihm eingereichte PKH-Antrag deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil er es versäumt hat, innerhalb der insoweit maßgeblichen Rechtsmittelfrist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. (PKH), BFH/NV 2010, 232, m.w.N.) die nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den dafür eingeführten Vordrucken sowie entsprechende Nachweise vorzulegen. Der Prozessbevollmächtigte hat die entsprechenden Unterlagen erst am und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim erkennenden Gericht vorgelegt. Dem Prozessbevollmächtigten wurde das FG-Urteil durch persönliche Übergabe am wirksam zugestellt. Die Rechtsmittelfrist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO endete damit am . Angesichts der durch persönliche Übergabe an den Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Zustellung kann sich der Antragsteller insoweit nicht darauf berufen, er oder sein Prozessbevollmächtigter seien nicht mehr in Deutschland ansässig (gewesen).

9 Dem Antragsteller ist auch keine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 FGO in die versäumte Frist zu gewähren, denn er war nicht ohne Verschulden daran gehindert, die Frist zur Einreichung der entsprechenden Formulare einzuhalten. Zunächst kann er sich nicht auf Unkenntnis berufen, denn es ist seine Aufgabe, sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH selbst kundig zu machen; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (z.B. , BFH/NV 2002, 1337). Es war auch nicht Aufgabe des FG, seinem Urteil bereits PKH-Vordrucke mit Blick auf ein etwaiges Beschwerdeverfahren beizufügen. Ganz abgesehen davon, dass gegen die meisten FG-Urteile gerade keine Rechtsmittel eingelegt werden, ist es nicht Aufgabe des FG, etwaige Verfahrenshandlungen unterlegener Beteiligter vorwegzunehmen und zusätzlich auch noch zu unterstellen, dass diese (weiterhin) nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf PKH angewiesen sein könnten. Soweit der Antragsteller geltend macht, ein örtlich zuständiges Gericht habe ihm jede Rechtshilfe verweigert, hat er diesen Vortrag nicht näher konkretisiert. Im Übrigen hätte es ihm aber auch jederzeit —und sei es aus dem Ausland— freigestanden, die entsprechenden Formulare beim FG oder beim BFH anzufordern.

10 3. PKH könnte dem Antragsteller schließlich auch deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde nach der gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Der angerufene Senat vermag bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des vom Antragsteller beanstandeten FG-Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

11 a) Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 FGO gebietet. Soweit der Antragsteller die Frage aufgeworfen hat, ob es zulässig ist, die Grunderwerbsteuerfestsetzung auf Grundlage des vollen Grundstückskaufpreises vorzunehmen, wenn noch ein zivilrechtliches Verfahren wegen Kaufpreisrückabwicklung oder -minderung anhängig ist, ergibt sich ihre Beantwortung schon aus dem Gesetz. Bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes folgt nämlich, dass eine Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung erst dann in Betracht kommt, wenn es im Falle des bereits erfolgten Eigentumsübergangs am Grundstück zu einem Rückerwerb durch den Veräußerer bzw. zur Herabsetzung des Kaufpreises gekommen ist. Dies schließt eine Aufhebung bzw. Änderung der nach dem vereinbarten Kaufpreis vorgenommenen Grunderwerbsteuerfestsetzung lediglich aufgrund eines anhängigen Zivilprozesses wegen Kaufpreisrückabwicklung oder -minderung aus.

12 b) Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten tragenden und abstrakten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage abgewichen wäre (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Das Urteil des FG beruht auch nicht auf einem erkennbaren Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der —auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts— dessen Entscheidung hätte beeinflussen können. Schließlich ist nicht erkennbar, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erschiene und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar wäre (vgl. hierzu , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

13 4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).

Fundstelle(n):
MAAAD-98618