BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1555/11

Nichtannahmebeschluss: Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei unzureichender Nutzung prozessualer Abhilfemöglichkeiten im fachgerichtlichen Verfahren - Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet vor gerichtlicher Entscheidung keine Setzung einer Frist zur Stellungnahme, wenn eine hinreichender Wartezeit eingehalten wurde

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 356a StPO, § 120 StVollzG

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 1 Ws 273/11 Beschlussvorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 1 Ws 273/11 Beschlussvorgehend LG Halle (Saale) Az: 7 StVK 225/10 Beschluss

Gründe

1Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

21. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen den auf seine Anhörungsrüge hin ergangenen wendet, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

3Auf die Frage, ob das Oberlandesgericht vertretbar angenommen hat, die Anhörungsrüge gegen Rechtsbeschwerdeentscheidungen im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz richte sich nicht nach § 120 StVollzG in Verbindung mit § 33a StPO, sondern nach § 120 StVollzG in Verbindung mit § 356a StPO, kommt es insoweit nicht an. Denn das Oberlandesgericht hat die Anhörungsrüge als zulässig behandelt. Der zwischen den genannten Vorschriften hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anhörungsrüge bestehende Unterschied ist daher nicht entscheidungserheblich geworden.

4Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat eine Gehörsverletzung durch die vorausgegangene Rechtsbeschwerdeentscheidung zu Recht verneint. Insbesondere war der Beschwerdeführer nicht dadurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör zu dem Schriftsatz der Justizvollzugsanstalt verletzt, dass das Gericht über seine Rechtsbeschwerde entschieden hatte, ohne ihm zuvor für eine etwaige Stellungnahme zu dem Schriftsatz eine Frist zu setzen. Das Oberlandesgericht hatte, nachdem der Schriftsatz dem Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom übermittelt worden war, eine angemessene Wartezeit eingehalten, bevor es am über die Rechtsbeschwerde entschied. Damit hatte der Beschwerdeführer auch ohne Fristsetzung zu einer Stellungnahme ausreichend Gelegenheit (vgl. nur BVerfGE 6, 12 <14>, m.w.N.; 49, 212 <215 f.>; 60, 313 <317>, m.w.N.).

52. Da er diese Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, ist seine Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit sie sich gegen den und gegen den richtet. Insoweit hat der Beschwerdeführer den Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt, nach dem es ihm obliegt, die im fachgerichtlichen Verfahren bestehenden prozessualen Möglichkeiten zur Abwehr eines gerügten Gehörsverstoßes zu nutzen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>).

6Ob das Landgericht seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (vgl. BVerfGK 9, 390 <395>; 9, 460 <464>; speziell für den Fall divergierender Sachverhaltsangaben der Verfahrensbeteiligten BVerfGK 1, 201 <207>; 2, 318 <324 f.>) hinreichend nachgekommen ist, kann daher nicht geprüft werden.

7Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20111005.2bvr155511

Fundstelle(n):
JAAAD-95531