BVerwG Beschluss v. - 3 B 96/10

Schwangerenberatungsstelle; Umfang der Förderung; standardisierte Personalkostensätze

Gesetze: § 2 BeratungsG, § 3 BeratungsG, § 4 Abs 2 BeratungsG, § 5 BeratungsG, § 6 BeratungsG, § 8 BeratungsG

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 8 LC 40/09 Urteil

Gründe

1Der Kläger ist Träger verschiedener Schwangerenberatungsstellen, in denen Beratungen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) durchgeführt werden. Hierfür gewährte ihm der Beklagte für das Jahr 2007 Fördermittel in Höhe von 311 021,55 €. Der Berechnung der Fördersumme lag ein anhand von standardisierten Personalkostensätzen ermittelter Personalkostenbetrag je voller Stelle von 69 497,50 € für vor dem eingestelltes Personal und von 65 313,75 € für danach eingestelltes Personal zugrunde. Der Landeszuschuss belief sich auf jeweils 80 % des Personalkostenbetrages. Für das Jahr 2008 beantragte der Kläger eine entsprechende Fördersumme. Mit Bescheid vom bewilligte der Beklagte eine Förderung für Personal- und Sachausgaben in Höhe von 302 457,16 €. Zur Begründung verwies er auf den für das Förderjahr 2008 maßgeblichen Personalkostenbetrag in Höhe von einheitlich 67 272 €. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Gewährung weiterer 8 564,39 € (nebst Zinsen) stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe weder nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (Nds. AG SchKG) vom (GVBl S. 401) noch nach § 4 Abs. 2 SchKG ein Anspruch auf eine höhere als die bewilligte Förderung zu.

2Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf, noch liegen die gerügten Verfahrensmängel vor.

31. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

"ob den bundesrechtlichen Vorgaben des § 4 Abs. 2 SchKG auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten einer Schwangerenberatungsstelle durch die nach der landesrechtlichen Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nds. AG SchKG gewährte, anhand von standardisierten Personalkostensätzen ermittelte pauschale Förderung der Personal- und Sachkosten genüge getan ist oder ob sich die Förderung an den dort für eine jeweilige Beratungskraft konkret anfallenden Personal- und Sachkosten orientieren muss",

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klärung dieser Frage bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten lässt. Eine angemessene Förderung für eine allgemeine Beratungsstelle (§ 3 SchKG) oder eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (§ 8 SchKG) im Sinne von § 4 Abs. 2 SchKG muss mindestens 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten der Beratungsstelle decken ( BVerwG 3 C 26.02 - BVerwGE 118, 289 <295 ff.> = Buchholz 436.41 SchKG Nr. 1 S. 5 ff. und vom - BVerwG 3 C 48.03 - BVerwGE 121, 270 <281 f.> = Buchholz 436.41 SchKG Nr. 2 S. 16). Die Notwendigkeit bestimmt sich danach, welche Personal- und Sachmittel die Beratungsstelle tatsächlich benötigt, um ein ausreichendes Beratungsangebot sicherzustellen. Dazu gehört insbesondere ein nach Zahl und Qualifikation hinreichender Personalbestand, um die Beratungstätigkeit nach §§ 2, 5 f. SchKG gewährleisten zu können (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 296 und S. 6 f.). Wie diese bundesrechtlichen Vorgaben im Einzelnen umgesetzt werden, unterfällt der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers, der nach § 4 Abs. 3 SchKG das Nähere zur öffentlichen Förderung der Beratungsstellen bestimmt. Danach liegt auf der Hand, dass es dem Landesgesetzgeber aus Sicht des Bundesrechts nicht verwehrt ist, die öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten anhand von standardisierten Personalkostensätzen zu ermitteln. § 4 Abs. 2 SchKG verletzt eine solche Regelung nur dann, wenn damit der Fördersatz von 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten der geförderten Beratungsstelle nicht erreicht wird. Ob dies der Fall ist, ist eine Tatsachenfrage, die anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, die nach den landesrechtlichen Vorschriften für das Förderjahr 2008 gewährte pauschale Förderung sei ausreichend, um 80 % der notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten des Klägers zu decken. Die Pauschale bemesse sich nach dem Personalkostenbetrag der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder - TV-L - (67 272 €) und umfasse die durchschnittlichen Ist-Personalausgaben (einschließlich Besitzstandszulagen für vor dem eingestelltes Personal), personalbezogene Sachausgaben, Personalgemeinkosten sowie eine Sachkostenpauschale. Mit der Orientierung an der Entgeltgruppe 9 TV-L werde die Vergütung von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern, die für die Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz hinreichend qualifiziert seien, angemessen berücksichtigt. Eine höhere Vergütung sei zur Sicherstellung des Beratungsangebots nicht notwendig (vgl. Urteilsabdruck S. 24 f.). Vor dem Hintergrund dieser Tatsachenfeststellung, gegen die begründete Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind (vgl. unter 2.) und die den Senat daher binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass der Fall des Klägers Anlass zu einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung geben könnte.

42. Die gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

5a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, indem es angenommen hat, der Kläger habe trotz ausdrücklichen Hinweises in der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und der Aufforderung des Beklagten seine notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten nicht beziffert. Zu Unrecht sieht der Kläger darin eine aktenwidrige Tatsachenfeststellung. Wie sich aus dem Kontext der Urteilsgründe klar ergibt, hat das Berufungsgericht mit den beanstandeten Ausführungen darauf abgestellt, dass der Kläger die durch die Durchführung der Schwangerenberatung veranlassten tatsächlichen Personal- und Sachkosten nicht konkretisiert habe. Damit hat es den Inhalt der Akten zutreffend erfasst. Der Kläger räumt mit seinem Beschwerdevorbringen selbst ein, dass er die Personal- und Sachkosten seiner Beratungsstellen nicht näher dargelegt hat (vgl. S. 9/10 des Schriftsatzes vom ).

6Ein offensichtlicher Widerspruch zum Akteninhalt, wie ihn der Verfahrensmangel der aktenwidrigen Tatsachenfeststellung voraussetzt (vgl. BVerwG 3 B 56.10 - juris Rn. 5 m.w.N.), lässt sich auch nicht aus der Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ableiten. Der insoweit erhobene Einwand des Klägers, dem Berufungsgericht sei offensichtlich eine Verwechslung mit dem Sachverhalt eines Parallelverfahrens unterlaufen, greift nicht durch. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht mit seiner Deutung der in Rede stehenden erstinstanzlichen Urteilspassage (S. 9, dritter Absatz des Urteilsabdrucks) und des zugrunde liegenden Sachverhalts die Grenzen allgemein gültiger Maßstäbe für die tatrichterliche Würdigung (vgl. BVerwG 3 B 21.09 - ZOV 2010, 91 m.w.N.) verlassen hat; denn das Verwaltungsgericht hatte mit seinen Ausführungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die tatsächlichen Personal- und Sachkosten eine bundesrechtliche Schwelle für die Pauschalierung des Zuschusse sind. Dies lässt sich durchaus als "Hinweis" auf die rechtliche Relevanz dieser Kosten bezeichnen mit der zwingenden Folge, sie für den keineswegs auszuschließenden Fall ihrer Entscheidungserheblichkeit substantiieren zu müssen. Unabhängig davon änderte eine etwaige Sachverhaltsverwechslung nichts daran, dass sich die tragende Feststellung - keine konkrete Kostenaufstellung - nicht als aktenwidrig darstellt.

7b) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe ihn nicht auf das Erfordernis einer konkreten Darlegung seiner tatsächlichen Personal- und Sachkosten hingewiesen und damit eine den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzende Überraschungsentscheidung getroffen, ist unbegründet. Auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen. Nur wenn das Gericht an den Vortrag eines Beteiligten Anforderungen stellt, mit denen auch ein verständiger Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, ist es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung verpflichtet, einen entsprechenden Hinweis zu geben (vgl. z. B. Beschlüsse vom - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5 und vom - BVerwG 5 B 67.09 - ZOV 2010, 97, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht. Der Kläger hat sich im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf § 4 Abs. 2 SchKG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen (vgl. Schriftsätze vom , S. 2 ff. und vom , S. 3). Dabei hat er auch das BVerwG 3 C 48.03 - in Bezug genommen, dem sich entnehmen lässt, dass für die Frage der notwendigen Personal- und Sachkosten einer Beratungsstelle das Vorliegen einer konkreten Kostenaufstellung bedeutsam sein kann (a.a.O. S. 282 f.). Das Gleiche gilt für das erstinstanzliche Urteil, wenn es darauf abstellt, der Förderanspruch beziehe sich auf die durch die Beratung tatsächlich entstandenen Kosten (Urteilsabdruck S. 6, letzter Absatz, bis S. 7, erster Absatz; S. 9, dritter Absatz). Schließlich ist der Beklagte im Berufungsverfahren der Behauptung des Klägers entgegen getreten, die anhand des Personalkostenansatzes der Vergütungsgruppe BAT IVb ermittelten und in den vorangehenden Förderjahren zugrunde gelegten Personal- und Sachkosten zählten unstreitig zu den notwendigen tatsächlichen Kosten (vgl. Schriftsatz vom ). Nach alledem musste der Kläger damit rechnen, dass das Berufungsgericht dem Umstand einer fehlenden Konkretisierung der geltend gemachten Personal- und Sachkosten Entscheidungsrelevanz beimessen könnte. Dementsprechend konnte das Oberverwaltungsgericht davon ausgehen, dass dem Kläger die Bedeutung dieses Umstandes vor Augen stand, und war daher nicht verpflichtet, einen diesbezüglichen Hinweis zu geben.

8c) Damit kann der Kläger auch mit der in diesem Zusammenhang erhobenen Aufklärungsrüge nicht durchdringen. Seine Annahme, das Berufungsgericht wäre gehalten gewesen, ihn zu einer näheren Bezifferung der notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten aufzufordern, geht aus den dargelegten Gründen fehl. Das Beschwerdevorbringen im Übrigen lässt ebenfalls nicht erkennen, dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Das Gericht hat seine Einschätzung, die nach § 7 Abs. 1 Nds. AG SchKG gewährte Pauschale decke den Fördersatz von 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten ab, ausführlich begründet (Urteilsabdruck S. 24 ff.). Weshalb es gleichwohl weiteren Aufklärungsbedarf hätte sehen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.

Fundstelle(n):
NAAAD-89751