Revolution im Wirtschaftsprüfer-Haus
Palastrevolution – so titelte die FAZ am – und meinte damit den deutschen Wirtschaftsprüferstand. Ob von „Palast” in Berlin zutreffend die Rede ist, kann der Kolumnist aus der bescheidenen Optik der fernen Provinz nicht beurteilen. „Revolution” (wörtlich: Umwälzung) ist dagegen die zutreffende Kennzeichnung für das Wahlergebnis zum Beirat der Wirtschaftsprüferkammer (WPK). Seit 50 Jahren vollzog sich diese Wahl immer nach der gleichen Schablone: Die großen WP-Gesellschaften und deren Gesinnungsgenossen im mittleren Segment sammelten die Blanko-Stimmrechtsvollmachten ihrer angestellten Wirtschaftsprüfer ein und warfen so Hunderte und mehr Stimmrechte für eine Person in die Wahlurne. Durch einen internen „Konsensvorschlag” wurden die 51 Sitze im Beirat handverlesen vergeben und damit indirekt auch der WPK-Vorstand bestimmt. Zur jetzigen Beiratswahl hat sich die WPK auf die demokratische Regel des „One man – one vote” in Form einer Briefwahlabstimmung besonnen. Ca. 50 % der wahlberechtigten Wirtschaftsprüfer haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und „revolutionär” sämtliche bisher fungierende Beiratsmitglieder abgewählt. Dieses Ergebnis ist „technisch” der neuen Wahlordnung und „physisch” dem Agieren des „Verbandes für die Mittelständische Wirtschaftsprüfung” (wep.net) zuzuschreiben. Abgesehen von den wenigen Sitzen des vereidigten Buchprüfers werden die restlichen der 51 Beiräte von den Gefolgsleuten des wep.net gestellt, die wiederum den Vorstand der WPK bestimmen.
Die – im Bild der FAZ – „Revoluzzer” des wep.net haben seit Jahren heftige Attacken gegen die „Großen” des Berufsstandes und deren Agieren in den berufsständischen Gremien geritten, ohne von diesen eines Blickes gewürdigt worden zu sein. Sie sind mit einem förmlichen Wahlkampf in die Beiratswahl gezogen und haben dazu eine Art Wahlprogramm an ihre Fahne geheftet: Stärkung der Qualitätssicherung, Honorarordnung ohne Deckelung, Neuausrichtung der Kernaufgaben der WPK. Unter der letzten Position verbirgt sich u. a.: Die unbeliebte Qualitätskontrolle (Peer Review) soll „durch vorausschauende und unterstützende Qualitäts-maßnahmen” ersetzt werden. Und weiter: „Mitbestimmung der Kammerorgane bei den Prüfungsstandards; deren Vereinfachung und Verschlankung; Genehmigung grundlegender Standards durch den Beirat. Mit Letzterem könnte die Rolle des IDW angesprochen sein. Diesem hat die WPK bislang die Facharbeit mit der Standardisierung der Rechnungslegung und Prüfung überlassen. Mit der WPK und dem DSR hätten wir dann drei Standardsetter zu verkraften.
Die Unabhängigkeit als Grundproblem aller Wirtschaftsprüferei („wer zahlt, bestimmt”) hat das wep.net in den Stellungnahmen zum Grünbuch der EU-Kommission angesprochen. Von dieser Thematik ist die angebliche oder wirkliche Quersubventionierung durch die besser honorierte Beratungstätigkeit ein, wenn nicht „das” Hauptproblem. Wp.net sieht die Unabhängigkeit der großen Prüfungseinheiten in ihrer Ausrichtung auf die kapitalmarktorientierten Unternehmen besonders gefährdet. Im übrigen Unternehmensbereich stelle sich dem wep.net zufolge das Verbot „Prüfung und Beratung” nicht.
Beste Grüße
Wolf-Dieter Hoffmann
Fundstelle(n):
StuB 15/2011 Seite 1
TAAAD-87714