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BGH Urteil v. - VIII ZR 48/10

Vergütungspflicht für Erneuerbare Energien: Voraussetzung der Inbetriebnahme einer Stromerzeugungsanlage

Leitsatz

Für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbarer Energie ist auch dann auf die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft abzustellen, wenn der Stromerzeugung aus Erneuerbarer Energie zunächst ein technisch notwendiger konventioneller Anfahrbetrieb mit fossilen Brennstoffen vorausgeht (Fortführung von , WM 2008, 1799) .

Gesetze: § 3 Abs 4 EEG vom , § 8 Abs 6 EEG vom

Instanzenzug: Az: 8 U 2128/09 Urteilvorgehend LG Deggendorf Az: 32 O 347/08 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin ist ein regionaler Energieversorger. Der Beklagte errichtete in H./Niederbayern im Jahr 2006 ein Blockheizkraftwerk zum Zwecke der Strom- und Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren Energien (Pflanzenöl). Zur Herstellung seines Kraftwerks erwarb der Beklagte von der R. GmbH Anlagenteile (Container mit Motor, Schaltschrank, Generator, Abgaswärmetauscher mit Schalldämpfer), die ehemals zu einem in Schwaben auf der Basis von Biogas betriebenen Heizkraftwerk gehörten. Der Beklagte verband die erworbenen Anlagenteile mit Pflanzenöltanks und schloss die notwendigen Stromkabel an den Transformator und die Wärmeleitungen zur Abwärmenutzung an. Am wurde die Anlage mit Heizöl hochgefahren und an das Netz der Klägerin angeschlossen. Seit wird das Kraftwerk des Beklagten mit Pflanzenöl betrieben.

2Die Klägerin vergütete den vom Beklagten eingespeisten Strom gemäß §§ 5, 8 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom (BGBl. I S. 1918, Erneuerbare-Energien-Gesetz; im Folgenden EEG 2004) im Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2007 mit einem Betrag von 19,33 Cent/KWh. Insgesamt zahlte die Klägerin an den Beklagten für den genannten Zeitraum 274.792,33 €. Für die Monate Januar, Februar und März 2008 erteilte sie dem Beklagten Gutschriften in Höhe von insgesamt 52.754,16 €; Zahlungen hierauf erfolgten nicht.

3Die Klägerin ist der Auffassung, dass der in der Anlage des Beklagten erzeugte Strom nicht nach dem EEG 2004 zu vergüten sei, weil die Anlage vor dem nicht technisch betriebsbereit gewesen sei, da das Pflanzenöl erst am die erforderliche Betriebstemperatur erreicht habe, um als Brennstoff dienen zu können; jedenfalls sei die Anlage vor dem nicht mit einem Erneuerbaren Energieträger in Betrieb genommen worden. Eine Vergütungspflicht bestehe daher für den Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2007 nur nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in Höhe von 69.230,50 €.

4Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der ihrer Auffassung nach für die Zeit Dezember 2006 bis Dezember 2007 nicht geschuldeten Vergütung in Höhe von 205.661,83 € nebst Zinsen, Befreiung von den für Januar bis März 2008 erteilten Gutschriften in Höhe von 52.754,16 € und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.534,20 € in Anspruch genommen. Der Beklagte verlangt widerklagend von der Klägerin die Auszahlung der erteilten Gutschriften in Höhe von 52.754,16 € nebst Zinsen.

5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 205.661,63 € nebst Zinsen verurteilt; die Widerklage hat es abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

6Die Revision hat Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8Der Klägerin stehe aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 8 Abs. 6 EEG 2004 der eingeklagte Rückzahlungsanspruch zu, denn das Kraftwerk des Beklagten sei erst nach dem für die Vergütungspflicht maßgebenden Stichtag in Betrieb genommen worden.

9Bei dem Kraftwerk des Beklagten handele es sich um eine neu errichtete Anlage im Sinne des § 3 Abs. 2 EEG 2004 und nicht lediglich um eine erneuerte Anlage gemäß § 3 Abs. 4 EEG 2004. Für diese Beurteilung sei zum einen maßgebend, dass der Beklagte nur Teile des ursprünglich an einem anderen Ort (Schwaben) betriebenen Blockheizkraftwerks erworben habe, und zum anderen, dass er die Anlage nicht mit dem ursprünglich verwendeten Erneuerbaren Energieträger Biogas, sondern mit Pflanzenöl betreibe.

10Die neue Anlage sei von dem Beklagten erst nach dem in Betrieb genommen worden. Zwar sei das Kraftwerk vor diesem Stichtag technisch betriebsbereit gewesen, weil sämtliche für den Betrieb mit Pflanzenöl notwendigen Teile vorhanden und funktionsfähig gewesen seien. Das Gesetz verlange in § 3 Abs. 4 EEG 2004 jedoch neben der technischen Betriebsbereitschaft auch, dass die Anlage mit dem dafür vorgesehenen Erneuerbaren Energieträger (hier Pflanzenöl) vor dem Stichtag tatsächlich in Betrieb gegangen sei. Daran fehle es, da die Anlage bis mit Heizöl befeuert worden sei. Dieser vom Beklagten selbst so bezeichnete Probebetrieb mit dem fossilen Energieträger Heizöl stelle noch keine Inbetriebnahme einer Anlage dar, die mit Erneuerbarer Energie betrieben werden solle. Denn die optimale und technisch sichere Einstellung des Motors der Anlage könne nur dann erfolgen, wenn der Motor mit dem Energieträger betrieben werde, mit dem er dann anschließend dauerhaft laufen solle.

11Für diese Betrachtung spreche vor allem das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, weil sie die Abgrenzung entbehrlich mache, ab wie vielen Tagen eine Übergangsphase/ein Probebetrieb für den Vergütungsanspruch nach dem EEG 2004 schädlich sei. Dagegen könne der Zeitpunkt, in dem von dem fossilen Energieträger auf Erneuerbare Energie umgestellt werde, eindeutig bestimmt werden. Der Anlagenbetreiber werde hierdurch nicht schutzlos gestellt, denn er habe es in der Hand, den Anfahrbetrieb rechtzeitig vor dem Stichtag zu beenden und die Anlage mit dem Erneuerbaren Energieträger in Betrieb zu setzen. Es liege im Übrigen nicht im Sinne des § 1 EEG 2004, wenn der Verbrauch von fossilen Brennstoffen - wie hier - über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen gefördert werde.

II.

12Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

13Der Klägerin steht kein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, da die von ihr im Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2007 geleisteten Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erfolgten. Denn die von dem Beklagten betriebene Anlage zur Erzeugung von Strom aus dem Erneuerbaren Energieträger Pflanzenöl ist vor dem in Betrieb genommen worden (§ 3 Abs. 4, § 8 Abs. 6 EEG 2004). Demgemäß ist auch die Widerklage begründet, denn die Klägerin ist nach §§ 5, 8 EEG 2004 verpflichtet, den von dem Beklagten mit seiner Anlage eingespeisten Strom auch für die Monate Januar bis März 2008 entsprechend den für diesen Zeitraum erteilten Gutschriften, die in ihrer Höhe unstreitig sind, zu vergüten.

141. Netzbetreiber sind nach § 5 EEG 2004 verpflichtet, den gemäß § 4 EEG 2004 abgenommenen, aus Biomasse gewonnenen Strom gemäß § 8 EEG 2004 zu vergüten. Gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 entfällt diese Vergütungspflicht für Strom aus Anlagen, die nach dem in Betrieb genommen worden sind, wenn für Zwecke der Zünd- und Stützfeuerung nicht ausschließlich Biomasse im Sinne der Rechtsverordnung nach Absatz 7 oder Pflanzenmethylester verwendet wird.

15Keiner Entscheidung bedarf, ob - wie die Revision geltend macht - für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme im Sinne des § 8 Abs. 6 EEG 2004 darauf abzustellen ist, wann mit der ursprünglich an einem anderen Standort mit einem anderen Erneuerbaren Energieträger (Biogas) betriebenen Anlage, die der Beklagte ganz oder teilweise erworben hat, erstmals Strom aus Erneuerbarer Energie erzeugt worden ist. Denn auch das vom Beklagten auf den Betrieb mit Pflanzenöl umgerüstete Blockheizkraftwerk ist vor dem in Betrieb genommen worden.

162. Unter Inbetriebnahme einer Anlage, die Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt, ist die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft oder nach ihrer Erneuerung zu verstehen, sofern die Kosten der Erneuerung mindestens 50 % der Kosten einer Neuherstellung der gesamten Anlage einschließlich sämtlicher technisch für den Betrieb erforderlicher Einrichtungen und baulicher Anlagen betragen (§ 3 Abs. 4 EEG 2004). Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die Inbetriebnahme einer Biomasseanlage voraus, dass die Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas technisch betriebsbereit ist. Erforderlich dafür ist, dass die Anlage über sämtliche Einrichtungen zur Stromerzeugung unter Einsatz des jeweiligen Energieträgers verfügt. Wenn diese Einrichtungen so angeschlossen sind, dass - wenn auch nach einer Phase des Hochfahrens der Anlage mittels Einsatzes fossiler Brennstoffe - die Anlage durch den Einsatz von Biomasse dauerhaft Strom erzeugen kann, ist die technische Betriebsbereitschaft der Anlage hergestellt (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 308/07, WM 2008, 1799 Rn. 15).

17Diese für eine Inbetriebnahme erforderlichen Voraussetzungen erfüllte die vom Beklagten betriebene Anlage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits vor dem nach § 8 Abs. 6 EEG 2004 für die Vergütungspflicht der Klägerin maßgebenden Stichtag .

18a) Die Anlage des Beklagten war vor dem technisch betriebsbereit, denn sie verfügte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über sämtliche zur Stromerzeugung aus Pflanzenöl notwendige Einrichtungen. Die Tatsache, dass das Pflanzenöl vor dem noch nicht die erforderliche Betriebstemperatur erreicht hatte, um dauerhaft Strom aus Erneuerbarer Energie zu erzeugen, ändert daher entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nichts an der bereits vor dem bestehenden technischen Betriebsbereitschaft der Anlage.

19b) Die Anlage des Beklagten ist auch vor dem in Betrieb genommen worden. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Anlage am mit Heizöl hochgefahren und der erzeugte Strom ab diesem Zeitpunkt in das Netz der Klägerin eingespeist.

20Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht dieser Betrachtung das Senatsurteil vom (VIII ZR 308/07, aaO Rn.16) nicht entgegen. Der Senat hat an der angeführten Textstelle ausgeführt, dass für eine Inbetriebnahme einer Anlage nach § 3 Abs. 4 EEG 2004 nicht auf den Zeitpunkt abgestellt werden kann, zu dem mit der Anlage vor Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien erstmalig Strom (aus fossilen Brennstoffen) erzeugt wurde. Daran ist festzuhalten. Im Streitfall war die Anlage des Beklagten indes - im Gegensatz zu der in dem zitierten Senatsurteil zu beurteilenden Biogasanlage, für deren technische Betriebsbereitschaft ein Fermenter fehlte - im Zeitpunkt der erstmaligen Stromerzeugung mittels des fossilen Brennstoffs Heizöl () technisch betriebsbereit; denn sie verfügte über sämtliche Einrichtungen, die zum Betrieb mit dem Erneuerbaren Energieträger Pflanzenöl notwendig sind.

21c) Eine von der Inbetriebnahme einer technisch betriebsbereiten Anlage zu trennende Frage ist es, ob ein für die beabsichtigte spätere Stromerzeugung aus Erneuerbarer Energie zunächst - wie hier - notwendiger konventioneller Anfahrbetrieb unter Einsatz fossiler Brennstoffe über den für den Vergütungsanspruch maßgebenden Stichtag () hinaus die Vergütungspflicht des Netzbetreibers entfallen lässt. Das ist zu verneinen. Insbesondere steht ein für das Hochfahren der Anlage oder die Zünd- und Stützfeuerung vorübergehender, technisch jedoch unerlässlicher anfänglicher Betrieb der Anlage mit fossilen Brennstoffen dem Zweck des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes nicht entgegen (so auch Salje, Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., § 3 Rn. 143 ff.). Aus den Gesetzesmaterialien zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz wird deutlich, dass ein technisch notwendiger Anfahrbetrieb ebenso wie eine notwendige Zünd- und Stützfeuerung mit fossilen Brennstoffen den in § 5 EEG 2004 normierten Grundsatz, dass nur die Stromerzeugung privilegiert wird, die vollständig auf den Einsatz Erneuerbarer Energieträger zurückzuführen ist, nicht in Frage stellt. Denn dieses Ausschließlichkeitskriterium bezieht sich lediglich auf den Prozess der Stromerzeugung, nicht jedoch auf die vorbereitenden Schritte (BT-Drucks. 15/2327, S. 26).

22Ob ein bloßer Probebetrieb mit fossilen Brennstoffen, wie das Berufungsgericht meint, nicht als Inbetriebnahme anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Betrieb der Anlage des Beklagten in der Zeit vom bis war auch nach dem vom Berufungsgericht angeführten, im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegebenen Beklagtenvortrag kein bloßer Probetrieb, sondern ein "notwendiger Anfahr- und Probebetrieb", um das in den Lagertanks vorhandene Palmöl auf die für den Betrieb mit Palmöl benötigte Betriebstemperatur zu bringen.

III.

23Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine tatsächlichen Feststellungen mehr zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der Rückzahlungsanspruch der Klägerin unbegründet ist, der Beklagte hingegen Anspruch auf Auszahlung der erteilten Gutschriften hat, ist die Berufung gegen das zutreffend erkennende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
WM 2011 S. 1040 Nr. 22
WAAAD-81589