„Grober Unfug”
Sprachbarrieren
Deutsche Unternehmer
tun gut daran, ihre linguistischen Talente zu stärken. Das nationale
Arbeitsrecht verlangt ihnen einiges ab. So müssen etwa die komplizierten
Mechanismen einer Betriebsratswahl den Berechtigten in deren Muttersprache
nahegebracht werden; für eine Lufthansa-Tochter mit über 2.000
Mitarbeitern bedeutet das eben – so die Beispiele Frankfurter
Arbeitsrichter – die Übersetzung in Koreanisch, Hindi und Thai (S.
1432). Dagegen werden osteuropäische Sprachen, die sich mit Eintritt der
vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum für Bürger von
acht EU-Mitgliedstaaten (S. 1432) ausbreiten könnten, zum Kinderspiel.
Schwerer als das sprachliche fällt meist das rechtliche Verständnis
für Entscheidungen der Europäischen Kommission, insbesondere wenn sie
sich auf
Art. 107 Abs. 1 AEUV
beruft, dem als europäische Norm verkleideten natürlichen Feind aller
nationalen Steuervergünstigungen. Gegen die Stigmatisierung des
§ 8c Abs. 1a
KStG als rechtswidrige Beihilferegelung hat die
Bundesregierung Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union
erhoben. Der Gesetzgeber reagiert mit Aufhebung der Vorschrift ab dem VZ 2011
im Rahmen der Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie (§ 34 Abs. 7c KStG-E). Befürchtungen, das
Beihilfevirus könne auch auf den Sanierungserlass überspringen, hat
der DStV jüngst in einer Pressemitteilung mit Verweis auf entsprechende
Stimmen in der Literatur neue Nahrung gegeben. Gragert („Besteuerung von
Sanierungsgewinnen”, S. 1438) mag sie nicht teilen. Es fehle an der
Selektivität der Regelung, weil alle Unternehmen gleich welcher Rechtsform
(freilich erst nach Verrechnung aller vorhandenen Verluste) in seinen Genuss
kommen können. Ernst nehmen sollte man das Problem gleichwohl, es
dürfte sich mit der angestrebten Stärkung des Insolvenzplanverfahrens
und der Fortführung sanierungsfähiger Unternehmen durch die
Insolvenzreform eher noch verschärfen. Das FG München hat den
Sanierungserlass bereits 2008 als Verwaltungspraxis contra legem eingestuft.
Nicht gegen, sondern für ein Gesetz hat der Bundesrat gestimmt und dem
Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes wohl noch im April den
Weg geebnet. Das Rätselraten um den Wortlaut des
Art. 97 § 24
EGAO geht damit weiter, das BMF hält für die
Zeit zwischen Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes das bestehende
Recht in Ausformung des
für
maßgebend (vgl. Hechtner,
NWB 14/2011 S. 1139). So gilt die
verschärfte BGH-Rechtsprechung zunächst überhaupt nicht, dann
aber doch für wenige Tage – grober Unfug, der bis in die späten
sechziger Jahre seinerseits nach
§ 360 Abs. 1 Nr. 11
StGB a. F. strafbar gewesen wäre!
Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen fordert
die BStBK und kritisiert, dass die derzeitige Fassung des
§ 160 StPO nur
Rechtsanwälte einschließt (S. 1490). Der deutsche Richtertag
hingegen warnt: Steuerberater liefen dann Gefahr, selbst wegen Beihilfe zur
Steuerhinterziehung ins Visier der Staatsanwälte zu geraten. Ins Visier
nehmen sollten Sie, liebe Leser, aber die NWB, am besten als Teilnehmer des
NWB-Leserbeirats (Schlusspunkt, Seite 1504).
Beste Grüße
Heinrich Steinfeld
Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 1417
QAAAD-81189