Fortbestand der Verlustabzüge bei einer sog. Abwärtsverschmelzung; Fortführung des Geschäftsbetriebs mit überwiegend neuem Betriebsvermögen
Leitsatz
Der bei der sog. Abwärtsverschmelzung stattfindende Wechsel der Inhaberschaft an den Anteilen der Tochtergesellschaft von der bisherigen Muttergesellschaft auf deren Gesellschafter ist mit einer Anteilsübertragung im Sinne des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. vergleichbar.
Eine Fortführung des Geschäftsbetriebs mit dem zugeführten Betriebsvermögen liegt bei der Abwärtsverschmelzung unabhängig davon vor, ob der verlustverursachende Geschäftsbetrieb der aufnehmenden Gesellschaft und das zugeführte Betriebsvermögen der vormaligen Muttergesellschaft als selbständige Betriebszweige oder als betriebswirtschaftliche Einheit fortgeführt werden.
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, KStG § 8 Abs. 4, KStG § 8c Abs. 1, BGB § 133
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Streitpunkt ist der Fortbestand eines Verlustabzugs bei der aufnehmenden Gesellschaft nach einer sog. Abwärtsverschmelzung.
2 An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, war die X-GmbH zunächst zu 50 v.H. beteiligt. Im Mai 1997 (Streitjahr) erwarb die X-GmbH die restlichen 50 v.H. der Geschäftsanteile der Klägerin von der Y-e.G. Die X-GmbH kaufte in diesem Zusammenhang auch Forderungen, die der Y-e.G. gegen die Klägerin zustanden, zum Nominalwert von insgesamt 1,28 Mio. DM. Geschäftsgegenstand der Klägerin war ab diesem Zeitpunkt die Erbringung von Generalunternehmerleistungen durch Beauftragung Dritter. Der Geschäftsgegenstand der X-GmbH bestand in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Immobilienwirtschaft, im Herstellen und Betreiben von Wärmeversorgungsanlagen, in der Wärmeversorgung, der Gas- und Wasserinstallation sowie dem Erwerb und der Veräußerung von Immobilien.
3 Am wurde die X-GmbH mit steuerlicher Rückwirkung zum durch Aufnahme (§§ 2 ff. i.V.m. §§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes —UmwG—) auf die Klägerin verschmolzen. Deren Geschäftsgegenstand bestand nunmehr in der Ausführung von Bauleistungen aller Art auf den Gebieten des Neubaus, der Altbausanierung, der Renovierung, Instandhaltung und Reparatur, der Ausführung von Dienstleistungen im Bereich der Immobilienwirtschaft, der Gas- und Wasserinstallation, der Lieferung von Wärme und das Betreiben und Herstellen der dazugehörigen Versorgungsanlagen.
4 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte in den das Streitjahr betreffenden ertragsteuerlichen Bescheiden die im Geschäftsbetrieb der Klägerin bis zum Verschmelzungsstichtag entstandenen Verluste (Verlustvortrag zum : 917.155 DM, Verlust des Jahres 1997: 551.085 DM) nicht und berief sich dafür auf § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) —KStG 1996 n.F.—. Außerdem lehnte das FA die Berücksichtigung eines Verschmelzungsverlusts ab, den die Klägerin daraus ableitet, dass die von der X-GmbH erworbenen Forderungen infolge der Verschmelzung untergegangen seien, während die entsprechenden Verbindlichkeiten der Klägerin bei dieser infolge einer Rangrücktrittserklärung der Y-e.G. vom Oktober 1996 schon seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zu passivieren gewesen seien.
5 Die u.a. deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat sie insoweit mit Urteil vom 8 K 82/03 C als unbegründet abgewiesen.
6 Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), auf eine greifbare Gesetzwidrigkeit und auf Verfahrensmängel.
7 Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
8 II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen —soweit sie hinreichend dargetan worden sind— nicht vor.
9 1. Eine Entscheidung des BFH ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG-Urteil weicht nicht von dem Senatsurteil vom I R 87/07 (BFHE 222, 245) ab. Es stellt keinen divergierenden Rechtssatz zu der Aussage des Senatsurteils in BFHE 222, 245 auf, zu den tatbestandlichen Vorgaben des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. gehöre es, dass die Veränderung der wirtschaftlichen Identität als Folge der Nutzung neuen bzw. bisher bei der Kapitalgesellschaft nicht vorhandenen Betriebsvermögens eintrete. Soweit es im FG-Urteil heißt, es komme für die Beurteilung der Zuführung „schädlichen” neuen Betriebsvermögens maßgeblich auf das Aktivvermögen an, und zwar unabhängig davon, für welche Zwecke es genutzt werde, ist damit ersichtlich nicht gemeint, dass die weitere Nutzung des zugeführten Betriebsvermögens bei der Klägerin gänzlich unerheblich sei. Vielmehr wollte das FG damit offenkundig der These der Klägerin entgegentreten, für die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. im Rahmen einer Abwärtsverschmelzung sei darauf abzustellen, ob der der aufnehmenden Gesellschaft zugeführte Geschäftsbetrieb weiterhin selbständig —wenn auch unter einem gemeinsamen rechtlichen Dach mit deren bisherigen Geschäftsbetrieb— fortgeführt werde (dann keine Tatbestandsmäßigkeit) oder ob beide bisherigen Geschäftsbetriebe auch betriebswirtschaftlich zu einer Einheit fusioniert werden. Zu dieser Frage enthält das Senatsurteil in BFHE 222, 245 indes keine Aussage; es betrifft einen vom Streitfall verschiedenen Sachverhalt, bei dem es an der Zuführung neuen Betriebsvermögens gänzlich gefehlt hatte.
10 2. Eine Revisionszulassung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geboten.
11 a) Zu Recht weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zu der vom FG bejahten Frage ergangen ist, ob der Wechsel des Anteilsinhabers im Zuge der im Streitfall gegebenen sog. Abwärtsverschmelzung einer Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft als Anteilsübertragung im Sinne des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. anzusehen ist oder dieser jedenfalls wirtschaftlich gleichzustellen ist, so dass —bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen— die wirtschaftliche Identität der Tochtergesellschaft i.S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996 n.F. verloren geht.
12 Die Frage hat aber gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a., wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 109/06, BFH/NV 2007, 1867, und vom VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.
13 aa) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996 n.F. ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes, dass die Körperschaft, die den Verlust geltend machen will, nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. definiert die „wirtschaftliche Identität” einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. als Regelbeispiel setzt damit mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile in BFHE 222, 245; vom I R 9/06, BFHE 218, 207, BStBl II 2008, 988; vom I R 78/01, BFHE 222, 528, jeweils m.w.N.).
14 Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn —erstens— bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als 75 v.H. der Geschäftsanteile übertragen werden, —zweitens— überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und —drittens— der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen wieder aufgenommen wird. Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. sind diese Voraussetzungen in zwei Punkten verschärft worden: Die wirtschaftliche Identität fehlt danach bereits dann, wenn mehr als 50 v.H. der Geschäftsanteile übertragen werden und wenn der Geschäftsbetrieb mit dem überwiegend neuen Betriebsvermögen fortgeführt wird.
15 bb) Das FG hat angenommen, der bei der Abwärtsverschmelzung stattfindende Wechsel der Inhaberschaft an den Anteilen der Tochtergesellschaft von der bisherigen Muttergesellschaft auf deren Gesellschafter sei mit einer Anteilsübertragung im Sinne des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. vergleichbar (ebenso , BStBl I 1999, 455, Tz. 26, 28; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs 4 KStG Rz 84; Brendt in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Abs. 4 aF/Anh § 8c Rz 157; wohl auch Roser in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 1. Aufl., § 8 Rz 1416 „Down-Stream-Merger”). Diese Beurteilung ist eindeutig zutreffend, da es für die Beurteilung als ein einer Anteilsübertragung gleichkommender Sachverhalt keine Rolle spielen kann, ob es sich (wie im Regelbeispiel) um eine unmittelbare rechtsgeschäftliche Übertragung der einzelnen Anteile handelt oder ob der Anteilsübergang infolge des Umwandlungsvorgangs der Verschmelzung eintritt. Zwar tritt der —sich unmittelbar und ohne Durchgangserwerb der Tochtergesellschaft vollziehende (Senatsurteil vom I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315)— Wechsel der Anteilsinhaberschaft in diesem Fall von Gesetzes wegen unmittelbar mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft ein (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). Auch im Fall der Verschmelzung beruht der Anteilsübergang jedoch letztlich auf einem rechtsgeschäftlichen Vorgang, nämlich dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags durch die beiden betroffenen Gesellschaften (§ 4 i.V.m. § 46 UmwG), der der Zustimmung der jeweiligen Gesellschafterversammlungen bedarf (Verschmelzungsbeschluss, § 13 i.V.m. § 50 UmwG). Von einem „willensunabhängigen Vorgang” —wie die Klägerin meint— kann deshalb in Bezug auf den Anteilsübergang bei der Verschmelzung nicht die Rede sein.
16 Aus der Rechtsprechung des Senats ergibt sich des Weiteren, dass für die Frage der Anteilsinhaberschaft ausschließlich auf die unmittelbare zivilrechtliche Beurteilung abzustellen ist und dass deshalb mittelbare Beteiligungen —etwa über eine Kapitalgesellschaft— im Rahmen des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. unbeachtlich sind (Senatsurteil vom I R 61/01, BFHE 203, 135, BStBl II 2004, 616; Senatsbeschluss vom I R 57/09, BFH/NV 2010, 1859). Infolgedessen vermag es an der Tatbestandsmäßigkeit der Abwärtsverschmelzung nichts zu ändern, dass in diesem Fall die neuen Gesellschafter der Tochtergesellschaft vor der Verschmelzung bereits mittelbar —über die vormalige Muttergesellschaft— an dieser beteiligt waren. Eine sog. Konzernklausel, wie sie jetzt in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom (BGBl I 2009, 3950, BStBl I 2010, 2) enthalten ist, existierte im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. nicht.
17 b) Zu der zweiten von der Klägerin zur Klärung gestellten Problematik, nach welchen Gesichtspunkten das „sachliche Substrat”, das sich in den Tatbestandsmerkmalen der „Zuführung neuen Betriebsvermögens” und der Wiederaufnahme bzw. Fortführung des Geschäftsbetriebs widerspiegele, zu prüfen sei, fehlt es in der Beschwerdebegründung bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Im Übrigen ist die von der Klägerin an dieser Stelle kritisierte Auffassung des FG, eine Fortführung des Geschäftsbetriebs mit dem zugeführten Betriebsvermögen liege bei der Abwärtsverschmelzung unabhängig davon vor, ob der verlustverursachende Geschäftsbetrieb der aufnehmenden Gesellschaft und das zugeführte Betriebsvermögen der vormaligen Muttergesellschaft als selbständige Betriebszweige oder als betriebswirtschaftliche Einheit fortgeführt werden (s. oben II.1.), eindeutig zutreffend. Denn soweit § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. den Verlust der wirtschaftlichen Identität daran knüpft, dass die Kapitalgesellschaft „ihren Geschäftsbetrieb” mit dem zugeführten Betriebsvermögen fortführt, kann nur der gesamte Geschäftsbetrieb der Gesellschaft gemeint sein, unabhängig davon, in welche und wie viele Betriebszweige er aufgeteilt werden kann (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 455 Tz. 08; Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz 920).
18 c) Soweit die Klägerin eine Senatsentscheidung zur Auslegung der sog. Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 1996 n.F. für wünschenswert hält, fehlt es wiederum an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, die zur Überprüfung durch den Senat gestellt werden soll, und der Darlegung ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit. Damit ist den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N.) nicht Genüge getan.
19 d) Auch im Hinblick auf die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Anwendung der den Verlustabzug weiter erschwerenden Regeln des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. auf Verluste, die vor dem Zeitpunkt der Beschlussfassung des Deutschen Bundestags über das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform am verwirklicht bzw. festgestellt worden sind, genügt die Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
20 Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (Senatsbeschluss vom I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, m.w.N.).
21 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin gibt lediglich eine Äußerung in der Literatur wieder (Heger, juris PR-SteuerR 10/2009, Anm. 5), die —ganz allgemein— verfassungsrechtliche Problemfelder der gesetzlichen Einschränkung von Verlustabzügen umreißt, ohne hierzu indes nähere Ausführungen zu machen. Des Weiteren verweist die Klägerin darauf, dass nicht ausgeschlossen sei, dass das BVerfG in dem Verfahren betreffend den Vorlagebeschluss des beschließenden Senats vom I R 95/04, (BFHE 223, 105), ergänzt durch Senatsbeschluss vom I R 95/04, dem Gesetzgeber —über das Anliegen der Vorlagefrage des Senats hinaus— die Vorgabe machen werde, die Anwendung der Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7 —KStG 1996 i.d.F. des RVFinG—, nunmehr § 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes —StSenkG— vom , BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) auf alle bis zum verwirklichten bzw. festgestellten Verluste auszudehnen.
22 Für eine Darlegung der Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung hätte es indes einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, aus welchen verfassungsrechtlichen Gründen die Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG die erstmalige Geltung der Neufassung nicht an den Zeitpunkt des Verlusts der wirtschaftlichen Identität anknüpfen durfte, sondern dafür auf den Zeitpunkt der jeweiligen Verlustentstehung bzw. -feststellung hätte abstellen müssen. Die Beschwerdebegründung enthält dazu jedoch außer pauschalen Hinweisen auf den Gleichheitssatz und auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kein substantielles Vorbringen.
23 3. Die Zulassung der Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verfahrensmängeln veranlasst.
24 a) Die Rüge, das FG habe unter Verstoß gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) nicht analysiert, wie das Aktivvermögen der Klägerin nach der Verschmelzung den verschiedenen Geschäftsbereichen zugeordnet und von diesen verwendet worden sei, ist unbegründet. Denn für die Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist der materielle Rechtsstandpunkt des FG zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom I B 148/06, BFH/NV 2007, 1927; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 79, m.w.N.). Und nach der Rechtsauffassung des FG kommt es —anders als nach Meinung der Klägerin— für die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. nicht darauf an, welchen fortgeführten Betriebsbereichen der Klägerin die Gegenstände des Aktivvermögens nach der Verschmelzung jeweils zuzuordnen waren (oben II.1. und II.2.b).
25 b) Die im Hinblick auf die Verneinung der Voraussetzungen der sog. Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 1996 n.F. erhobenen Aufklärungsrügen, das FG habe keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zu dem angenommenen Motiv der Verschmelzung und dazu getroffen, in welchem Umfang die Zuführung neuen Betriebsvermögens zur Fortführung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs der Klägerin „notwendig” gewesen wäre, bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Es fehlt insoweit an einer Darlegung dahingehend, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern diese auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (vgl. zu den Darlegungsvoraussetzungen z.B. , BFH/NV 2007, 31; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70). Die bloße Behauptung, das FG hätte die angesprochenen Aspekte bei einer weiteren Sachaufklärung anders beurteilen müssen, reicht insoweit nicht.
26 Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang außerdem noch eine widersprüchliche Beweiswürdigung durch das FG rügt, würde es sich dabei um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln, nicht aber um einen die Revisionszulassung ermöglichenden Verfahrensmangel (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 568; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82, m.w.N.).
27 c) Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass das FG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG), indem es ihr Vorbringen zu den wirtschaftlichen Beweggründen der Verschmelzung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Zwar verlangt der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, dass das Gericht die wesentlichen, der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet, sofern sie nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43, und vom 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; , BFH/NV 2008, 2010, jeweils m.w.N.). Das Recht auf Gehör verlangt aber nicht, dass sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich befassen müsste (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom III B 5/03, BFH/NV 2004, 164, und vom I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, m.w.N.).
28 Dass das FG das Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich schon aus dessen Erwähnung im Urteilstatbestand (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 2010). Soweit die Klägerin vorbringt, die Vorinstanz könne den Vortrag aber gleichwohl nicht in Erwägung gezogen haben, weil sie im Rahmen der Entscheidungsgründe von einem anderen Verschmelzungsmotiv —der Verlustnutzung— ausgegangen sei, ist nicht ersichtlich —und wird von der Klägerin nicht konkret dargelegt—, aus welchen Gründen das vom FG angenommene Motiv mit den von der Klägerin erstinstanzlich vorgebrachten wirtschaftlichen Beweggründen unvereinbar sein soll. Denn nach den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das FG die Verlustnutzung nicht als alleinigen Grund der Verschmelzung, sondern lediglich als weiteres Ziel („auch”) neben der Sanierungsabsicht angesehen.
29 4. Schließlich führt auch die Rüge des qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers des FG im Hinblick auf die Auslegung der Rangrücktrittserklärung der Y-e.G. vom nicht zur Revisionszulassung. Allerdings können besonders schwerwiegende Fehler des FG bei der Anwendung materiellen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ermöglichen. In diesem Sinne greifbar gesetzwidrig ist eine Entscheidung dann, wenn sie objektiv willkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. Senatsbeschluss vom I B 231/08, juris; , BFH/NV 2009, 35, m.w.N.). Für die Auslegung von Willenserklärungen kann von objektiver Willkür gesprochen werden, wenn das Gericht anerkannte Auslegungsgrundsätze in einem Maße außer Acht lässt, dass seine Entscheidung nicht mehr nachvollziehbar ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 2939/93, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1998, 2810; vom 1 BvR 441/00, NJW 2001, 1200). Im Streitfall liegt solches jedoch nicht vor.
30 a) Die Klägerin rügt, dass das FG die Passage aus der Rangrücktrittsvereinbarung, nach der die Y-e.G. Zahlungen auf ihre Forderungen nur verlangen werde, „als diese aus Gewinnen der (Klägerin) erfolgen können und die Überschuldung beseitigt ist” so verstanden hat, dass die Forderungen danach nicht nur aus künftigen Gewinnen der Klägerin, sondern alternativ und unabhängig davon auch im Falle der Beseitigung der Überschuldung der Klägerin bedient werden sollten. Damit habe das FG das in der Erklärung verwendete Bindewort „und” abweichend vom eindeutigen Wortlaut als „oder” ausgelegt, ohne dass Anhaltspunkte für ein derartiges Verständnis bestünden.
31 b) Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die Verwendung des Wortes „und” —jedenfalls auf den ersten Blick— nahe legt, dass die Erklärung kein alternatives, sondern ein kumulatives Vorliegen der Bedingungen „Bedienung aus Gewinnen” und „nach Beseitigung der Überschuldung” als Zahlungsvoraussetzung statuiert. Jedoch besagt der Grundsatz des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen ist und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Das FG war deshalb durch die Verwendung des „und” nicht grundsätzlich gehindert, aus dem nach seinem Verständnis einzigen Ziel der Rangrücktrittserklärung —nämlich der Verhinderung einer Überschuldung der Klägerin— die Beseitigung einer solchen als hinreichende Voraussetzung für den Bedingungseintritt anzusehen. Eine unzutreffende Verwendung der Begriffe „und” und „oder” ist eine mögliche Fehlerquelle bei der Vertragsformulierung (sie ist auch dem Gesetzgeber schon unterlaufen, vgl. § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG 1999/2002 in den Fassungen des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom , BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35 und des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom , BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14 und das dazu ergangene Senatsurteil vom I R 37/08, BFHE 225, 323). Ob die Auslegung des FG im Streitfall nahe liegend und überzeugend ist oder nicht, bedarf für die Frage des qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers keiner Entscheidung; sie beruht jedenfalls nicht auf einer groben Missachtung grundlegender Auslegungsprinzipien.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1924 Nr. 11
EStB 2011 S. 399 Nr. 11
GmbH-StB 2011 S. 356 Nr. 12
GmbHR 2011 S. 1111 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2011 S. 766
AAAAD-91743