BAG Urteil v. - 5 AZR 814/09

Instanzenzug: Az: 10 Ca 16711/08 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 6 Sa 219/09 und 6 Sa 311/09 Urteil

Tatbestand

1Die klagende Bundesagentur für Arbeit nimmt die Beklagte als Hauptunternehmerin wegen der Leistung von Insolvenzgeld aus übergegangenem Recht nach § 1a Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der vom bis zum bzw. bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: AEntG aF) in Anspruch.

2Die Beklagte ist ein Bauunternehmen und führte die Bauvorhaben „T“, „M“ und „Mi“ durch. Sie betraute die B mit der Ausführung der Estriche. Über das Vermögen der B wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom das Insolvenzverfahren eröffnet.

3Die Klägerin gewährte - soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse - 14 Arbeitnehmern der B Insolvenzgeld und meldete am übergegangene Ansprüche auf Arbeitsentgelt iHv. insgesamt 300.000,00 Euro zur Tabelle an. Mit Schreiben vom machte sie gegenüber der Beklagten einen Anspruch nach § 1a AEntG aF iHv. 18.360,67 Euro geltend.

4Mit ihrer am eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die 14 Arbeitnehmer der B, denen sie Insolvenzgeld gewährte, seien im Insolvenzgeldzeitraum auf den genannten Bauvorhaben beschäftigt gewesen. Deren Ansprüche gegen die Beklagte aus § 1a AEntG aF seien nach § 187 SGB III auf sie übergegangen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Haftung nach § 1a AEntG aF gehe nicht auf die Bundesagentur für Arbeit über. Das ergebe sich aus dem Schutzzweck der Vorschrift und aus ihren Grundrechten. Zudem hat sie sich auf den Verfall der Ansprüche berufen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

9I. Der Anspruch eines Arbeitnehmers des Nachunternehmers gegen den Hauptunternehmer nach § 1a AEntG aF - sein Bestehen auch in der Insolvenz des Nachunternehmers zugunsten der Klägerin unterstellt - geht weder unmittelbar nach § 187 Satz 1 SGB III noch iVm. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB auf die Klägerin über.

101. Gemäß § 187 Satz 1 SGB III gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Das ist der (Mindest-)Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber (vgl. § 183 Abs. 1 SGB III; Krodel in Niesel SGB III 4. Aufl. § 183 Rn. 61), nicht aber die Haftung nach § 1a AEntG aF. Letztere begründet keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Soweit die Entscheidungen des Senats vom (- 5 AZR 617/01 - zu IV 2 b bb (1) und IV 2 c dd (4) der Gründe, BAGE 113, 149 und - 5 AZR 279/01 - zu V 2 b bb (1) und V 2 c dd (4) der Gründe, EzAÜG AEntG § 1a Nr. 7) dahingehend verstanden werden könnten, der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Hauptunternehmer aus § 1a AEntG aF gehe nach § 187 Satz 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit über, hält der Senat daran nicht fest.

112. Der Übergang der Haftung nach § 1a AEntG aF vollzieht sich auch nicht aufgrund von §§ 412, 401 Abs. 1 BGB. Nach § 412 BGB findet auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes ua. die Vorschrift des § 401 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung. Danach gehen mit der abgetretenen Forderung die Hypotheken, Schiffshypotheken oder Pfandrechte, die für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie bestellten Bürgschaft auf den neuen Gläubiger über.

12Die Haftung nach § 1a AEntG aF ist keine iSd. § 401 Abs. 1 BGB bestellte Bürgschaft, sondern eine gesetzlich angeordnete Bürgenhaftung (vgl.  - Rn. 14, BAGE 119, 170; Mohr in Thüsing AEntG § 14 Rn. 3). Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die Aufzählung in § 401 Abs. 1 BGB nicht abschließend ist und die analoge Anwendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte Nebenrechte im Gesetzgebungsverfahren als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst sie auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind ( - ZInsO 2007, 94; - IX ZR 242/97 - BGHZ 138, 179; ähnlich  - zu III 2 b der Gründe, BAGE 64, 62). Die Haftung nach § 1a AEntG aF ist aber im Verhältnis zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nicht als ein solches Nebenrecht anzusehen (aA, jedoch ohne Begründung, Däubler/Lakies TVG 2. Aufl. Anh. 2 zu § 5 TVG Rn. 14; Koberski/Asshoff/Hold AEntG 2. Aufl. § 1a Rn. 25; Ulber AEntG § 14 Rn. 23; Voelzke in Hauck/Noftz SGB III Stand Dezember 2010 § 187 Rn. 27). Zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs des Arbeitnehmers ist der Übergang der gesetzlich angeordneten Bürgenhaftung nicht erforderlich, denn mit dem Insolvenzgeld ist dem Arbeitnehmer in diesem Umfange die Erfüllung seines Anspruchs gewiss.

13Zudem ergibt sich dieses Ergebnis aus den Normzwecken des § 1a AEntG aF. § 401 Abs. 1 BGB bezweckt, dass bei der Übertragung einer Forderung die mit ihr verbundenen rechtlichen Vergünstigungen und Vorteile auch dem neuen Gläubiger erhalten bleiben (MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 401 BGB Rn. 1). Bei der Abtretung der Hauptforderung gehen deshalb solche Nebenrechte auf den neuen Gläubiger über, die zwar nicht in § 401 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannt sind, aber gleichwohl der Verwirklichung und Sicherung der Hauptforderung dienen (Staudinger/Busche Neubearbeitung 2005 § 401 BGB Rn. 28). Über den Zweck des § 401 Abs. 1 BGB geht die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF jedoch hinaus. Sie ist kein bloßes Hilfsrecht zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Nachunternehmer, sondern verschafft dem Arbeitnehmer einen weiteren Schuldner, den er unmittelbar in Anspruch nehmen kann. Die Haftung nach § 1a AEntG aF dient nicht nur der Sicherung des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer als seinem Arbeitgeber. Sie soll zwar auch sicherstellen, dass die Arbeitnehmer des Nachunternehmers unabhängig von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen den rechtlich garantierten Mindestlohn tatsächlich durchsetzen können und tatsächlich erhalten, sie verfolgt aber zugleich präventive Zwecke. Seine Haftung nach § 1a AEntG aF soll den Hauptunternehmer veranlassen, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer verstärkt auf deren Zuverlässigkeit zu achten und so dazu beizutragen, dass zwingende Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden ( - zu IV 2 b bb (2) (b) der Gründe, EzAÜG GG Nr. 9). Außerdem wollte der Gesetzgeber damit Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft verhindern, mehr Arbeitsplätze schaffen und Schmutzkonkurrenz unterbinden, die kleinere und mittlere Betriebe in der Vergangenheit vom Markt gedrängt hatte (vgl.  - zu IV 2 b bb (1) (a) der Gründe, aaO; BT-Drucks. 14/45 S. 17;  - zu IV 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 113, 149). Das verbietet es, die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF als bloßes Nebenrecht zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer anzusehen und schließt die analoge Anwendung des § 401 Abs. 1 BGB aus.

14II. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF entsprechend dem Gesetzeswortlaut auch im Falle der Insolvenz des Nachunternehmers besteht oder dem Art. 12 Abs. 1 GG entgegensteht (ausdrücklich offengelassen in  - zu IV 2 b bb (4) (b) der Gründe, EzAÜG GG Nr. 9).

III. Die Klägerin hat gem. §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
AAAAD-80918