BGH Beschluss v. - 1 StR 663/10

Strafverfahren: Verwertbarkeit von rechtmäßig erhobener und übermittelter Telekommunikationsdaten in Ansehung zwischenzeitlicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Leitsatz

Telekommunikationsdaten, die vor dem auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des im Verfahren 1 BvR 256/08 (BGBI. I 2008, 659, wiederholt und erweitert mit Beschluss vom , BGBI. I 2008, 2239 -, zuletzt wiederholt mit Beschluss vom - BGBI. 2009, 3704) rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (1 BvR 256/08 u.a., BGBI. I 2010, 272) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar .

Gesetze: § 100g StPO, § 113a TKG, § 113b TKG, Art 10 GG

Instanzenzug: Az: 19 KLs (b) 201 Js 102639/09 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Beihilfe zum Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, mit der mit Blick auf das am ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO ( u.a., NJW 2010, 833) ein Verwertungsverbot von Telekommunikationsdaten geltend gemacht wird.

I.

3Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte an zwei Einbruchdiebstählen beteiligt, bei einer der Taten hat er möglicherweise zu deren Förderung „lediglich 'Schmiere'“ gestanden. Die Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten hat die Strafkammer insbesondere aus Verbindungsdaten eines dem Angeklagten zugeordneten Mobiltelefons gewonnen, nämlich betreffend den jeweiligen Standort des Telefons sowie zu Zeitpunkt und Dauer geführter Telefongespräche und zu den daran beteiligten Anschlüssen. Die Verbindungsdaten wurden auf der Grundlage mehrerer - von der Revision nicht im Einzelnen mitgeteilter - ermittlungsrichterlicher Beschlüsse, datierend zwischen und , erhoben, die sich auf einen gegen den Angeklagten bestehenden Verdacht des schweren Bandendiebstahls (§ 244a StGB) und als Rechtsgrundlage auf §§ 113a, 113b TKG, § 100g StPO stützten. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte am Widerspruch gegen die Verwertung der gewonnenen Daten erhoben, der durch Beschluss der Strafkammer vom gleichen Tag zurückgewiesen wurde. Die Standort- und Verbindungsdaten hat das Landgericht dann am in die Hauptverhandlung eingeführt.

4Die Revision macht Folgendes geltend: Die Erhebung der zum Tatnachweis herangezogenen Daten und deren Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden erfülle zwar die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht mit einstweiligen Anordnungen vom (1 BvR 256/08) und - diese erneuernd und erweiternd - vom , , und aufgestellt habe. Aufgrund des ( u.a., NJW 2010, 833) stehe der Verwertung der Daten aber ein „grundgesetzliches Beweisverwertungsverbot“ insoweit entgegen, als die §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO für nichtig erklärt worden waren. Die erhobenen Daten hätten von den Behörden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unverzüglich gelöscht und von der Strafkammer nicht als Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen.

5II.

Die Verfahrensrüge ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

61. Die Rüge ist in der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form erhoben.

7Zwar teilt der Revisionsführer nicht die der Erhebung der Daten und deren Übermittlung zugrunde liegenden Beschlüsse mit (vgl. dazu ). Diese können jedoch keine den hier geltend gemachten Mangel begründenden Tatsachen enthalten, deren Vortrag § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO fordert. Die Revision wendet sich ausschließlich gegen die Verwertung von Verkehrsdaten aus Telekommunikationsvorgängen bezogen auf den Zeitraum nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, deren Erhebung und Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden sie nicht beanstandet. Diese Angriffsrichtung bestimmt aber den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (vgl. , NStZ 2008, 229, 230; , NStZ 2007, 161, 162; Cirener/Sander JR 2006, 300). Der Prüfung des Senats unterliegt daher nicht die Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung auf der Grundlage der dieser zugrunde liegenden Beschlüsse, so dass es auch eines Vortrags hierzu nicht bedurfte.

8Da der Angeklagte - wie die Revision auch vorgetragen hat - gegen die Verwertung der Telekommunikationsdaten Widerspruch eingelegt hat, bedarf es hier keiner Entscheidung, ob ein Angeklagter bei einer Änderung der Rechtslage nach Beweiserhebung ein sich seiner Ansicht nach daraus ergebendes Beweisverwertungsverbot durch Widerspruch geltend machen muss (vgl. , NStZ 2006, 402) oder ob das Tatgericht in einem solchen Fall - ausnahmsweise - auch ohne Widerspruch gehalten ist, die in die Hauptverhandlung einzuführenden Beweismittel auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen.

92. Die Rüge ist unbegründet.

10Die einstweilige Anordnung des im Verfahren 1 BvR 256/08 (BGBl. I 2008, 659, wiederholt und erweitert mit Beschluss vom - BGBl. I 2008, 2239 -, zuletzt wiederholt mit Beschluss vom - BGBl. I 2009, 3704) ist fortwirkende Legitimationsgrundlage für die vor dem abgeschlossene Beweiserhebung (a). Ein Beweisverwertungsverbot mit der Folge, dass die auf dieser Grundlage rechtmäßig erhobenen und an die Strafverfolgungsbehörden übermittelten Telekommunikationsdaten nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme und der Urteilsfindung gemacht werden dürften, besteht nicht (b).

11a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Rechtmäßigkeit der Beweismittelgewinnung nicht rückwirkend dadurch entfallen, dass durch das die Nichtigkeit der §§ 113a und 113b TKG (in der Fassung des Art. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom ) sowie des § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO (in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des vorbenannten Gesetzes), soweit danach Verkehrsdaten nach § 113a TKG erhoben werden dürfen, festgestellt wurde. Die einstweilige Anordnung verliert ihre staatliche Eingriffe legitimierende Kraft nicht mit der Entscheidung in der Hauptsache.

12Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt:

13„Zwar hat dieses Urteil Gesetzeskraft (BGBl. I 2010, 272); die Nichtigkeitserklärung wirkt ex tunc. Die ex tunc-Wirkung erfasst jedoch nicht die einstweilige Anordnung des die ebenfalls in Gesetzeskraft erwachsen ist (BGBl. I 2008, 659; s. auch Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge BVerfGG 29. Aufl. § 32 Rdnr. 173; Mitarbeiterkommentar-Berkemann BVerfGG 2. Aufl. § 32 Rdnrn. 359, 368 m.w.N.), so dass im Zeitraum zwischen deren Erlass und der Hauptsacheentscheidung durchgeführte Datenerhebungen jedenfalls dann gesetzlich legitimiert sind, wenn - wie vorliegend - der Verdacht einer Katalogtat im Sinn des § 100a Abs. 2 StPO gegeben war (vgl. -; -; Volkmer NStZ 2010, 318 ff.; BeckOK-Hegmann StPO Stand: § 100g Rdnr. 17a). Denn die inzwischen erfolgte Beendigung des Hauptsacheverfahrens und die rückwirkende Nichtigerklärung der betreffenden Gesetzesnormen lässt die während der Anordnungsdauer gegebene selbständige Legitimierungsfunktion der einstweiligen Anordnung unberührt. Diese teilt gerade nicht das Schicksal der rückwirkend für nichtig erklärten Normen, sondern schafft als 'normvertretendes Übergangsrecht' eine zwar befristete, aber doch endgültige Ordnung (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge a.a.O. § 32 Rdnr. 8, 190; Volkmer a.a.O.; Berkemann a.a.O. § 32 Rdnr. 396 f. m.w.N.; OLG Hamm a.a.O.). Daher haben alle Rechtsakte, die während der Geltung der einstweiligen Anordnung auf deren Grundlage durchgeführt wurden, ungeachtet des Inhalts der späteren Hauptsacheentscheidung fortdauernden rechtlichen Bestand“.

14Dem schließt sich der Senat an (vgl. ebenso [nicht tragend]; OLG Hamm, Beschlüsse vom - 3 Ws 140/10, 3 Ws 156/10 und 3 Ws 166/10; ; Marlie/Bock, ZIS 2010, 524). Das Bundesverfassungsgericht hat hier von seiner sich aus § 32 Abs. 1 BVerfGG ergebenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig zu regeln. Es hat die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich die angegriffenen Normen aber gleichwohl als verfassungswidrig erwiesen, gegen die Nachteile abgewogen, die durch eine vorläufige Nichtanwendung dieser Normen entstehen würden, und dabei festgestellt, dass einer Datenerhebung und -übermittlung unter engen Voraussetzungen der Vorrang vor der Nichterhebung einzuräumen ist (vgl. Rn. 152 ff.; Beschluss vom , Rn. 100 ff.).

15Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei den einstweiligen Anordnungen nicht darauf beschränkt, die Nichtanwendung der zur Überprüfung gestellten Normen anzuordnen, sondern hat, auf der Grundlage der Vorschrift des § 32 BVerfGG, als „Interimsnormgeber“ - im Bundesgesetzblatt veröffentlichte - Regelungen zur Übermittlung von auf der Grundlage von § 113a TKG gespeicherten Telekommunikations-Verkehrsdaten geschaffen. Damit enthalten die einstweiligen Anordnungen für die Zeit ihrer Geltung eine endgültige Regelung mit Gesetzeskraft, die nicht mit der Entscheidung in der Hauptsache rückwirkend entfällt. Aus der Funktion des Rechtsinstituts der einstweiligen Anordnung und dem mit ihr verfolgten Sicherungszweck ergibt sich, dass die auf der Grundlage und während der Geltung der erlassenen einstweiligen Anordnungen vorgenommenen Rechtsakte rechtlichen Bestand haben müssen (vgl. auch , NJW 2004, 279; , 2 BvE 7/90, NJW 1990, 3005; , NJW 1989, 3147; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht 2. Aufl. Rn. 1229), zumindest wenn es sich - wie hier hinsichtlich der Übermittlung der gespeicherten Daten an die Strafverfolgungsbehörden - um einen vor der Entscheidung in der Hauptsache abgeschlossen Vorgang handelt.

16Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst. Es hat dort (Urteil vom - 2 BvR 256/08, Ziffer 3 des Tenors) ausdrücklich angeordnet, dass die aufgrund der einstweiligen Anordnungen von Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste im Rahmen von behördlichen Auskunftsersuchen erhobenen Daten unverzüglich zu löschen sind, soweit sie nicht bereits an die ersuchenden Behörden übermittelt worden sind. Einer solchen Regelung mit Gesetzeskraft (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG) hätte es nicht bedurft, würde der auf der Grundlage der einstweiligen Anordnungen durchgeführten Datenspeicherung und -übermittlung durch die Hauptsacheentscheidung ipso iure die Rechtsgrundlage entzogen. Ein Löschungsgebot hinsichtlich bereits übermittelter Daten hat das Bundesverfassungsgericht dagegen nicht statuiert und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Ergebnisse der bereits vollzogenen Ermittlungsmaßnahmen nicht rückwirkend beseitigt werden sollen, sondern vielmehr weiter verwendet werden dürfen.

17Anderes ergibt sich - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - auch nicht aus dem Grundsatz, dass bei einer Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren auf die neue Rechtslage abzustellen ist. Denn die Änderung erfasst das Verfahren in der Lage, in der es sich bei Inkrafttreten der veränderten Rechtslage befindet. Für ein – wie hier hinsichtlich der Speicherung der Daten und deren Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden – bereits beendetes prozessuales Geschehen gilt eine Verfahrensänderung nicht (vgl. , NJW 1969, 887, OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom - 3 Ws 240/07 mwN, NStZ-RR 2007, 180).

18b) Die weitere strafprozessuale Verwendung der rechtmäßig erhobenen und übermittelten Telekommunikationsdaten ist gesetzlich erlaubt; ein selbständiges Verwertungsverbot, das dem entgegenstehen könnte, besteht nicht.

19aa) Zwar besteht der Schutz durch Art. 10 Abs. 1 GG nicht nur gegenüber dem ersten Zugriff, mit dem die öffentliche Gewalt von Telekommunikationsvorgängen und -inhalten Kenntnis nimmt. Vielmehr erstreckt sich seine Schutzwirkung auch auf den Gebrauch der erlangten Kenntnisse, also auch auf jede Auswertung oder sonstige Verwendung durch die öffentliche Gewalt ( u.a., Rn. 190 mwN; vgl. auch , NJW 2009, 791). Der mit der Einführung der erhobenen Verbindungsdaten in die Hauptverhandlung und deren Verwertung bei der Urteilsfindung verbundene Grundrechtseingriff ist jedoch rechtlich zulässig.

20Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob bereits die hier die Beweiserhebung rechtfertigende - normersetzende - einstweilige Anordnung zugleich die Rechtsgrundlage für die spätere Verwertung ist. Hierfür spricht, dass Beweise - gleich ob be- oder entlastend - nur deshalb erhoben werden (dürfen), damit sie im weiteren Verfahren Verwendung finden können. Der Zulassung der Beweiserhebung ist somit die spätere Verwertung immanent. Jedenfalls rechtfertigt der (ergänzende) Rückgriff auf die Vorschrift des § 244 Abs. 2 StPO die Verwertung rechtmäßig erlangter Beweismittel. Denn nach dieser Vorschrift ist das Gericht zur Erforschung der Wahrheit nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. , NJW 1984, 247). Das Tatgericht kann dem zentralen Anliegen des Strafprozesses, nämlich der Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann (vgl. , NStZ-RR 2004, 18), grundsätzlich nur gerecht werden, wenn es rechtmäßig erlangte Erkenntnisse seiner Entscheidung auch zugrunde legt.

21bb) Der Verwertung der von der Strafkammer herangezogenen Verbindungsdaten steht auch kein Verwertungsverbot entgegen.

22Eine - einfachrechtliche - nachträgliche Bemakelung rechtmäßig erhobener Daten kennt die Strafprozessordnung nicht (vgl. Graf in BeckOK-StPO, Stand , Edition 9, § 100a Rn. 119). Ein Verwertungsverbot kann daher nur verfassungsrechtlicher Natur sein. Ein solches ist aber nicht gegeben. Vielmehr belegt das u.a., NJW 2010, 833), dass die bis zu diesem Tag den ersuchenden Stellen übermittelten Daten als rechtmäßig gewonnene Beweismittel verwertet werden können, verfassungsrechtliche Bedenken also insoweit nicht bestehen. Indem das Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfG) anordnet, dass (nur) solche Daten unverzüglich zu löschen sind, die nicht bereits übermittelt sind, regelt es - im Umkehrschluss -, dass Einschränkungen hinsichtlich der Verwertbarkeit der bereits übermittelten Daten nicht bestehen sollen; ein Verwertungsverbot für bereits übermittelte Daten wurde gerade nicht ausgesprochen.

23Die Normierung eines Verwertungsverbots hinsichtlich der auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung rechtmäßig übermittelten Daten war vom Bundesverfassungsgericht erkennbar auch nicht gewollt (so auch ). Es hält nämlich eine anlasslose Speicherung der hier in Rede stehenden Telekommunikationsdaten nicht für schlechthin unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 GG. Vielmehr hält es verfassungsrechtlich für zulässig, dass der Gesetzgeber eine Speicherungspflicht für Verkehrsdaten für einen Zeitraum von sechs Monaten normiert und unter den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts genannten Voraussetzungen auch Zugriffsregelungen schafft. Die Maßgaben im Urteil entsprechen - von höheren Anforderungen an die Datensicherheit und erweiterten Anforderungen an die Datensicherheit abgesehen - im Wesentlichen den Vorgaben der einstweiligen Anordnung. Auch dies zeigt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die strafprozessuale Verwendung der auf der Grundlage der einstweiligen Anordnungen bereits übermittelten Daten nicht gegeben sind.

24cc) Ein Verwertungsverbot ergäbe sich selbst dann nicht, wenn man aufgrund der ex-tunc-Wirkung der Nichtigerklärung der §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO ein rückwirkendes Beweiserhebungsverbot annehmen wollte.

25Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Beweiserhebungsverbot in jedem Fall ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Vielmehr wäre bei der nach gefestigter Rechtsprechung in einem solchen Fall gebotenen Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen und dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege und effektiven Strafverfolgung (vgl. – Rn. 43 ff., NStZ 2011, 103; , NJW 2008, 3053; , NJW 2000, 3556; , NStZ 2010, 44 mwN; Nack in KK-StPO, 6. Aufl. 2008, vor § 94 Rn. 10) auch in den Blick zu nehmen, dass jedes Beweisverbot die Beweismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zur Erhärtung oder Widerlegung des Verdachts strafbarer Handlungen einschränkt und so die Findung einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung beeinträchtigt; ein Beweisverwertungsverbot stellt von Verfassungs wegen mithin eine begründungsbedürftige Ausnahme dar (vgl. , NJW 2010, 287 mwN; , wistra 2009, 425).

26Zwar begründet eine anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsdaten und folglich auch deren Verwertung einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff (BVerfG, NJW 2010, 833 ff., Rn. 212). Beweiserhebung und -verwertung greifen hier indes nicht in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ein. Der Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis kann durch die damit verfolgten Zwecke (Effektivierung der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste) gerechtfertigt sein. Art. 10 Abs. 1 GG verbietet nicht jede vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten überhaupt, sondern schützt vor einer unverhältnismäßigen Gestaltung solcher Datensammlungen und hierbei insbesondere vor einer entgrenzenden Zwecksetzung (BVerfG aaO Rn. 206 f.).

27Hier erfolgte die Datenerhebung und -verwertung in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren und war auf den Verdacht einer Straftat nach § 244a StGB gestützt, die als schwer zu qualifizieren ist. Auch beschränkte sich der Eingriff auf Standortdaten eines benutzten Mobiltelefons und den Umstand, dass gewisse Telefonate geführt wurden, obwohl sogar eine Telekommunikationsüberwachung mit Aufzeichnung der Gesprächsinhalte auf der Grundlage von § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO zulässig gewesen wäre. Schließlich wäre bei einer Gesamtabwägung auch zu berücksichtigen, dass eine Tataufklärung und ein Tatnachweis ohne die bereits erhobenen Daten - deren Erhebung zum Zeitpunkt ihrer Speicherung und Übermittlung von einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt war - nicht oder zumindest nur wesentlich erschwert möglich gewesen wären.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1377 Nr. 19
wistra 2011 S. 2 Nr. 4
wistra 2011 S. 274 Nr. 7
YAAAD-73283