BFH Beschluss v. - X B 245/10

Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten

Gesetze: FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor.

2 1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt.

3 a) Das Recht auf Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. , BFH/NV 1991, 531). Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör muss der Kläger darlegen, inwiefern ihm das FG das rechtliche Gehör versagt habe, zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen er sich nicht habe äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Gehörs noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, den Verfahrensverstoß vor dem FG zu rügen und inwiefern sein unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung des FG auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung anders hätte ausfallen lassen können (z.B. , nicht veröffentlicht). Ein Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, die nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert sind.

4 b) Der Kläger rügt, seine Ausführungen zu dem im Jahr 2004 nicht mehr existenten Vermächtnisanspruch auf Übertragung eines Grundstücks habe das FG zwar im Tatbestand erwähnt, in den Entscheidungsgründen jedoch nicht mehr in Erwägung gezogen und das Gedächtnisprotokoll seines Onkels nicht beachtet. Damit macht der Kläger nach Auffassung des Senats jedoch nicht die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, sondern bringt zum Ausdruck, das FG habe dieses Vorbringen im Rahmen seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung nicht mit dem Gewicht berücksichtigt, das der Kläger selbst für geboten hält. Die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind aber revisionsrechtlich dem materiellen Recht zugeordnet und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen eines mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO entzogen (vgl. , BFH/NV 2010, 2233).

5 2. Auch die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG führt nicht zur Zulassung.

6 Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom , dem FG sei ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) vorzuwerfen, weil es das Gedächtnisprotokoll des Onkels nicht beachtet habe, verspätet ist. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht vor.

7 Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt u.a. dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827, m.w.N.).

8 Nach diesem Maßstab hat der Kläger auch insoweit lediglich eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend gemacht, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Das FG hat dem vom Kläger vorgelegten Gedächtnisprotokoll des Onkels vom keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass der Vater des Klägers nach dem Tod seiner Mutter aufgrund des Vermächtnisses wirtschaftlicher Eigentümer des betrieblich genutzten Grundstücks geworden sei und hieran auch das Vorkaufsrecht des Onkels nichts geändert habe. Zudem bestätige der tatsächliche Geschehensablauf nach dem Tod der Mutter, dass das Grundstück —wirtschaftlich betrachtet— dem Vater des Klägers zuzurechnen gewesen sei. Der Vater habe das Grundstück in die Eröffnungsbilanz aufgenommen, in den Bilanzen der Folgejahre weitergeführt, zumindest partiell die Grundstücksaufwendungen getragen und kein Entgelt für die laufende Grundstücksnutzung entrichtet.

9 Im Übrigen stellt sich die Frage, weshalb der Onkel des Klägers diesem aufgrund des notariellen Vertrags vom für den Verzicht auf das Vermächtnis bezüglich Grundstücksübertragung 170.000 € bezahlen sollte, wenn —entsprechend dem klägerischen Vortrag— doch schon der Vater gegenüber seinem Bruder den Vermächtnisanspruch gemäß § 2180 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlagen hatte. Zudem ergibt sich aus dem Gedächtnisprotokoll des Onkels, dass die Verhandlungen über das Vermächtnis angesichts der schweren Krankheit des Vaters erst mit dem Sohn abgeschlossen werden konnten.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1710 Nr. 10
AAAAD-88257