OFD Karlsruhe - S 7410 [Biogas]

Umsatzsteuerliche Behandlung von Biogasanlagen

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Biogasanlagen gilt – ergänzend zu den allgemeinen Regelungen im (BStBl 2011 I S. 254) – Folgendes:

1. Biogas- und Energieerzeugung durch pauschalierende Landwirte zur Verwendung im landwirtschaftlichen Betrieb

Werden im Rahmen einer Biogasanlage aus Biomasse erzeugter Strom/Wärme insgesamt im landwirtschaftlichen Betrieb verwendet, ist die Biogasanlage eine Einrichtung des landwirtschaftlichen Betriebs. Ein Vorsteuerabzug ist nicht zulässig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG).

2. Biogas- und Energieerzeugung durch pauschalierende Landwirte im Rahmen eines Mischbetriebs

Auf eigenen oder gepachteten Flächen erzeugte Biomasse (z. B. Mais) oder bei der Erzeugung von Pflanzen und Tieren im eigenen Betrieb angefallene Abfallstoffe (z. B. Gülle) sind landwirtschaftliche Erzeugnisse (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Die Verarbeitung von Biomasse zu Biogas ist keine landwirtschaftliche Verarbeitungstätigkeit, weil das Erzeugnis „Biogas” aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis angesehen wird (Abschn. 24.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE).

Umsätze aus der Abgabe von Biogas oder daraus erzeugtem Strom/Wärme fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 24 UStG (sog. Mischbetrieb). Wird Strom/Wärme teilweise im land- und fortwirtschaftlichen Betrieb verwendet, ist die Vorsteuer aus der Anschaffung und dem laufenden Betrieb der Anlage in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 15 Abs. 4 UStG im Verhältnis der Strom- und Wärmemengen aufzuteilen (Abschn. 24.7 Abs. 2 UStAE). Bei geänderten oder stark schwankenden Nutzungsverhältnissen kann in nachfolgenden Jahren eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Betracht kommen.

Wurde Biogas nach den Regelungen des (BStBl 2006 I S. 248) als landwirtschaftliches Produkt eines Nebenbetriebs angesehen, ist die Anwendung des § 24 UStG für vor dem ausgeführte Umsätze nicht zu beanstanden.

3. Biogas- und Energieerzeugung als nahezu ausschließliche Tätigkeit

Verwertet ein Landwirt nahezu seine gesamte Ernte als Biomasse in einer Biogasanlage, liegt ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nicht mehr vor. Die Erzeugung der Biomasse und die Verarbeitung zu Strom ist aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine nichtlandwirtschaftliche Betätigung, die insgesamt der Regelbesteuerung unterliegt. Es bestehen keine Bedenken, das Merkmal der „nahezu gesamten Ernte” bei der Umsatzsteuer in Anlehnung an die Grundsätze des R 15.5 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 EStR in Verbindung mit Teil I Nr. 1 Buchst. b des (BStBl 2006 I S. 248) zu prüfen.

4. Biogas- und Energieerzeugung durch gemeinschaftliche Betriebe oder durch Genossenschaften

Erfolgt die Biogas- und Energieerzeugung durch Zusammenschluss mehrerer Land- und Forstwirte in einer gemeinschaftlich betriebenen Anlage oder durch eine Genossenschaft, unterliegen der gemeinschaftliche Betrieb oder die Genossenschaft der Regelbesteuerung. Eine nach Menge/Energiegehalt vergütete Abgabe von selbst erzeugter Biomasse durch den Landwirt an den Zusammenschluss oder die Genossenschaft erfolgt im Rahmen eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches und fällt in den Anwendungsbereich des § 24 UStG.

Dienstleistungen einzelner Gesellschafter/Genossen für den gemeinschaftlichen Betrieb oder für die Genossenschaft fallen bei der Umsatzsteuer als Dienstleistungen an einen Nichtlandwirt in die Regelbesteuerung (Abschn. 24.3 Abs. 5 Satz 4 bis 6 UStAE).

5. Bemessungsgrundlage beim Tausch von Biomasse gegen Düngemittel

Düngemittelfähiges Substrat (Biogasgülle, Gärrest) sind Reststoffe der zum Betrieb einer Biogasanlage eingesetzten Biomasse und Abfallstoffe. Bei der Lieferung von Biomasse an Biogasanlagenbetreiber unter vereinbarter Rücklieferung von düngemittelfähigem Substrat ist eine Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf die jeweilige Baraufgabe nicht anzuerkennen, weil Gehaltslieferungen (§ 3 Abs. 5 UStG) mangels Nämlichkeit der Stoffe nicht vorliegen (keine bloße Trennung der Inhaltsstoffe wie z. B. bei der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben).

Bei der Hinlieferung von Biomasse und der Rücklieferung von düngemittelfähigem Substrat handelt es sich um Tauschumsätze (§ 3 Abs. 12 UStG, sowie – hinsichtlich Gülle und „grünem” Abfall – BStBl 2008 I, 992). Biogasanlagen sind nach dem Gesetz über Erneuerbare Energien sowie der Düngeverordnung verpflichtet, Bilanzen über Einsatzstoffe und abgegebene Reststoffe zu erstellen. Der als Bemessungsgrundlage anzusetzende gemeine Wert (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG) wird von den jeweiligen Nährstoffgehalten (Stickstoff, Phosphat, Kali) beeinflusst. Auch örtliche Verhältnisse (z. B. viehstarke Regionen mit großen Güllemengen) oder größere Entfernungen zwischen Biogasanlage und den zur Ausbringung bestimmten Wirtschaftsflächen mindern die örtlichen Verbrauchspreise der sog. Biogasgülle.

Zur Prüfung der vom Biogasanlagenbetreiber in Gutschriften und Rechnungen angesetzten Werte bzw. zur Schätzung bisher nicht angesetzter Werte für Biogasgülle kann bei durchschnittlichen Verhältnissen von einem Nährstoffwert bei Biogasgülle von 8,50 €/m3 ausgegangen werden. Werden bei den Entfernungen „Anlage/Wirtschaftsflächen” durchschnittliche Verhältnisse angenommen, kann für Prüfungszwecke ein Nettowert von etwa 3 €/m3 als Anhaltswert angenommen werden.

Düngemittelfähiges Substrat aus pflanzlichen und tierischen Rückständen unterliegt dem ermäßigten Steuersatz. Das durch Vermischung von Biogasgülle mit Erde entstandene Erzeugnis „Pflanzenerde” unterliegt dem Regelsteuersatz.

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Fundstelle(n):
USt-Kartei BW § 24 Abs. 1 UStG Fach S 7410 Karte 5
OAAAD-91802