BGH Beschluss v. - 3 StR 123/11

Betäubungsmittelstrafrecht: Anwendung der gesetzlichen Neuregelung der Aufklärungshilfe auf die nach deren Inkrafttreten eröffneten Verfahren

Gesetze: § 30a BtMG, § 31 BtMG vom , Art 316d StGBEG, § 1 StGB, § 2 Abs 1 StGB, § 2 Abs 3 StGB, § 49 StGB, StrÄndG 43

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 15 KLs 2/10 - 606 Js 33132/09 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "des gemeinschaftlichen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln (Fall II.1. der Urteilsgründe), des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt und 12 Subutex-Tabletten eingezogen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Die im Fall II.1. der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für die am begangene Tat hat keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

3Das Landgericht hat einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG abgelehnt und die ausgesprochene Einzelfreiheitsstrafe dem gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG entnommen (Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis elf Jahren drei Monaten). Diese Strafrahmenverschiebung entspricht der Regelung des § 31 BtMG in der ab dem geltenden Fassung. Dabei hat das Landgericht nicht bedacht, dass § 31 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung das für die Angeklagte günstigere Recht ist.

4Art. 316d EGStGB bestimmt, dass § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG nicht auf Verfahren anzuwenden ist, in denen vor dem die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Diese negativ formulierte Überleitungsvorschrift stellt eine - verfassungsrechtlich unbedenkliche ( u.a., BVerfGE 81, 132, 136 f.; , BGHSt 42, 113, 120; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 2 Rn. 16) - Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) dar, die die Gerichte in bereits rechtshängigen Verfahren von der gegebenenfalls schwierigen Bewertung entbinden soll, ob die alte oder neue Fassung des § 31 BtMG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildere Gesetz sei (BT-Drucks. 16/6268 S. 17: etwa im Hinblick auf die Frage einer Milderung nach § 49 Abs. 1 oder 2 StGB oder eines Absehens von Strafe).

5Sie bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften ohne weiteres im Verfahren anzuwenden sind, in denen - wie hier am - die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Taten anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung (§ 2 Abs. 3 StGB) darstellt (, NStZ 2010, 523).

6§ 31 BtMG in der zur Tatzeit () geltenden Fassung ist für die Angeklagte das günstigere Recht. Es führt gemäß § 30a Abs. 1 und 2 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB zu einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von einem Monat bis Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Die Strafrahmenverschiebung in der ab dem geltenden Fassung eröffnet demgegenüber gemäß § 30a Abs. 1 und 2, § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB den vom Landgericht herangezogenen Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe.

7Da das Landgericht die im Fall II.1. der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten dem unteren Bereich des Strafrahmens entnommen hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass es bei Beachtung des § 2 Abs. 3 StGB diese Einzelstrafe niedriger bemessen und auch auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Dagegen bleiben die in den Fällen II.3., 4. und 5.a) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; denn hier stellt sich die Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB für die Angeklagte als günstiger dar, da schon der Ausgangsstrafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG als Strafrahmenuntergrenze die Mindestfreiheitsstrafe oder Geldstrafe bestimmt, diese mithin über § 49 Abs. 2 StGB nicht mehr weiter abgesenkt werden kann.

Becker                                       Pfister                                     von Lienen

                        Hubert                                      Schäfer

Fundstelle(n):
QAAAD-84614