Feststellungsklage einer Organgesellschaft unzulässig
Leitsatz
Ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO muss ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Finanzamt sein, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Ein Feststellungsbegehren, das allein die privatrechtlichen Beziehungen eines Klägers zu seinen Vertragspartnern und/oder ausschließlich deren abgabenrechtliche Verhältnisse betrifft, ist unzulässig.
Macht eine Organgesellschaft mit der Feststellungsklage geltend, dass die von ihr gezahlten Abwassergebühren als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistung zu beurteilen sind, ist die Klage unzulässig. Diesem auf die beabsichtigte Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs gerichteten Feststellungsbegehren fehlt es an dem erforderlichen eigenen abgabenrechtlichen Interesse der Gesellschaft, da sie als Organgesellschaft in einer bestehenden Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kein eigenes Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1 UStG aus ihren Leistungsbezügen hat. Das Vorsteuerabzugsrecht entsteht ausschließlich beim Organträger.
Gesetze: FGO § 41 Abs. 1, UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, UStG § 15 Abs. 1, FGO § 135 Abs. 3
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine . in der Rechtsform einer GmbH. Sie ist Organgesellschaft innerhalb eines umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit dem von X (Beigeladener zu 3) betriebenen Einzelunternehmen als Organträger.
2 Der Klägerin wurden von der Y-GmbH Entwässerungsgebühren zusammen mit den Beträgen für den Wasserverbrauch ohne Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
3 Die Y-GmbH verwies in den Abrechnungen u.a. darauf, dass sie die Entwässerungsgebühr im Auftrag der Z-GmbH, Beigeladene zu 2, erhebe. Rechtsgrundlage für die Entwässerungsgebühr sei das in Bremen geltende Entwässerungsgebührenortsgesetz. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die von ihr im Jahr 2006 geleisteten Zahlungen für Abwasserentsorgungsleistungen Entgelte für umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistungen der Beigeladenen zu 2 und nicht der Stadtgemeinde A, A Entsorgungsbetriebe, Eigenbetrieb der Stadtgemeinde A (Beigeladene zu 1) seien.
4 Mit ihrer im Dezember 2006 erhobenen Feststellungsklage machte sie beim Finanzgericht (FG) geltend, sie könne nur durch eine Feststellungsklage ihr Ziel erreichen, dass die umstrittene Entwässerungsgebühr als umsatzsteuerrechtliche Leistung beurteilt werde. Das Bestehen der Umsatzsteuerbarkeit und –pflicht sei ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Sie könne die Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer nur verlangen, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen habe (Hinweis auf die , BFHE 183, 288, BStBl II 1997, 707, und des Sächsischen , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 1577).
5 Das FG wies die Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die von ihr gezahlten Abwassergebühren im Jahr 2006 Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 2 und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare Abwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen seien, ab. Die Feststellungsklage sei zwar zulässig. Sie sei aber unbegründet, weil die Beigeladene zu 2 entgegen der Auffassung der Klägerin ihr gegenüber keine umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen ausgeführt habe. Vielmehr sei die Beigeladene zu 1 auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Bestimmungen Leistender gegenüber der Klägerin gewesen. Eine „Beleihung” habe im Streitfall nicht stattgefunden. Das Urteil des FG ist in EFG 2008, 1312 veröffentlicht.
6 Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Abwasserentsorgungsleistungen der Beigeladenen zu 2 stellten keine hoheitliche Tätigkeit dar. Die Beigeladene zu 1 lasse die ihr übertragene öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die hoheitliche Tätigkeit der Abwasserentsorgung durchzuführen, durch die Beigeladene zu 2 als umsatzsteuerrechtlichen „Subunternehmer” ausführen. Die Beigeladene zu 2 sei insoweit Beliehener. Während die Beigeladene zu 2 im eigenen Namen gegenüber den Leistungsempfängern auftrete, indem sie die konkrete Abwasserentsorgungstätigkeit durchführe und die Abwassergebühr in Rechnung stelle, trete die Beigeladene zu 1 den Leistungsempfängern gegenüber nicht in Erscheinung.
7 Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und festzustellen, dass die von ihr im Jahr 2006 entrichteten Abwassergebühren Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 2 und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare Abwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen sind,
hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und festzustellen, dass die von ihr im Jahr 2006 entrichteten Abwassergebühren Entgelt für eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Abwasserentsorgungsleistung der Y-GmbH und nicht für eine nicht umsatzsteuerbare Abwasserentsorgungsleistung der Beigeladenen zu 1 gewesen sind.
8 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
9 Die Beigeladene zu 2 beantragt, die Revision zurückzuweisen.
10 Die Beigeladenen zu 1 und 3 haben keinen Antrag gestellt.
11 II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
12 Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar hätte es die Klage als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist aber trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil sein Tenor zutreffend ist (vgl. dazu , BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927, und vom IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60).
13 1. Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
14 a) Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. , BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.).
15 Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum FA handeln, denn nur hierfür ist der Finanzrechtsweg eröffnet (vgl. § 33 FGO); ein Feststellungsbegehren, das allein die privatrechtlichen Beziehungen eines Klägers zu seinen Vertragspartnern und/oder ausschließlich deren abgabenrechtliche Verhältnisse betrifft, ist unzulässig (vgl. z.B. , BFH/NV 1989, 54, und vom V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729).
16 Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger ein Interesse an baldiger Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat (, BFHE 106, 414).
17 b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht erfüllt.
18 aa) Soweit die Klägerin sich mit ihrem Feststellungsbegehren auf die beabsichtigte Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs aus erteilten Abrechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer beruft, fehlt es schon an dem erforderlichen eigenen abgabenrechtlichen Interesse. Denn sie hat als Organgesellschaft in einer bestehenden Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kein eigenes Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1 UStG aus ihren Leistungsbezügen. Vielmehr entsteht das Vorsteuerabzugsrecht ausschließlich beim Organträger (vgl. z.B. , BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868).
19 bb) Da die Klägerin als Organgesellschaft auch keine Unternehmerin i.S. des § 2 UStG ist, bestehen außerdem zwischen der Klägerin und dem beklagten FA insoweit auch keine durch Rechtsnormen geordneten Beziehungen. Das beklagte FA ist nicht für die Klägerin zuständig. Es ist vielmehr das für die Beigeladene zu 2 zuständige FA.
20 c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil in BFHE 183, 288, BStBl II 1997, 707, in dem der BFH ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine Feststellungsklage gegen dasjenige FA für zulässig erachtet hat, das für die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber den Geschäftspartnern der dortigen Klägerin zuständig war.
21 aa) Er hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ausgeführt, dass grundsätzlich für die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Rechnungserteilung mit Steuerausweis der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Er hat das Feststellungsbegehren aber ausnahmsweise deshalb für zulässig erachtet, weil eine steuerrechtliche Vorfrage, nämlich die Frage der Umsatzsteuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht eines Vorgangs, umstritten gewesen sei und dem Leistenden nicht das Risiko aufgebürdet werden könne, Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 bzw. Abs. 2 UStG 1993 zu schulden. Eine eventuelle Klage gegen die Geschäftspartnerin auf Erteilung einer Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer wäre an der Rechtsprechung der Zivilgerichte gescheitert, wonach bei zweifelhafter Steuerrechtslage die Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Steuer nur verlangt werden könne, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen habe (vgl. , BGHZ 103, 284).
22 bb) Mit diesem Sachverhalt ist der des Streitfalls nicht vergleichbar.
23 Einer eventuellen Klage der Klägerin gegen die Beigeladene zu 2 auf Erteilung von Abrechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer stünde nicht das Hindernis einer zweifelhaften steuerrechtlichen Vorfrage entgegen.
24 Denn die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Abwasserbeseitigungsleistungen stünde fest, wenn die Beigeladene zu 2 und nicht die Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin als Leistende anzusehen wäre. Wer als Leistender anzusehen ist, ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (vgl. z.B. , BFHE 198, 220, BStBl II 2003, 950, m.w.N.). Die Klärung dieser Rechtsfrage betrifft die zivilrechtliche Rechtslage.
25 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
26 Nach § 139 Abs. 4 FGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur dann erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Im Streitfall entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 zu tragen hat. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 3 sind nicht erstattungsfähig, da diese keine Sachanträge gestellt haben und daher gemäß § 135 Abs. 3 FGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt waren (vgl. , BFHE 165, 482, BStBl II 1992, 147).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 839 Nr. 5
HFR 2011 S. 659 Nr. 6
QAAAD-79988