BFH Urteil v. - IX R 40/10 BStBl 2011 II S. 785

Anwendung des Halbabzugsverbots im Verlustfall

Leitsatz

Werden bei der Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) und Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden.

Gesetze: EStG §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2, 17

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit Herrn L Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten D-B GmbH (im Folgenden: GmbH). Seit dem war er alleiniger Gesellschafter. Von dem Stammkapital in Höhe von 25.000 € war lt. Jahresabschluss zum die Hälfte eingezahlt worden. Die GmbH erwirtschaftete 2000 einen Verlust in Höhe von 15.715,84 DM und 2001 in Höhe von 48.466,69 DM, wobei sich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf 15.286,78 DM belief. Angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage stellte der Kläger der GmbH mit Vertrag vom einen Darlehensrahmen zur Sicherung der Liquidität in Höhe von 150.000 DM zur Verfügung. Am verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zu einem Kaufpreis in Höhe von 2 x 5.112,92 € (= 10.225,84 €). Zudem verzichtete er auf die Rückzahlung seiner Forderungen aus dem Darlehen gegenüber der GmbH in Höhe von 65.978,97 €.

2Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2002) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb mit - 33.408 € an. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Nach Erhebung der Klage, mit der der Kläger die volle Berücksichtigung seines Veräußerungsverlustes begehrte, änderte das FA den Einkommensteuerbescheid erneut und ermittelte darin die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit - 33.558 €, die es wie folgt berechnete:

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1/2 Veräußerungserlös (10.225,84 €)
5.112,92 €
- 1/2 Anschaffungskosten (12.500 €)
-  6.250,00 €
- Forderungsverzicht
- 65.978,97 €
 
= - 67.116,05 €
 
davon 1/2 = - 33.558,00 €

4Das Finanzgericht (FG) entschied, der angegriffene Einkommensteuerbescheid sei rechtswidrig, soweit das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit - 33.558 € statt mit - 34.126,57 € angesetzt habe. Sowohl die Anschaffungskosten in Höhe von 12.500 € als auch die nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von 65.978,97 € seien ebenso wie die Einnahmen in Höhe von 10.225,84 € nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Das fragliche Darlehen sei in der Krise gewährt, da die Gesellschaft nicht nur im Jahr ihrer Gründung, sondern auch folgend einen nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten Verlust erwirtschaftet habe, so dass der Kläger der Gesellschaft ein Darlehen zur Finanzierung habe gewähren müssen.

5Nach dem Wortlaut erstrecke § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Halbeinkünfteverfahren bereits auf einen Veräußerungspreis und nicht erst auf den Veräußerungsgewinn. Auch dann, wenn der Steuerpflichtige bei der Veräußerung seiner Beteiligung —wie hier— einen Verlust erleide, erziele er damit Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG finde in diesem Fall Anwendung.

6Die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb habe das FA nicht zutreffend berechnet. Von den Einnahmen und Ausgaben seien jeweils 1/2 anzusetzen, so dass sich folgende Berechnung ergebe:

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1/2 Veräußerungserlös (10.225,84 €)
5.112,92 €
- 1/2 Anschaffungskosten (12.500 €)
-  6.250,00 €
- 1/2 Forderungsverzicht (65.978,97 €)
- 32.989,49 €
 
= - 34.126,57 €

8Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung von §§ 17, 3c Abs. 2 EStG rügt. Das Halbabzugsverbot sei vorliegend nicht anzuwenden; denn es ergäben sich nur Einnahmen in Höhe eines Betrages, der die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht übersteige. Saldiere man Veräußerungserlös (10.225,84 €) und Anschaffungskosten (12.500 €), so ergäben sich keine positiven Einkünfte. Das Halbeinkünfteverfahren solle eine Doppelbesteuerung bei Veräußerungsgewinnen vermeiden. Eine Anwendung auf Veräußerungsverluste sei nicht gewollt gewesen.

9Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den vollen Verlust in Höhe von 68.253 € für das Kalenderjahr 2002 ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens zu berücksichtigen.

10Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

11Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2 EStG) sind im Streitfall anzuwenden.

121. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises i.S. von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163).

13Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechenden Aufwand nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser steht nicht —wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt— in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anwendbar und der Erwerbsaufwand ist in vollem Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; , BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).

14Soweit das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) eingreift, hat der BFH dessen typisierende Verknüpfung mit dem Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) für verfassungsgemäß erachtet (, BFHE 218, 251, BStBl II 2008, 551), und zwar auch mit Blick auf die systematische Grundentscheidung des Halbeinkünfteverfahrens, Veräußerungsvorgänge den laufenden Gewinnausschüttungen gleichzustellen.

152. Danach bleibt für eine —ggf. verfassungskonforme— Einschränkung des Halbabzugsverbots bei Verlusten in der Weise, dass die Anschaffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berücksichtigt werden, soweit sie den Veräußerungs-/Auflösungserlös übersteigen (vgl. etwa , Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1239; Förster, GmbH-Rundschau —GmbHR— 2010, 1009, 1013 f.), kein Raum (vgl. auch , BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rz C 20; Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 66; Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 3c Rz 30; Dötsch/Pung, Der Betrieb —DB— 2010, 977, 978; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 3c EStG Rz 49a; Bron/ Seidel, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2009, 859, 862 f.). Der Gesetzeszweck, Doppelbegünstigungen auszuschließen, ist im eindeutigen Gesetzeswortlaut insoweit lediglich typisierend umgesetzt worden. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige die zum Verlust führenden Aufwendungen in voller Höhe getragen hat (darauf abstellend etwa Förster, GmbHR 2010, 1009, 1014, m.w.N. in Fn 52), rechtfertigt danach keine volle Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen, da diese nach § 3c Abs. 2 EStG lediglich in typisierender Weise —hälftig— anzusetzen sind. Dass dies einen „Fallbeileffekt” (Förster, a.a.O.) bei auch nur geringen Einnahmen nach sich zieht, ist von der vom BFH als verfassungsgemäß erachteten gesetzlichen Typisierung umfasst (vgl. auch Bron/Seidel, DStZ 2009, 859, 862; Kaufmann/Stolte, Finanz-Rundschau 2009, 1121, 1124 f.; Jehke/Pitzal, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2010, 256, 258; Jehke/Pitzal, DStR 2010, 1163, 1166; Ott, Steuern und Bilanzen 2010, 251, 253; Gragert/Wißborn, Neue Wirtschafts-Briefe 2010, 1328, 1329; Dötsch/Pung, DB 2010, 977 ff.; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 3c EStG Rz 49a; Naujok, Betriebs-Berater 2009, 2128). Danach sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat.

163. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) auf den Veräußerungserlös des Klägers angewandt und das Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auf die Anschaffungskosten.

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 785
BB 2011 S. 1877 Nr. 31
BBK-KN Nr. 230/2011 (Halbabzugsverbot bei Veräußerungsverlusten im Sinne von § 17 EStG grundsätzlich anwendbar)
BFH/NV 2011 S. 1574 Nr. 9
BFH/PR 2011 S. 365 Nr. 10
BStBl II 2011 S. 785 Nr. 16
DB 2011 S. 1668 Nr. 30
DStR 2011 S. 1413 Nr. 30
DStRE 2011 S. 1040 Nr. 16
DStZ 2011 S. 696 Nr. 19
EStB 2011 S. 282 Nr. 8
FR 2011 S. 911 Nr. 19
GmbH-StB 2011 S. 261 Nr. 9
GmbHR 2011 S. 939 Nr. 17
NJW 2011 S. 10 Nr. 33
NJW 2012 S. 640 Nr. 9
NJW-RR 2011 S. 1336 Nr. 19
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2011 S. 2602
StB 2011 S. 297 Nr. 9
StBW 2011 S. 722 Nr. 16
StBp. 2011 S. 264 Nr. 9
StC 2011 S. 8 Nr. 10
WPg 2011 S. 877 Nr. 18
TAAAD-87497