OFD Frankfurt/M. - S 7103 a A - 6 - St 110

Besteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe bei dem in § 1a Abs. 3 UStG genannten Unternehmerkreis (sog. Exoten)

Der Steuerfestsetzung für den innergemeinschaftlichen Erwerb hat bei dem in § 1a Abs. 3 UStG genannten Unternehmerkreis besondere Bedeutung. Grundsätzlich entsteht zwar bei diesem Unternehmerkreis aufgrund der einzelgesetzlichen Bestimmungen keine Umsatzsteuer-Zahllast. Unabhängig davon sind sie zur Versteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs verpflichtet, wenn sie die sog. Erwerbsschwelle überschreiten (§ 1a Abs. 3 UStG) oder zur Erwerbsbesteuerung optieren (§ 1a Abs. 4 UStG).

Die sog. Exoten sind im Einzelnen:

  • Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen;

  • Kleinunternehmer (§ 19 UStG),

  • pauschalierende Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) oder

  • juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.

Auch die Anwendung der Erwerbsbesteuerung berechtigt die sog. Exoten nicht, die auf diesen Umsatz entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG anzurechnen. Die Erwerbsbesteuerung bei dem o. g. Erwerberkreis ist daher in besonderem Maße zu überwachen und sicherzustellen.

1. Grundsätzliches zur Erwerbsbesteuerung bei Exoten

1.1 Überschreiten der Erwerbsschwelle

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nicht vor, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte für Erwerbe i. S. d. § 1a Abs. 1 Nr. 1 und des § 1a Abs. 2 UStG den Betrag von 12.500 € im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Das heißt im umgekehrten Sinn, dass eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs vorzunehmen ist, wenn die Erwerbsschwelle zwar nicht im laufenden Jahr überschritten wird, aber im vorangegangenen Jahr überschritten wurde.

Für die Frage, ob die Grenze im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich übertroffen wird, ist auf die Prognose zu Beginn des Kalenderjahres bzw. zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen. Stellt sich im Laufe des Jahres heraus, dass die anfängliche Prognose sich nicht bewahrheitet, so bleibt es dennoch bei der steuerlichen Beurteilung anhand der Prognose.

1.2 Option zur Erwerbsbesteuerung

Die sog. Exoten können die Erwerbsbesteuerung durch Option nach § 1a Abs. 4 UStG freiwillig anwenden. Eine Beschränkung der Option auf Erwerbe aus bestimmten EG-Staaten ist nicht möglich.

Die Verwendung der eigenen USt-IdNr. gegenüber dem Lieferanten gilt als Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle. Die Option bindet den Unternehmer mindestens für zwei Jahre.

Rechtslage bis zum :

Der Unternehmer hat den Verzicht gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Die Erklärung ist an keine besondere Form gebunden. In der Verwendung der USt-IdNr. gegenüber dem Lieferanten ist keine Option zur Erwerbsbesteuerung zu sehen.

Erklärt der Unternehmer innergemeinschaftliche Erwerbe in seiner USt-Voranmeldung oder in seiner USt-Jahreserklärung auch ohne vorherige Optionserklärung, oder stimmt er einer Erwerbsbesteuerung im Inland zu, ist darin eine Option zur Erwerbsbesteuerung zu sehen.

2. Umsatzsteuerliche Erfassung

Sofern bei den Exoten keine Umsatzsteuer-Zahllast entsteht, werden diese Unternehmer – wie in Hessen üblich – steuerlich nicht erfasst.

Sollen sie jedoch steuerlich überwacht werden, haben sie die Erteilung einer USt-IdNr. beantragt und/oder haben sie Steuern nach § 13b UStG, § 25b Abs. 2 UStG, § 14c UStG oder § 1a UStG zu entrichten, sind sie steuerlich mit folgendem Grundkennbuchstaben (GKB) zu erfassen:

2.1 GKB US (Kz 018 102)

Exoten, die nicht unter die Tatbestände der GKB U, UL und ULN fallen und die umsatzsteuerlich zu erfassen sind.

Aufgrund der Neuregelung des § 27a UStG ist die Erteilung einer USt-IdNr. nicht mehr an die Option zur Erwerbsbesteuerung gebunden. Daher werden alle Fälle mit GKB „US” dem BZSt übermittelt, unabhängig davon, ob die Zusatzinformation „Option Erwerbsbesteuerung” (Kz. 015 015) im Grundinformationsdienst gesetzt ist. Da das BZSt für alle Fälle mit GKB „US” auf Antrag eine USt-IdNr. erteilen kann, ist das Setzen der Kz. 015 015 zur Erteilung einer USt-IdNr. nicht mehr erforderlich.

Der Exot ist ab nicht mehr verpflichtet, seinen Antrag auf Erteilung einer USt-IdNr zu begründen. Lediglich juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die Gegenstände nicht für ihr Unternehmen erwerben, erhalten weiterhin nur dann eine USt-IdNr, wenn sie diese für innergemeinschaftliche Erwerbe benötigen, siehe § 27a Abs. 1 Satz 2 UStG 2010.

Werden Ehegatten ertragsteuerlich zusammen veranlagt, und hat die Ehefrau ein Gewerbe, für welches die Kleinunternehmerregelung gilt, benötigt diese in der Regel zur Rechnungserteilung eine von der Einkommensteuer abweichende Steuernummer. In diesen Fällen ist für das Unternehmen eine Verweis-Steuernummer zu erteilen und der GKB GE zu setzen. Wird für dieses Gewerbe/diesen Betrieb eine USt-IdNr. beantragt, ist zusätzlich der GKB „US” zu setzen.

2.2 GKB UL

Pauschalierende Land- und Forstwirte, bei denen nach den Durchschnittsätzen eine Umsatzsteuer-Zahllast entsteht und die zur Erwerbsbesteuerung verpflichtet sind.

2.3 GKB ULN

Pauschalierende Land- und Forstwirte, die neben dem § 24 UStG Umsätze ausführen, die der Regelbesteuerung unterliegen und die zur Erwerbsbesteuerung verpflichtet sind.

Fälle des GKB US mit monatlicher oder vierteljährlicher Zahlungsweise nehmen nicht am monatlichen Überwachungslauf im UVV-Verfahren teil. Gleichwohl haben diese Unternehmer für Voranmeldungszeiträume, in denen sie innergemeinschaftliche Erwerbe getätigt haben, Umsatzsteuer-Voranmeldungen einzureichen (§ 18 Abs. 4a Satz 2 UStG).

Die Zahlungsweise (jährlich, vierteljährlich oder monatlich) des GKB US ist anhand der Höhe der zu erwartenden Erwerbssteuer festzulegen. Um eine zeitnahe Erfassung der Erwerbssteuer sicher zu stellen, sollte von der jährlichen Zahlungsweise aber grundsätzlich abgesehen und zumindest die vierteljährliche Zahlungsweise festgelegt werden. Der Unternehmer ist darauf hinzuweisen, dass er für die Zeiträume Voranmeldungen einreichen muss, in denen er innergemeinschaftliche Erwerbe getätigt hat.

Die Verpflichtung zur Abgabe einer USt-Jahreserklärung für das Kalenderjahr besteht für Fälle des GKB US unabhängig von der Zahlungsweise und der Frage, ob Erwerbe getätigt wurden. Die Abgabe der USt-Jahreserklärung wird maschinell überwacht.

3. Überwachung der Erwerbsbesteuerung

3.1 Im Rahmen der Veranlagung

Bei der Veranlagung für das Kalenderjahr ist zur Sicherstellung der Erwerbsbesteuerung – bei allen o. g. Exoten mit (gültiger) USt-IdNr. – zwingend eine Abfrage im MIAS (Mehrwertsteuer-Informations-Austausch-System) durchzuführen.

Im Verfahren USLO ist dabei unter „Erwerbsdaten verwalten” (Auswahlfeld 4) eine sog. Level-1-Abfrage für das zu veranlagende Kalenderjahr durchzuführen (vgl. ab Tz. 4.3.4 im USLO-Handbuch). Durch Eingabe des Buchstabens „S” in der Spalte „Fkt” (vor der Zeile des EU-Mitgliedstaates) und der anschließenden Eintragung des Buchstabens „S” im Feld „aktuelle Daten anfordern” sind dabei die aktuellsten Daten aus den jeweiligen Mitgliedsländern anzufordern (s. Tz 2.4 Stichwort „Anmerkung” USt-Karteikarte zu § 18 – S 7427 – Karte 1).

Sind danach die erklärten Erwerbe des Unternehmers geringer, als die aus den anderen Mitgliedstaaten gemeldeten Lieferungen, sind diese Differenzen aufzuklären. Hierzu steht das Vordruckmuster „USt-MIAS-Kontrolle der Erwerbsbesteuerung-rechtliches Gehör”; Nr. 43 4610 0 als WiF-Vorlage zur Verfügung.

Soweit in der Vergangenheit die o. g. Unternehmer anstatt mit dem GKB US mit dem GKB U erfasst worden sind, hat die Kontrolle der Erwerbsbesteuerung ebenfalls mittels einer USLO-Abfrage zu erfolgen, wenn diesen Unternehmern eine USt-IdNr. erteilt wurde.

Sämtliche Abfragen sind – unabhängig davon, ob Erwerbe getätigt wurden – auszudrucken und zu den Akten zu nehmen.

3.2 Im Rahmen des automatisierten Abgleichs; Bearbeitung des Prüfhinweises 21/4372

Zur Kontrolle der Erwerbsbesteuerung übermittelt das BZSt die Jahressummen der innergemeinschaftlichen Lieferungen, die von Unternehmern im übrigen Gemeinschaftsgebiet an inländische Unternehmer ausgeführt wurden.

Diese Daten werden in einem Sonderlauf im Festsetzungsspeicher (UFA 52) zu der Steuernummer des inländischen Unternehmers abgelegt und können wie folgt abgefragt werden.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abfrageart
Steuernummer
Unterfallart
Zeitraum
Sachbereich
FS
XX XXX XXXX X
S 52
ZJJ
B69

Bei den sog. Exoten findet ein automatisierter Abgleich der vom BZSt übersandten Erwerbsdaten mit den im USt-Jahresfestsetzungsverfahren gespeicherten Erwerben statt. Ergibt sich bei diesem automatisierten Abgleich eine Differenz mit steuerlicher Auswirkung von mehr als 500 €, wird zur Unterstützung der personellen Bearbeitung der Prüfhinweis 21/4372 ausgegeben.

Bei der Auswertung des Prüfhinweises 21/4372 ist dem Unternehmer zunächst mit WiF-Vorlage 43 4610 0 rechtliches Gehör zu gewähren (siehe Tz. 3a)). Falls aus der Akte hervorgeht, dass in den Vorjahren nicht überprüft wurde, ob die Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe ordnungsgemäß angemeldet wurde, ist dies mit Hilfe der USLO-Abfrage nachzuholen und aktenkundig zu machen.

Ggf. ist das Anschreiben an den Steuerpflichtigen um die Umsätze aus Vorjahren zu erweitern.

4. Sonderfall zur Rechtlage bis : Verwendung einer USt-IdNr. ohne ausdrückliche Optionserklärung zur Erwerbsbesteuerung

In der Vergangenheit sind vermehrt Fälle aufgefallen, in denen inländische Kleinunternehmer oder pauschalierende Land- und Forstwirte unter Verwendung ihrer USt-IdNr. steuerfrei innergemeinschaftlich Waren erwarben, ohne im Inland der Erwerbsbesteuerung zu unterliegen.

In Deutschland galt das Verwenden einer USt-IdNr. nicht als ausgewählte Option i. S. d. § 1a Abs. 4 UStG, da die Option ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt werden musste. Wenn der Kleinunternehmer oder der pauschalierende Landwirt die Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 UStG nicht überschritt, lag nach deutschem Recht kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.

Die Besteuerung dieses Umsatzes hatte daher durch den Lieferanten im anderen EU-Mitgliedsstaat zu erfolgen. Für diesen war die Steuerpflicht der Lieferung jedoch nicht ohne weiteres ersichtlich, wenn der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. verwendet hatte.

In diesen Fällen ist daher die Besteuerung der Umsätze beim Lieferanten im anderen EU-Mitgliedsstaat durch eine Spontanauskunft über die zu Unrecht in Anspruch genommene Steuerbefreiung an den anderen Mitgliedsstaat sicherzustellen (s. Amtshilfekartei).

Häufig wird der Lieferant jedoch Vertrauensschutz genießen, insbesondere wenn in diesem Mitgliedsstaat die Verwendung der USt-IdNr. als Option zur Erwerbsbesteuerung gilt. Ggf. besteht jedoch in diesem Mitgliedsstaat ein entsprechender § 6a Abs. 4 S. 2 UStG (Ausfluss des Art. 194 der MwStSystRL) durch den der Erwerber im Lieferland für die entgangene Steuer in Anspruch genommen werden kann.

Neben der Spontanauskunft ist der Fall durch USLO-Abfragen zu überwachen und mittels Ausdruck in der Akte zu dokumentieren.

Diese Karteikarte bitte ich zum Gegenstand einer Dienstbesprechung zu machen.

Die Rdvfg. (USt-Kartei OFD Ffm. – § 1a – S 7103a – Karte 3) ist durch diese Rdvfg. überholt und kann ausgesondert werden. Die Änderungen sind kursiv dargestellt.

OFD Frankfurt/M. v. - S 7103 a A - 6 - St 110

Fundstelle(n):
USt-Kartei HE § 1a UStG Fach S 7103 a Karte 3
GAAAD-90996