Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Mainz, 2 O 189/06 vom OLG Koblenz, 8 U 1567/08 vom
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom kaufte die Klägerin von der Beklagten zu 1 ein 856 qm großes Grundstück für 20,3 Mio. DM. Der Eigentumsübergang sollte lastenfrei erfolgen. Nachdem die Beklagte zu 1 der Aufforderung zur Lastenfreistellung bis zum nicht nachgekommen war, verlangte die Klägerin mit Schreiben von demselben Tag unter Verzicht auf die Erfüllung des Kaufvertrags Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Sie beantragte am den Erlass jeweils eines Mahnbescheids gegen die Beklagten über einen als "Schadensersatzforderung aus Rückabwicklung des notariellen Grundstückskaufvertrags des Notars Dr. G. , UR-Nr. /2001 G vom für bereits aufgewandte Beurkundungs- und Finanzierungskosten" bezeichneten Anspruch von 69.893,08 €. Die Mahnbescheide wurden am erlassen und den Beklagten jeweils am zugestellt, die dagegen Widerspruch erhoben.
In dem anschließenden streitigen Verfahren hat die Klägerin den mit den Mahnbescheiden geltend gemachten Betrag als erstrangigen Teil einer aus neun Positionen bestehenden Schadensersatzforderung von 119.617,25 € beansprucht. Mit Schriftsatz vom hat sie die Klageforderung dahingehend spezifiziert, dass die Beträge der Positionen 1 bis 7 vollständig und aus der Position 8 ein erstrangiger Teilbetrag geltend gemacht wird; hilfsweise hat sie die Klageforderung mit dem nächstrangigen Teilbetrag der Position 8 und mit dem Betrag der Position 9 aufgefüllt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie aufgrund der von den Beklagten erstmals in der zweiten Instanz erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen.
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts erreichen.
Gründe
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verjährungseinrede zulässig. Sie greife auch durch. Der Schadensersatzanspruch sei frühestens mit Ablauf der den Beklagten gesetzten Frist zur Lastenfreistellung am entstanden. Die Verjährungsfrist habe deshalb mit Ablauf des Jahres 2002 begonnen und am geendet. Die Verjährung sei nicht durch den Erlass der Mahnbescheide gehemmt worden, weil der geltend gemachte Anspruch in den Mahnbescheidsanträgen nicht hinreichend individualisiert worden sei. Die in dem streitigen Verfahren nachgeholte Individualisierung habe an dem Eintritt der Verjährung nichts geändert, weil sie nach dem Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt sei.
II. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt.
1. Ob es - wie die Klägerin meint - rechtlich zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht die erstmalig in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede als zulässig angesehen hat, kann offen bleiben. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht nämlich den Anspruch wegen nicht ausreichender Individualisierung in dem Mahnbescheid als verjährt angesehen.
a) Es hat allerdings zutreffend angenommen, dass der Anspruch am entstanden war und die Verjährungsfrist nach den Regelungen in den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB am endete.
b) Ebenfalls zutreffend ist sein Ausgangspunkt, dass die Hemmung (früher Unterbrechung) der Verjährung durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) nur eintritt, wenn der Anspruch in dem Mahnbescheid durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht; wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden, vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (siehe nur , NJW-RR 2010, 1455 Rn. 11 mwN; für das frühere Verjährungsrecht , NJW 2000, 1420 mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist ( aaO).
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügen die Bezeichnungen des Anspruchs in den Mahnbescheiden diesen Anforderungen. Aus ihnen ergibt sich, dass gegen die Beklagten eine Schadensersatzforderung aus der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags vom geltend gemacht wird, und zwar im Hinblick auf von der Klägerin aufgewendete Beurkundungs- und Finanzierungskosten. Die Beklagten konnten daraus ohne weiteres entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe die Klägerin verfolgte. Denn ihnen waren sowohl das Schadensersatzverlangen als auch die Grundlage, auf welche die Klägerin es gestützt hatte, bekannt. Sie konnten deshalb aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs in den Mahnbescheiden entscheiden, ob und inwieweit sie sich dagegen zur Wehr setzen wollten.
d) Daran ändert nichts, dass sich erst in dem anschließenden streitigen Verfahren herausgestellt hat, dass die Klägerin in dem Mahnverfahren nur einen Teilbetrag des ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Anspruchs geltend gemacht hat.
aa) Auch wenn - wie hier - nur ein Teil eines Gesamtanspruchs, dessen Betrag sich aus einzelnen Positionen zusammensetzt, ohne Aufgliederung oder Bezifferung dieser Positionen im Mahnverfahren geltend gemacht wird, unterbrach dies nach dem früheren Verjährungsrecht die Verjährung, und zwar hinsichtlich sämtlicher Positionen bis zur Höhe der mit dem Mahnbescheid verlangten Gesamtsumme; die fehlende Substantiierung konnte im Laufe des streitigen Verfahrens nachgeholt werden, und zwar auch dann noch, wenn der Anspruch ohne die Unterbrechungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids bereits verjährt gewesen wäre (, NJW 1996, 2152, 2153 mwN). Demgemäß bedurfte es, wenn - wie hier - im Mahnverfahren ein einziger Schadensersatzanspruch geltend gemacht worden ist, keiner Einzelangaben zu der Schadenshöhe bereits in dem Mahnbescheid (, NJW 2000, 1420, 1421 mwN).
bb) An dieser Rechtslage hat sich nach der Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom (BGBl. I S. 3138), bei der u.a. die Tatbestände der Verjährungsunterbrechung abgeschafft und an ihre Stelle solche der Hemmung der Verjährung getreten sind, nichts geändert. Der um die Vereinheitlichung des Verjährungsrechts bemühte Gesetzgeber (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB [2009], Vorbemerkung zu §§ 194-225 Rn. 58) hat die bisherigen Unterbrechungstatbestände (§ 209 Abs. 2 BGB aF) durch die heutigen Hemmungstatbestände (§ 204 Abs. 1 BGB) ersetzt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung, hier durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung durch dieselbe Maßnahme (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB aF) sind gleich geblieben (vgl. auch Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 204 Rn. 1). Nach wie vor gilt deshalb, dass das Erfordernis, einen angegebenen Gesamtbetrag bereits in dem Mahnbescheid aufzuschlüsseln, nur dann besteht, wenn eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht wird, nicht aber dann, wenn - wie hier - Gegenstand des Mahnbescheids eine einheitliche Schadensersatzforderung ist, die sich aus mehreren unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt (, NJW 2011, 613, 614 Rn. 14).
e) Zu Unrecht hat sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht der fehlenden Individualisierung des Anspruchs in den Mahnbescheiden auf das , NJW 2009, 56) berufen. Der dort entschiedene und der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheiden sich in einem für die Beantwortung der Verjährungsfrage maßgeblichen Punkt.
aa) Die Klägerin des dortigen Verfahrens hatte im Mahnverfahren einen Teilbetrag von 25.000 € als - was die hiesigen Beklagten in ihrer Revisionserwiderung fälschlich in Abrede stellen - Rückzahlung zweier Darlehen geltend gemacht; in der Berufungsinstanz hat sie - nach Ablauf der Verjährungsfrist - den Klageanspruch dahingehend präzisiert, dass mit der Teilklage erstrangig die Forderung betreffend das eine Darlehenskonto und nachrangig die Hauptforderung betreffend das andere Darlehenskonto geltend gemacht werde. Der Bundesgerichtshof hat den Anspruch als in dem Mahnbescheidsantrag nicht ausreichend individualisiert angesehen, weil für die dortige Beklagte nicht erkennbar gewesen sei, auf welche Forderung aus den beiden Konten und in welcher Höhe die dortige Klägerin den Teilbetrag habe beziehen wollen; die in dem Berufungsrechtszug nachgeholte Individualisierung habe die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht herbeigeführt, weil sie keine Rückwirkung auf den Zustellungszeitpunkt gehabt habe (Urteil vom - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, 57 Rn. 18 ff.). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Zustellung von Mahnbescheiden, in denen der geltend gemachte Anspruch nicht ausreichend individualisiert ist, die Verjährung auch dann nicht hemmt, wenn die Individualisierung nach dem Ablauf der Verjährungsfrist in dem anschließenden Streitverfahren nachgeholt worden ist (, NJW 2008, 3498, 3499 Rn. 16). Dies galt auch schon für das frühere Verjährungsrecht (, NJW 2001, 305, 306 f. mwN).
bb) Diese Rechtsprechung findet hier keine Anwendung. Denn die Klägerin macht weder mehrere Forderungen noch einen Teilbetrag solcher Forderungen geltend, sondern einen einzigen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Die dazu in dem Mahnbescheid enthaltenen Angaben haben den Anspruch hinreichend individualisiert. Die in dem streitigen Verfahren nach dem Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommene Substantiierung war, anders als in den vorstehend unter aa) genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, für die Individualisierung des in den Mahnbescheiden bezeichneten Anspruchs nicht notwendig.
cc) Dass der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom (XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, 57 Rn. 22) gemeint hat, wegen des neuen Verjährungsrechts nicht an die Rechtsprechung zu dem früheren Verjährungsrecht (s.o., , NJW 1996, 2152, 2153) gebunden zu sein, und damit Zweifel an der Geltung dieser Rechtsprechung auch für die jetzige Rechtslage zum Ausdruck bringen wollte, steht das der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Denn die eher beiläufigen Überlegungen tragen das Urteil nicht, weil der dortige Sachverhalt (Geltendmachung eines Teilbetrags aus zwei Forderungen) ein anderer ist als der, welcher der Entscheidung vom (XII ZR 8/95, NJW 1996, 2152, 2153) zugrunde liegt (Geltendmachung eines Teils einer einzigen Forderung).
2. Das Berufungsurteil hat somit keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da sich das Berufungsgericht bisher nicht mit den Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs befasst hat, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dies geschehen kann.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAD-86339