BGH Urteil v. - XI ZR 466/07

Leitsatz

[1] Die Zustellung eines Mahnbescheids, mit dem ein Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen geltend gemacht wird, hemmt die Verjährung nicht, wenn eine genaue Aufschlüsselung der Einzelforderungen unterblieben ist und die Individualisierung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitverfahren nachgeholt wird.

Gesetze: BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: LG Duisburg, 6 O 164/05 vom OLG Düsseldorf, I-17 U 74/06 vom

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht im Wege einer Teilklage die Rückzahlung zweier Darlehen. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der S. AG zwei Konten zur Stamm-Nr. ..., die am mit 1.116,18 DM (Endziffer 00) und mit 680.373,18 DM (Endziffer 01) im Soll standen und von der Bank mit Schreiben vom gekündigt wurden. Mit Schreiben vom forderte die Klägerin, die ein Inkassounternehmen betreibt, die Beklagte erfolglos zur Zahlung einer Hauptforderung von 347.928,69 € nebst Verzugszinsen von 116.630,23 € und eines Bearbeitungsentgelts von 2.426 € auf. Die Klägerin behauptet, die S. AG habe ihr die Forderung am zur Einziehung abgetreten.

Die Klägerin hat am gegen die Beklagte den Erlass eines Mahnbescheides über einen Teilbetrag von 25.000 € beantragt. In dem Mahnbescheidsantrag ist der Anspruch mit "Darlehensrückzahlung gem. Fällige Forderung gemäß Kündigung 134690/04/0/1 vom bis " bezeichnet; ferner enthielt der Antrag die Bemerkung, dass die Forderung "seit dem an den Antragsteller abgetreten bzw. auf ihn übergegangen (sei); früherer Gläubiger: S. AG". Der Mahnbescheid ist der Beklagten am zugestellt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil sie mangels Bestimmtheit des Klagegegenstandes unzulässig sei. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung vom und in der Berufungsverhandlung am hat sie ihr Klagebegehren dahin näher präzisiert, dass mit der Teilklage erstrangig die Forderung betreffend das Konto mit der Endziffer 00 und nachrangig die Hauptforderung betreffend das Konto mit der Endziffer 01 geltend gemacht werde. Daraufhin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der - vom erkennenden Senat - zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Teilklage sei zulässig, weil die Klägerin den Klageanspruch in der Berufungsinstanz hinreichend individualisiert habe, und im Übrigen auch begründet. Die Aktivlegitimation ergebe sich unabhängig von dem wirksamen Zustandekommen eines Abtretungsvertrages aus der Vollmacht vom , in der auch eine Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs enthalten sei. Die Forderung sei nicht verjährt, weil die Verjährung durch die Zustellung des Mahnbescheids rechtzeitig unterbrochen worden sei. Aufgrund der Angaben in dem Mahnbescheid habe die Beklagte feststellen können, welche Ansprüche gegen sie erhoben worden seien.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.

Dabei kann dahinstehen, ob sich diese nicht bereits aus der Abtretung vom ergibt. Dem stünde, anders als das Berufungsgericht meint, nicht entgegen, dass die Klägerin das Angebot der S. AG zum Abschluss eines Abtretungsvertrages nicht förmlich angenommen hat. Die Verlautbarung der Vertragsannahme kann auch in dem Tätigwerden der Klägerin, insbesondere in der Inanspruchnahme der Beklagten mit dem vorgerichtlichen Forderungsschreiben vom , gesehen werden, weil eine ausdrückliche Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten und deren Zugang bei der S. AG gemäß § 151 Satz 1 BGB entbehrlich war (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 101/02, WM 2003, 2327, 2328).

Das Berufungsgericht hat jedoch die Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht aus der Vollmacht vom hergeleitet. Deren Auslegung durch das Berufungsgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin auf die Vollmacht nicht ausdrücklich berufen hat. Da sie das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten nicht bestritten hat und das Berufungsgericht in der Berufungsverhandlung die Aktivlegitimation der Klägerin auf die Vollmacht gestützt hat, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich die Klägerin das Vorbringen der Beklagten zumindest hilfsweise stillschweigend zu eigen gemacht hat.

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist aber der aus §§ 607, 609 BGB a.F. geltend gemachte - dem Grunde und der Höhe nach unstreitige - Darlehensrückzahlungsanspruch verjährt.

a) Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist mit der Kündigung der Kredite gemäß § 609 Abs. 1 BGB a.F. im Dezember 1999 fällig geworden. Die Verjährungsfrist betrug zunächst gemäß § 195 BGB a.F. dreißig Jahre und hätte somit im Dezember 2029 geendet. Mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gilt jedoch seit dem die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB ab dem zu berechnen ist und somit am endete. Durch die Zustellung des Mahnbescheids am ist die Verjährung des Zahlungsanspruchs der Klägerin nicht gehemmt worden.

b) Allerdings scheitert eine Hemmung der Verjährung nicht bereits daran, dass - wie die Beklagte meint - die Klägerin im Mahnbescheid einen anderen prozessualen Anspruch geltend gemacht hätte als im weiteren Verlauf des streitigen Verfahrens. Dies ist nicht der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinn geht der Klagegrund über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGHZ 117, 1, 5 f.; Senatsurteil vom - XI ZR 278/06, WM 2007, 1241, 1242 m.w.Nachw.). Danach liegt im Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht wie auch im umgekehrten Fall eines Übergangs von einem Anspruch aus abgetretenem Recht zu einem solchen aus eigenem Recht wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts grundsätzlich ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung gemäß § 263 ZPO (, NJW 2005, 2004, 2005 und vom - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Tz. 19). Hingegen ändert sich der Streitgegenstand nicht, wenn bei einer stillen Sicherungszession der Zedent die abgetretene Forderung zunächst aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung geltend macht und später aufgrund einer Rückabtretung des Sicherungsnehmers weiterverfolgt (vgl. , WM 1999, 1065, 1066) oder wenn die Aktivlegitimation zunächst auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und später auf eine Abtretung gestützt wird (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 278/06, WM 2007, 1241, 1242 Tz. 18).

Nach diesen Grundsätzen hat sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Anspruch gegen die Beklagte zunächst auf eine Abtretung vom , sodann auf eine Abtretung vom und schließlich - jedenfalls konkludent - auf die Einziehungsermächtigung vom gestützt hat. Stets hat sie unabhängig von der Begründung ihrer Aktivlegitimation den ursprünglich der S. AG zustehenden Darlehensrückzahlungsanspruch geltend gemacht.

c) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die Verjährung des Klageanspruchs nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V. mit § 167 ZPO durch den Mahnbescheid gehemmt worden. Denn die Klägerin hatte die Rückzahlungsansprüche in dem Mahnbescheidsantrag im Hinblick auf den geltend gemachten Teilbetrag nicht hinreichend individualisiert (hierzu unter aa) und konnte die fehlende Individualisierung auch nicht mehr nach Ablauf der Verjährungsfrist wirksam nachholen (hierzu unter bb).

aa) Der von der Klägerin geltend gemachte Darlehensanspruch war in dem Mahnbescheidsantrag nicht ausreichend individualisiert. Dazu ist erforderlich, dass er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st.Rspr.; BGHZ 172, 42, 55 Tz. 39; Senat, Urteile vom - XI ZR 353/07, WM 2008, 1298, 1299 Tz. 16 und vom - XI ZR 253/07, Umdruck S. 10 f. Tz. 18; , NJW 2008, 1220 f. Tz. 13). Diesen Anforderungen genügt der Mahnbescheid nicht. Zwar ergab sich daraus, dass gegen die Beklagte eine Darlehensforderung geltend gemacht wurde. Für die Beklagte war aber nicht erkennbar, auf welche Forderung aus den beiden Bankkonten mit den Endziffern 00 und 01 und in welcher Höhe die Klägerin den geltend gemachten Teilbetrag in Höhe von 25.000 € beziehen wollte. Ein auf der Grundlage des Mahnbescheids erlassener Vollstreckungsbescheid hätte daher keinen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt gehabt.

bb) Die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids ist auch nicht rückwirkend durch die im Berufungsrechtszug frühestens im Mai 2006 ordnungsgemäß nachgeholte Individualisierung eingetreten. Dies hätte erfordert, dass die Klägerin - was hier nicht der Fall war - die geltend gemachten Ansprüche in nicht rechtsverjährter Zeit individualisiert hätte.

Die nachträgliche Individualisierung des Klageanspruchs kann zwar die Zulässigkeit der Klage herbeiführen, hat aber für die Verjährung keine Rückwirkung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Hemmung der Verjährung im Falle des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids an; eine rückwirkende Heilung durch eine nachträgliche Individualisierung der Klageforderung nach Ablauf der Verjährungsfrist kommt nicht in Betracht (vgl. , WM 2008, 1935, 1936 Tz. 16 m.w.Nachw.).

Dies gilt auch für den vorliegenden Fall der Geltendmachung eines Teilbetrages aus mehreren Einzelforderungen, wenn im Mahnbescheid eine genaue Aufschlüsselung des eingeforderten Betrages auf die Einzelforderungen unterblieben ist. Für eine Unterscheidung zwischen der Nachholung der fehlenden Aufteilung der Einzelforderungen und der Heilung sonstiger Individualisierungsmängel besteht kein sachlicher Grund. Ohne ausreichende Individualisierung der Einzelforderungen und genaue Aufteilung des geforderten Teilbetrages kann weder auf Grundlage des Mahnbescheides ein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen noch wird dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will. Demgegenüber ist der Gläubiger, der sich die Vorteile des Mahnverfahrens zunutze machen will, ohne weiteres zu einer ausreichenden Individualisierung in der Lage.

Soweit der Bundesgerichtshof zu § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung entschieden hat, dass die Verjährung aller im Mahnbescheid ausreichend bezeichneten Einzelforderungen bis zur Höhe des geltend gemachten Teilbetrages unterbrochen werde und deshalb eine Nachholung der Aufschlüsselung der Einzelforderungen im weiteren Verlauf des Verfahrens jederzeit zulässig sei (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 312/99, WM 2000, 2375, 2377 und , NJW 1996, 2152, 2153, jeweils m.w.Nachw.), ist der erkennende Senat hieran nicht gebunden. Das Verjährungsrecht hat durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom (BGBl. I S. 3138) eine grundlegende Neuregelung erfahren. Dabei sind unter anderem die Tatbestände der Verjährungsunterbrechung abgeschafft worden und an ihre Stelle solche der Hemmung und des Neubeginns der Verjährung getreten. Für die Auslegung des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist daher die Rechtsprechung zu § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. nicht bindend, so dass auch eine Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG nicht geboten ist.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ein anderer Hemmungstatbestand - hier kommt nur Hemmung durch Verhandlungen gemäß § 203 BGB in Betracht - liegt nicht vor. Die Schreiben der Klägerin vom und enthielten zwar die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für eine Ratenzahlungsvereinbarung, blieben aber von der Beklagten unbeantwortet, so dass hierin keine Verhandlungen i.S. des § 203 BGB gesehen werden können. Durch das Vergleichsangebot der Eltern der Beklagten vom konnte eine Hemmung der Verjährung bereits deshalb nicht mehr eintreten, weil die Forderungen zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt waren.

IV.

Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 2637 Nr. 49
NJW 2009 S. 56 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2009 S. 273
WM 2009 S. 420 Nr. 9
JAAAC-97154

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja