EuGH Urteil v. - C-297/89

Gewöhnlicher Wohnsitz im Ausland

Leitsatz

1. Der gewöhnliche Wohnsitz im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 83/182 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel entspricht dem ständigen Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen, und dieser Ort ist anhand sämtlicher in dieser Bestimmung enthaltenen Kriterien und aller erheblichen Tatsachen zu bestimmen. Dazu ist klarzustellen, daß sich aus der blossen Tatsache, daß ein Angehöriger eines Mitgliedstaats B, der in einen Mitgliedstaat A verzogen ist, wo er Arbeit und Wohnung gefunden hat, von einem bestimmten Zeitpunkt an mehr als ein Jahr lang unter Beibehaltung seiner Arbeit und seiner Wohnung im Mitgliedstaat A fast jede Nacht und jedes Wochenende bei einer Freundin im Mitgliedstaat B verbracht hat, nicht schon der Schluß ziehen lässt, daß der Betroffene seinen gewöhnlichen Wohnsitz in den Mitgliedstaat B verlegt hat.

2. Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel verpflichtet die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen, wenn die praktische Anwendung der Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, wobei diese Entscheidungen es ihnen ermöglichen, den künftigen Schwierigkeiten, die mit konkreten Einzelfällen verbunden sind, zu begegnen. Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, sich in jedem Einzelfall, in dem die Anwendung dieser Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, abzusprechen.

Da Artikel 10 Absatz 2 die Mitgliedstaaten nur zu einer Absprache verpflichtet, wenn die Anwendung der Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, und ihnen somit ein weites Ermessen lässt, können einzelne sich vor den nationalen Gerichten nicht auf diese Bestimmung berufen.

Gründe

1 Das Höjesteret hat mit Beschluß vom , beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 7 und 10 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. L 105, S. 59) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren, das gegen N. C. Ryborg eingeleitet wurde, weil er am einen in der Bundesrepublik Deutschland gekauften und zugelassenen PKW nach Dänemark eingeführt habe, ohne ihn beim Zoll anzumelden, und weil er ihn in Dänemark benutzt habe, ohne Abgaben zu entrichten und ohne ihn dort anzumelden.

3 Am zog Ryborg, der dänischer Staatsangehöriger ist, in die Bundesrepublik Deutschland, wo er Arbeit und Unterkunft gefunden hatte. In den folgenden Jahren fuhr er häufig mit einem in der Bundesrepublik zugelassenen Kraftfahrzeug nach Dänemark. Seit Herbst 1981 hielt er sich nach eigenen Angaben oft bei einer in Dänemark wohnenden dänischen Freundin auf. Ab Juli/August 1982 verbrachte er dann beinahe jede Nacht und die meisten Wochenenden bei ihr.

4 Im Oktober 1982 erwarb Ryborg ein neues Fahrzeug, das in der Bundesrepublik zugelassen wurde. Vom bis zum benutzte er dieses Fahrzeug, um seine Freundin zu besuchen. Am beschlagnahmten die dänischen Behörden seinen Wagen mit der Begründung, dieser sei nicht in Dänemark zugelassen.

5 Nachdem er durch Urteil des Kriminalret Sönderborg vom 6. September 1984, das durch Urteil des Vestre Landsret vom bestätigt wurde, zu einer Geldstrafe sowie zur Zahlung der Mehrwertsteuer verurteilt worden war, legte er hiergegen Rechtsmittel zum Höjesteret ein, mit dem er beantragte, ihn freizusprechen.

6 Das Höjesteret hat beschlossen, dem Gerichtshof folgende drei Fragen, von denen die erste alternativ formuliert ist, zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) Alternative 1:

Aufgrund welcher Kriterien ist zu entscheiden, ob ein Staatsangehöriger des Landes B gemäß Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Land A oder im Land B hat, wenn davon auszugehen ist, daß er

a) den Behörden in beiden Ländern angezeigt hat, daß er in das Land A verzogen ist,

b) danach seine Arbeit und seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Land A gehabt hat,

c) von einem späteren Zeitpunkt an - ohne seine Übersiedlung in das Land B anzuzeigen und unter Beibehaltung seiner Wohnung und seiner Arbeit im Land A - mehr als ein Jahr lang an allen Wochentagen, abgesehen von einer Nacht jede dritte Woche, in der er wegen eines Nachtdienstes an seinem Arbeitsplatz in seiner Wohnung im Land A übernachtete, bei einer Freundin im Land B übernachtet hat sowie an einigen Wochenenden mit der Freundin teils in ihrer Wohnung im Land B, teils in seiner Wohnung im Land A übernachtet hat und mit ihr zusammen in Urlaub gefahren ist?

Alternative 2:

Aufgrund welcher Kriterien ist zu entscheiden, ob ein Staatsangehöriger des Landes B gemäß Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Land A oder im Land B hat, wenn davon auszugehen ist, daß er

a) den Behörden in beiden Ländern angezeigt hat, daß er in das Land A verzogen ist,

b) danach seine Arbeit und seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Land A gehabt hat,

c) von einem späteren Zeitpunkt an - ohne seine Übersiedlung in das Land B anzuzeigen und unter Beibehaltung seiner Wohnung und seiner Arbeit im Land A - mehr als ein Jahr lang an allen Wochentagen bei einer Freundin im Land B übernachtet hat?

2) Schließt das in Artikel 10 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates enthaltene Gebot der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der betroffenen Länder im Hinblick auf die praktische Durchführung der Richtlinie es aus, daß ein Mitgliedstaat B ohne vorherige Absprache mit dem Mitgliedstaat A von einem Staatsangehörigen, der sein Kraftfahrzeug im Mitgliedstaat A zugelassen und die entsprechenden Abgaben entrichtet hat, verlangt, das Fahrzeug im Mitgliedstaat B zuzulassen und dort zusätzliche Abgaben zu entrichten, wenn der Mitgliedstaat B der Auffassung ist, daß der Betreffende jetzt seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Mitgliedstaat B hat?

3) Begründet Artikel 10 der Richtlinie Rechte für die Bürger, auf die sie sich vor einem nationalen Gericht berufen können?

Das Höjesteret hat ausgeführt, es habe bei der ersten Frage eine alternative Fragestellung für erforderlich gehalten, um klarzumachen, auf welchen Sachverhalt das Kriminalret Sönderborg und das Vestre Landsret ihre Entscheidung gestützt hätten.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Zunächst ist festzustellen, daß die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Ereignisse zwischen dem und dem stattgefunden haben, während die Richtlinie 83/182, die Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen ist, spätestens am in nationales Recht hätte umgesetzt sein müssen und erst am durch die am in Kraft getretene Ministerialverordnung Nr. 24 (Lovtidende A, 1984, S. 173) vollständig in dänisches Recht umgesetzt worden ist.

9 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Artikel 177 EWG-Vertrag, der von einer Zusammenarbeit und klaren Aufgabenverteilung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ausgeht, es dem Gerichtshof nicht gestattet, die Gründe des Vorlagebeschlusses und die Beurteilung der Erheblichkeit der vorgelegten Fragen zu beanstanden. Im Hinblick auf diese Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist festzustellen, daß der Vorlagebeschluß eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens enthält und daß das Höjesteret mit seinen Vorlagefragen ausdrücklich auf die Bestimmungen der Richtlinie 83/182 Bezug nimmt.

10 Folglich sind die Vorlagefragen zu beantworten, wobei davon auszugehen ist, daß das vorlegende Gericht den fraglichen Sachverhalt aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften im Lichte der Bestimmungen der Richtlinie 83/182 beurteilen wird.

Zur ersten Frage

11 Mit der ersten Frage begehrt das vorlegende Gericht im wesentlichen Aufschluß darüber, welche Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Wohnsitzes einer Person, die sich in derselben tatsächlichen Lage wie der Angeklagte des Ausgangsverfahrens befindet, nach Artikel 7 der Richtlinie 83/182 maßgebend sind.

12 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzustellen, daß die Richtlinie 83/182 auf dem Gebiet der vorübergehenden Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel und der Mehrwertsteuer gemeinschaftliche Steuerregeln enthält, wie sie in Artikel 14 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; nachstehend: Sechste Richtlinie) vorgesehen sind.

13 Die Bestimmungen der Richtlinie 83/182 sind deshalb unter Berücksichtigung der mit der Harmonisierung im Mehrwertsteuerbereich verfolgten grundlegenden Ziele wie unter anderem der Förderung der Freizuegigkeit und des freien Warenverkehrs sowie des Verbots der Doppelbesteuerung auszulegen (Urteile vom in der Rechtssache 249/84, Profant, Slg. 1985, 3237, Randnr. 25, und vom in der Rechtssache 127/86, Ledoux, Slg. 1988, 3741, Randnr. 11).

14 Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß nach den Begründungserwägungen der Richtlinie 83/182 die Freizuegigkeit der gebietsansässigen Personen innerhalb der Gemeinschaft durch die steuerrechtlichen Regelungen, die bei der vorübergehenden Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel für die private oder berufliche Nutzung gelten, behindert wird, daß die Beseitigung der Behinderungen aufgrund dieser steuerrechtlichen Regelungen für die Errichtung eines Wirtschaftsmarktes mit ähnlichen Merkmalen wie ein Binnenmarkt besonders notwendig ist und daß zu diesem Zweck der sichere Nachweis geführt werden muß, daß die betreffenden Personen Gebietsansässige eines Mitgliedstaats sind.

15 Zum Begriff des gewöhnlichen Wohnsitzes ist festzustellen, daß nach den Artikeln 3, 4 und 5 der Richtlinie 83/182 eine Befreiung von den in Artikel 1 genannten Steuern und Abgaben bei der vorübergehenden Einfuhr eines Personenfahrzeugs von den Mitgliedstaaten unter der Bedingung gewährt wird, daß die Privatperson, die das Fahrzeug einführt, ihren gewöhnlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem der vorübergehenden Einfuhr hat.

16 Daraus folgt, daß der Ort des gewöhnlichen Wohnsitzes, wie dieser in den Bestimmungen der Artikel 7 Absatz 1 und 9 Absatz 3 der Richtlinie 83/182 definiert wird, es erlaubt, den Mitgliedstaat, in dem das betreffende Fahrzeug der Regelung über die vorübergehende Einfuhr unterliegt, wie auch den Mitgliedstaat, der das Fahrzeug seiner Besteuerungsregelung unterwerfen kann, zu bestimmen.

17 Nach *rtikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie gilt als "gewöhnlicher Wohnsitz" der Ort, an dem eine Person wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle einer Person ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heisst während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

18 Unterabsatz 2 dieser Bestimmung betrifft die Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufzuhalten. In diesem Fall gilt als gewöhnlicher Wohnsitz der Ort der persönlichen Bindungen des Betroffenen, sofern er regelmässig dorthin zurückkehrt. Dieser Ort ist nach den Kriterien des Artikels 7 Absatz 1 Unterabsatz 1 zu bestimmen.

19 Zunächst ist festzustellen, daß diese in den genannten Bestimmungen festgelegten Kriterien sowohl auf die berufliche und persönliche Bindung einer Person an einen Ort als auch auf die Dauer dieser Bindung abstellen und daß sie deshalb zusammen zu prüfen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung auf anderen Gebieten des Gemeinschaftsrechts ist nämlich der gewöhnliche Wohnsitz als der Ort zu verstehen, den der Betroffene als ständigen Mittelpunkt seiner Interessen gewählt hat (vgl. Urteile vom in der Rechtssache 13/73, Angenieux, Slg. 1973, 935, vom in der Rechtssache 284/87, Schäflein/Kommission, Slg. 1988, 4475, und vom in der Rechtssache C-216/89, Reibold, Slg. 1990, I-4163).

20 Folglich sind alle erheblichen Tatsachen im Lichte der in den genannten Bestimmungen aufgeführten Kriterien im Hinblick auf die Bestimmung des gewöhnlichen Wohnsitzes als des ständigen Mittelpunkts der Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen.

21 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß zwar der Gerichtshof die Kriterien festzulegen hat, von denen sich das nationale Gericht bei der Anwendung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift leiten lassen muß, und das nationale Gericht die tatsächlichen Beurteilungen vorzunehmen hat, die mit der Anwendung dieser Kriterien auf die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende besondere Situation verbunden sind, daß es aber dem Gerichtshof im Rahmen der ihm durch Artikel 177 EWG-Vertrag übertragenen Aufgabe obliegt, dem nationalen Gericht die Bedingungen aufzuzeigen, unter denen die in der Vorlagefrage angeführten tatsächlichen Umstände bei der Anwendung dieser Kriterien berücksichtigt werden können (vgl. Urteil vom in der Rechtssache Reibold, a. a. O., Randnr. 18).

22 Dem Wortlaut der ersten Vorlagefrage ist zu entnehmen, daß es im Ausgangsverfahren um einen Angehörigen eines Mitgliedstaats B geht, der seine Arbeit und seinen gewöhnlichen Wohnsitz jahrelang in einem Mitgliedstaat A gehabt hat, und daß sich die Frage seines gewöhnlichen Wohnsitzes nur gestellt hat, weil er von einem bestimmten Zeitpunkt an mehr als ein Jahr lang fast jede Nacht und jedes Wochenende bei einer Freundin im Staat B verbrachte.

23 Der Vorlagefrage ist ebenfalls zu entnehmen, daß die beruflichen Bindungen des Betroffenen im Mitgliedstaat A weiter bestehen und daß er seine Wohnung dort beibehalten hat.

24 Unter solchen Umständen lässt sich aus der blossen Tatsache, daß jemand mehr als ein Jahr lang die Nächte und Wochenenden bei einer Freundin im Staat B verbringt, nicht der Schluß ziehen, daß er den ständigen Mittelpunkt seiner Interessen in diesen Staat verlegt hat.

25 Etwas anderes würde dann gelten, wenn sich der Betroffene im Mitgliedstaat B niederließe und dabei die Absicht bekundete, dort gemeinsam mit seiner Freundin zu leben und nicht mehr in den Mitgliedstaat A zurückzukehren (vgl. Urteil vom in der Rechtssache Profant, a. a. O., Randnr. 27).

26 Im übrigen ergibt sich aus dem Vorlagebeschluß und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, daß die dänischen Behörden der Ansicht sind, daß Ryborg seinen gewöhnlichen Wohnsitz von dem Zeitpunkt an nach Dänemark verlegt hat, zu dem sie erstmalig feststellten, daß er die Grenze mit einem neuen Fahrzeug überschritt.

27 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Begriff des Wohnsitzes im Sinne der Richtlinie 83/182 der Feststellung dient, ob eine vorübergehende Einfuhr eines Verkehrsmittels vorliegt. Man kann aber diese Logik nicht umkehren, indem man den Ort des gewöhnlichen Wohnsitzes von der Einfuhr abhängig macht. Die Tatsache, daß jemand, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, dabei von einem bestimmten Zeitpunkt an ein neues Fahrzeug benutzt, ist deshalb für die Bestimmung des Ortes seines gewöhnlichen Wohnsitzes unerheblich.

28 Somit ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, daß der gewöhnliche Wohnsitz im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 83/182 dem ständigen Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen entspricht und daß dieser Ort anhand sämtlicher in dieser Bestimmung enthaltenen Kriterien und aller erheblichen Tatsachen zu bestimmen ist.

29 Dazu ist klarzustellen, daß sich aus der blossen Tatsache, daß ein Angehöriger eines Mitgliedstaats B, der in einen Mitgliedstaat A verzogen ist, wo er Arbeit und Wohnung gefunden hat, von einem bestimmten Zeitpunkt an mehr als ein Jahr lang unter Beibehaltung seiner Arbeit und seiner Wohnung im Mitgliedstaat A fast jede Nacht und jedes Wochenende bei einer Freundin im Mitgliedstaat B verbracht hat, nicht schon der Schluß ziehen lässt, daß der Betroffene seinen gewöhnlichen Wohnsitz in den Mitgliedstaat B verlegt hat.

Zur zweiten Frage

30 Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 die Mitgliedstaaten zur vorherigen Absprache in konkreten Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens verpflichtet.

31 Dazu ist zunächst festzustellen, daß nach Artikel 10 Absätze 1 und 3 die konkrete Anwendung der Richtlinie 83/182 von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Vorschriften ihres nationalen Rechts vorgenommen wird, die die Richtlinie umsetzen oder die gegebenenfalls später auf dem unter die Richtlinie fallenden Gebiet erlassen werden.

32 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie 83/182 nach ihrer letzten Begründungserwägung nur einen ersten Schritt der Harmonisierung auf dem Gebiet der vorübergehenden Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel darstellt und daß weitere Maßnahmen erforderlich sein können, die auf die Einführung eines einheitlichen Systems in allen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie abzielen.

33 In diesem allgemeinen Rahmen, der sich weiter entwickelt, ist also Artikel 10 Absatz 2 zu sehen. Diese Bestimmung betrifft nämlich wie die anderen Absätze des Artikels 10 die allgemeine Wirkungsweise der Richtlinie 83/182.

34 Artikel 10 Absatz 2 verpflichtet daher die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen, wenn die praktische Anwendung der Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, wobei diese Entscheidungen es ihnen ermöglichen, den künftigen Schwierigkeiten, die in konkreten Einzelfällen auftreten, zu begegnen.

35 Somit ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sich in jedem Einzelfall, in dem die Anwendung dieser Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, abzusprechen.

Zur dritten Frage

36 Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen Aufschluß darüber erhalten, ob sich einzelne vor den nationalen Gerichten auf Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 berufen können.

37 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteil vom in der Rechtssache 31/87, Beentjes, Slg. 1988, 4635, Randnr. 40) können sich einzelne gegenüber dem Staat nur auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen.

38 Es ist aber festzustellen, daß Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 insofern bedingt ist, als er die Staaten nur zu einer Absprache verpflichtet, wenn die Anwendung der Richtlinie mit Schwierigkeiten verbunden ist, und ihnen somit ein weites Ermessen lässt.

39 Daher ist auf die dritte Frage des Höjesteret zu antworten, daß einzelne sich vor den nationalen Gerichten nicht auf Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 83/182 berufen können.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Die Auslagen des Königreichs Dänemark, der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Fundstelle(n):
QAAAD-91502