BGH Beschluss v. - IX ZR 38/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Nürnberg, 12 O 8707/06 vom OLG Nürnberg, 2 U 1102/07 vom

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem verklagten Rechtsanwalt die Auszahlung eines Geldbetrags, welchen dieser als Treuhänder vereinnahmt hat.

Die vom Beklagten anwaltlich vertretenen J. und M. S. (fortan auch: Vollstreckungsgläubiger) verfügten jeweils über Vollstreckungstitel gegen G. Sp. , konnten diese jedoch wegen fehlender Kenntnis einer Zugriffsmöglichkeit zunächst nicht durchsetzen. Demgegenüber war der Klägerin, deren Vertreter Dr. G. sowie dem mit Dr. G. befreundeten Rechtsanwalt R. - dem früheren anwaltlichen Vertreter des G. Sp. - bekannt, dass jener Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in M. war. Am kam es zum Abschluss einer Vereinbarung, welche von der Klägerin als sogenanntem Treugeber und vom Beklagten als Vertreter der Vollstreckungsgläubiger unterzeichnet wurde. In dieser Vereinbarung wird der Beklagte "beauftragt und bevollmächtigt, sämtliche von Frau J. S. l übergebene Titel im Namen von Frau J. S. und ihrer Mutter M. , jedoch im Auftrag und auf Rechnung eines Dritten, nachstehend Treugeber genannt, geltend zu machen." Ferner sieht die Vereinbarung vor, der Beklagte solle die aus der Zwangsvollstreckung realisierten Beträge auf sein Anderkonto nehmen und den Erlös nach Abzug der Kosten zu 30 v.H. an die Klägerin und zu 70 v.H. an J. S. auskehren.

Nach Abschluss der Vereinbarung gab Dr. G. dem Beklagten das Vollstreckungsobjekt bekannt. Aufgrund der Eintragung von Zwangssicherungshypotheken konnten die titulierten Forderungen im Zuge des Verkaufs der Immobilie durch G. Sp. vollumfänglich realisiert werden. Dabei wurde die Forderung der J. S. aus einem in voller Höhe und nicht lediglich in Höhe des Überschusses vollstreckt, welcher sich unter Berücksichtigung einer durch dasselbe Urteil titulierten Gegenforderung des G. Sp. gegen Jutta Schamel ergab.

Nach Eingang des Vollstreckungserlöses kam es zu Verhandlungen zwischen Dr. G. als Vertreter der Klägerin und dem Beklagten über die Wirksamkeit der Vereinbarung vom und die Höhe des der Klägerin zustehenden Betrags. Dabei teilte der Beklagte Dr. G. mit, die Umsetzung der Vereinbarung führe überschlägig zu einem Anteil der Klägerin in Höhe von 119.000 €. Dieser Betrag errechnete sich, wenn von dem Vollstreckungserlös neben Prozess- und Vollstreckungskosten auch die titulierte Gegenforderung des G. Sp. abgezogen wurde, welche der vollstreckten Forderung der J. S. aufrechenbar gegenüberstand. Schließlich einigten sich Dr. G. als Vertreter der Klägerin und der Beklagte als Vertreter der Vollstreckungsgläubiger auf eine Zahlung in Höhe von 90.000 € an die Klägerin, welche sodann vom Beklagten aus dem Vollstreckungserlös erbracht wurde.

Die Klägerin behauptet, die Einigung auf den Betrag von 90.000 € sei unter der Bedingung erfolgt, dass der tatsächliche Anteil der Klägerin gemäß der Vereinbarung vom bei ungefähr 119.000 € (+/- 10 v.H.) liege. Da die vom Beklagten vorgenommene Saldierung des Vollstreckungserlöses mit der Gegenforderung des G. Sp. unstatthaft sei, liege der Anteil der Klägerin tatsächlich bei 142.037,46 €, weshalb die Bedingung für die Einigung auf einen Zahlbetrag von 90.000 € nicht eingetreten sei. Den Differenzbetrag in Höhe von 52.037,46 € macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Der Beklagte meint, sämtliche Ansprüche der Klägerin aus der Vereinbarung vom seien durch die Einigung auf eine Zahlung von 90.000 € erledigt. Der Vergleich habe nicht unter der behaupteten Bedingung gestanden. Hiervon abgesehen sei eine solche Bedingung aber auch eingetreten, weil sowohl im Vorfeld der Vereinbarung vom als auch im Rahmen der Einigung auf den Zahlbetrag von 90.000 € vereinbart worden sei, die Gegenforderung des G. Sp. vom Erlös der Vollstreckung in Abzug zu bringen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr im Umfang von 51.979,32 € stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Mit der Revision, deren Zulassung der Beklagte beantragt, erstrebt er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei nach § 667 BGB zur Herausgabe des erlangten Betrags an die Klägerin verpflichtet.

Aus der schriftlichen Vereinbarung vom sei nicht zu entnehmen, dass auch die Gegenforderung des G. Sp. bei der Bestimmung des Reinerlöses der Vollstreckung berücksichtigt werden sollte, welcher zwischen den Beteiligten im Verhältnis 70 zu 30 aufzuteilen sei. Da dieser schriftlichen Vereinbarung die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit zukomme, treffe den Beklagten die Beweislast für eine abweichende mündliche Absprache. Diesen Beweis habe der Beklagte nicht zu führen vermocht, weil dessen Angaben in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht die vor dem Berufungsgericht erhobene Zeugenaussage des Dr. G. entgegenstehe, welcher eine solche Abrede bestritten habe. Ebenso habe der Beklagte den ihm obliegenden Beweis nicht zu führen vermocht, dass der Anspruch der Klägerin im Wege eines Vergleichs auf 90.000 € reduziert worden sei, weil der Zeuge Dr. G. auch insoweit der Schilderung des Beklagten entgegengetreten sei. Im Hinblick auf beide mündliche Absprachen habe das Berufungsgericht sich keine volle Überzeugung bilden können und daher eine Beweislastentscheidung zu treffen gehabt.

Der Treuhandvertrag sei auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Im Übrigen sei im Hinblick auf die Frage, ob der Treuhänder die Gelder zweckentsprechend verwendet habe, auch im Falle der Nichtigkeit auf die Abrede des Treuhandverhältnisses abzustellen.

III. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Auf die Revision des Beklagten ist das Berufungsurteil daher nach der Vorschrift des § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Das Berufungsgericht hat das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt, indem es die Vernehmung der Zeugin J. S. zu mündlichen Absprachen im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom abgelehnt hat.

Das Berufungsurteil führt aus, auf das Zeugnis der J. S. komme es nicht an, weil es sich um eine Zeugin vom Hörensagen handele, welche lediglich bekunden könne, was ihr vom Beklagten berichtet worden sei. Wie die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde aufgezeigt hat, hat der Beklagte jedoch die Zeugin S. zum Beweis dafür benannt, dass zwischen Dr. G. , Rechtsanwalt R. , J. S. und dem Beklagten vor Abschluss der schriftlichen Vereinbarung besprochen worden sei, die Gegenforderung des G. Sp. solle bei der Berechnung des dem Hinweisgeber zustehenden Anteils berücksichtigt werden (Seite 5 des Schriftsatzes des Beklagten vom , Band 1 der Gerichtsakten Seite 81). Es handelt sich bei der Zeugin S. daher nach dem Beweisantritt des Beklagten nicht um eine Zeugin vom Hörensagen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beweisantritt mit einem Zeugen vom Hörensagen sei unbeachtlich, ist überdies unzutreffend. Kann ein Zeuge nur bekunden, was Dritte ihm über entscheidungserhebliche Tatsachen mitgeteilt haben, ist dies zwar im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, der Beweis jedoch gleichwohl zu erheben (, BGHZ 168, 79 Rn. 21 mwN).

2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Dies ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (, WM 2004, 46, 47). Bei Anhörung der Zeugin J. S. hätte sich das Berufungsgericht möglicherweise eine Überzeugung zu bilden vermocht, dass eine mündliche Absprache über die Berücksichtigung der Gegenforderung des G. Sp. bei der Bemessung des zu verteilenden Erlöses getroffen worden war.

3. Die Aufklärung der Frage, ob eine solche mündliche Absprache bestanden hat, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht deshalb dahinstehen, weil die Klageforderung aus Rechtsgründen nicht bestehen könnte.

a) Entgegen der offenbar vom Beklagten vertretenen Auffassung scheidet ein Anspruch der Klägerin aus § 667 BGB nicht schon deshalb aus, weil die Vollstreckungsgläubiger mit der Herausgabe des streitigen Betrags an die Klägerin nicht einverstanden sind. Im Falle eines mehrseitigen Treuhandverhältnisses, in welchem der Treuhänder das Treugut gleichrangig zu Gunsten mehrerer Beteiligter verwaltet, erhalten die Beteiligten aus der Treuhandabrede vielmehr einen Anspruch auf Auszahlung der verwahrten Mittel entsprechend der vertraglichen Vereinbarung, der einseitig nicht mehr entzogen werden kann (vgl. , WM 2002, 29, 30). In diesem Sinne bestimmt die Vorschrift des § 54c Abs. 2 BeurkG für die notarielle Verwahrung, dass der Widerruf einer von mehreren Anweisenden erteilten Verwahrungsanweisung nur zu beachten ist, wenn er durch alle Anweisenden erfolgt. Gebührt der streitgegenständliche Anteil am Erlös aus der Zwangsvollstreckung nach der Treuhandabrede der Klägerin, dann besteht deren Auszahlungsanspruch gegen den Treuhänder unabhängig davon, ob die Vollstreckungsgläubiger hierzu zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Auffassung vertreten haben.

b) Die Vereinbarung vom 7. November 2005 ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

aa) Das Berufungsurteil führt aus, es spreche vieles dafür, dass die Klägerin die Kenntnis von der Zwangsvollstreckungsmöglichkeit durch das Ausnutzen eines möglichen Parteiverrats seitens des Rechtsanwalts R. erlangt habe. Da die Erlangung der Kenntnis durch einen Parteiverrat jedoch nicht festgestellt ist, kann hieraus nicht zu Gunsten des insoweit beweisbelasteten Beklagten (vgl. , BGHZ 53, 369, 379 f; Urteil vom - IVa ZR 196/83, BGHZ 95, 81, 85; vom - IX ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1069) die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung abgeleitet werden.

bb) Die Vereinbarung vom 7. November 2005 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der missbilligten Kommerzialisierung einer Leistung sittenwidrig.

Die Vereinbarung eines Entgelts für eine Leistung kann zur Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts führen, wenn die Kommerzialisierung dieser Leistung rechtlich missbilligt wird (Staudinger/Sack, BGB, 2003, § 138 Rn. 476 ff; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 5. Aufl., § 138 Rn. 127 f). Hierunter fallen beispielsweise die entgeltliche Weitergabe betrieblich erlangter Informationen durch den Kreditsachbearbeiter einer Bank an einen Bankkunden (, WM 1976, 1306 f), die Zusage einer Entschädigung bei Rücknahme einer Strafanzeige wegen Vergewaltigung unter Ausnutzung einer psychischen Zwangslage (, NJW 1991, 1046 f) oder die entgeltliche Verschaffung öffentlicher Ämter und Titel (, WM 1993, 2119, 2120).

Die entgeltliche Verschaffung von Informationen über Vermögenswerte eines Titelschuldners, in welche mit Aussicht auf Erfolg vollstreckt werden kann, ist für sich genommen rechtlich nicht zu missbilligen. Bleibt die Zwangsvollstreckung wegen fehlender Vermögenswerte des Schuldners erfolglos, so ist der Schuldner zwar im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 900 ZPO verpflichtet, sämtliche Vermögenswerte zu offenbaren. Allein die Strafbewehrung der Wahrheitspflicht des Schuldners (§ 156 StGB) garantiert jedoch nicht, dass diese auch eingehalten wird. Stellt ein Gläubiger selbst Ermittlungen zu pfändbaren Vermögenswerten des Schuldners an und vereinbart er für entsprechende Informationen ein Entgelt, so verfolgt er ein legitimes Interesse.

cc) Die Vereinbarung vom 7. November 2005 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig.

Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nur dann, wenn weitere Umstände hinzukommen. In Betracht kommen beispielweise die Ausnutzung wirtschaftlicher oder organisatorischer Überlegenheit gegenüber einem geschäftlich unerfahrenen oder rechtsunkundigen Geschäftspartner, eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausnutzung einer schwierigen Lage der Gegenpartei (vgl. , BGHZ 125, 135, 137; vom - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257, 263). Solche besonderen Umstände hat der Beklagte nicht vorgetragen, zumal dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch erklärt hat, die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom wegen Sittenwidrigkeit oder Wucher werde im Rechtsstreit nicht eingewandt (Seite 6 des Sitzungsprotokolls vom ). Da die Vollstreckungsgläubiger bei Abschluss der Treuhandabrede anwaltlich vertreten waren, liegt kein Fall der Ausnutzung fehlender geschäftlicher Erfahrung oder Rechtskunde vor. Die fehlende Kenntnis der Vollstreckungsgläubiger von einer Vollstreckungsmöglichkeit begründet für sich genommen schon deshalb keine besondere Zwangslage, weil nicht vorgetragen ist, dass diese überhaupt erfolglos versucht haben, im Wege der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 900 ZPO Kenntnis von Vermögenswerten des Schuldners Sp. zu erlangen.

c) Einem Herausgabeanspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte durch die Beteiligung an der streitgegenständlichen Treuhandabrede möglicherweise gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach der Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO verstoßen hat.

Ob der Beklagte durch die Übernahme der Aufgabe als Treuhänder gegen berufsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, bedarf vorliegend ebenso wenig der Entscheidung wie die vom Senat bislang offen gelassene Frage, ob ein Verstoß gegen die Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO zur Unwirksamkeit des Anwaltsvertrags nach § 134 BGB führt (, WM 2004, 478, 481; vom - IX ZR 167/07, WM 2009, 1249 Rn. 31; vom - IX ZR 60/08, WM 2009, 1296 Rn. 7). Sollte der im Rahmen der Vereinbarung vom dem Beklagten erteilte Treuhandauftrag wegen eines berufsrechtlichen Verstoßes unwirksam sein, so hätte der Beklagte den Erlös aus der Zwangsvollstreckung als Geschäftsführer ohne Auftrag vereinnahmt. Da ein möglicherweise vorliegender berufsrechtlicher Verstoß des Beklagten den von der Klägerin und den Vollstreckungsgläubigern vereinbarten Maßstab zur Verteilung des Erlöses nicht berührte, bestimmte sich die Herausgabepflicht des Beklagten nach den Vorschriften des § 681 Satz 2, § 667 BGB auch im Falle der Nichtigkeit der Treuhandabrede nach dem Verteilungsschlüssel der Vereinbarung (vgl. , NJW 1997, 47, 48).

Fundstelle(n):
OAAAD-86398