BFH Beschluss v. - VIII B 66/10

Anrechnung von Erstattungszinsen auf Prozesszinsen, die für den selben Zeitraum festgesetzt wurden

Gesetze: AO § 129, AO § 233a Abs. 1, AO § 233a Abs. 5, AO § 236 Abs. 1, AO § 236 Abs. 2, AO § 236 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist zwar zulässig; hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist ist dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil seine Bevollmächtigte krankheitsbedingt ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten.

2 Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil liegen nicht vor.

3 1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO deshalb zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordern.

4 Die Einwendungen des Klägers gegen die Anrechnung von Erstattungszinsen nach § 236 Abs. 4, § 233a Abs. 1, 2, 3 und 5 der Abgabenordnung (AO) lassen die Notwendigkeit einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Anwendungsbereich des § 233a AO nicht erkennen.

5 a) Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht aufgrund der Regelung in § 236 Abs. 1 und Abs. 2 AO mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bzw. der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, durch den sich der Rechtsstreit nach Rechtshängigkeit erledigt hat; auf ihn sind nach § 236 Abs. 4 AO Erstattungszinsen gemäß § 233a AO anzurechnen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, weil die Steuerfestsetzung für diesen Zeitraum zu einem die Erstattung auslösenden Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 AO geführt hat (vgl. , BFHE 198, 389, BStBl II 2002, 677).

6 b) Wird die Steuerfestsetzung wie im Streitfall aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1  1. Halbsatz AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Gemäß § 233a Abs. 5 Satz 2 AO ist für die Zinsberechnung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgeblich, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und die anzurechnende Körperschaftsteuer. Nach seinem Wortlaut setzt § 233a Abs. 5 AO bei einer Korrektur der vorangegangenen Steuerfestsetzung an (vgl. , BFHE 207, 1, BStBl II 2005, 236), selbst wenn diese keine Zinsfestsetzung enthielt (, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735).

7 Die Vorschrift regelt —als lex specialis zu den §§ 172 ff. AO— abschließend die Folgen einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung (vgl. Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 233a AO Rz 66, m.w.N.; Kögel in Beermann/ Gosch, AO § 233a Rz 96; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz 49, m.w.N.). Materiell-rechtliche Bedeutung hat § 233a Abs. 5 AO insoweit, als er die Berechnung des Unterschiedsbetrags regelt. Die Regelung knüpft in der Weise systematisch an § 233a Abs. 3 AO an, dass Abs. 3 allgemein die Maßstäbe für die Zinsberechnung bestimmt, während Abs. 5 diese Maßstäbe speziell für die dort genannten Fälle der Korrektur der Steuerfestsetzung modifiziert (BFH-Urteil in BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735).

8 c) In der Rechtsprechung ist ebenfalls bereits geklärt, dass der Erstattungsanspruch jeweils mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht (, BFHE 198, 473, BStBl II 2002, 503, m.w.N.); dies gilt gleichermaßen in Fällen der Zusammenveranlagung (vgl. , BFHE 198, 31, BStBl II 2002, 453).

9 2. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

10 Insbesondere hat das Finanzgericht zu Recht für die Berechnung des nach § 236 Abs. 4 AO auf die streitigen Prozesszinsen anrechenbaren Erstattungsanspruchs § 233a AO in der für das Jahr 2006 geltenden Fassung angewendet, weil der Anspruch sich gemäß Abs. 5 der Vorschrift aus dem in diesem Jahr ergebenden Unterschiedsbetrag zwischen der Steuerfestsetzung für 1992 im Änderungsbescheid vom und derjenigen im Änderungsbescheid vom ergab.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1825 Nr. 11
RAAAD-90748