Internationale Zuständigkeit für Streitigkeit aus einem grenzüberschreitenden Versendungskauf: Fehlende Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel; Abgrenzung eines Vertrages über den "Verkauf von Waren" von einem Vertrag über die "Erbringung von Dienstleistungen"
Gesetze: Art 5 Nr 1 Buchst b EGV 44/2001, Art 23 EGV 44/2001
Instanzenzug: Az: 4 U 72/07 Urteilvorgehend LG Waldshut-Tiengen Az: 3 O 29/06 KfH Urteilnachgehend Az: VIII ZR 34/09 Revision zurückgewiesen
Gründe
11. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
2Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der für den vorliegenden Fall relevanten Rechtsfragen im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO zugelassen. Dieser Zulassungsgrund besteht nicht mehr. Die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO ist nach Erlass des Berufungsurteils sowohl hinsichtlich der Abgrenzung von Kauf- und Dienstvertrag als auch hinsichtlich der Bestimmung des Lieferorts beim Versendungskauf durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom (NJW 2010, 1059 - Car Trim GmbH/Key Safety Systems Srl) geklärt und durch das im Anschluss daran zum Versendungskauf ergangene Senatsurteil vom (VIII ZR 135/08, WM 2010, 1712) auch bereits umgesetzt worden.
3Ein anderer Zulassungsgrund als der vom Berufungsgericht angegebene besteht nicht. Der Fall wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der von der Klägerin geltend gemachten Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 23 EuGVVO) auf.
42. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
5a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 23 EuGVVO) nicht zustande gekommen ist. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Wahrung des Schriftformerfordernisses bei einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 23 EuGVVO, wie das Berufungsgericht gemeint hat, stets handschriftlich unterzeichnete Willenserklärungen beider Seiten voraussetzt. Unabhängig davon ist eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung im vorliegenden Fall nicht zustande gekommen.
6Das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung auf der Grundlage des als Auftragsbestätigung bezeichneten Angebots der Klägerin vom scheitert bereits daran, dass die Beklagte dieses Angebot mit Schreiben vom (Anlage K 12) hinsichtlich der Angebotspreise beanstandet und damit abgelehnt hat. Die Ablehnung des Angebots der Klägerin erfasst auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin mit der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel.
7Es kann dahingestellt bleiben, ob das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom in Verbindung mit dem beigefügten, von der Beklagten handschriftlich korrigierten Angebot der Klägerin (Anlage K 13) seinerseits ein Angebot der Beklagten zum Abschluss des Vertrages darstellt oder lediglich eine an die Klägerin gerichtete Aufforderung zur Übersendung eines neuen Angebots mit den zutreffenden Preisen. Jedenfalls stellt das Schreiben vom kein Angebot der Beklagten zum Abschluss einer zu ihren Lasten gehenden Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin dar. Der Senat kann das Schreiben selbst auslegen, weil das Berufungsgericht insoweit eine Auslegung nicht vorgenommen hat und weitere Feststellungen dazu nicht zu erwarten sind.
8Von einer Gerichtsstandsvereinbarung ist im Schreiben vom nicht die Rede. Zwar hat die Beklagte das beigefügte, handschriftlich hinsichtlich der Preise abgeänderte Angebot der Klägerin vom , in dem auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin verwiesen wird, unterzeichnet, jedoch mit dem ausdrücklichen Zusatz, die korrigierte und unterzeichnete Auftragsbestätigung "gilt nur mit dem Schreiben vom ". In diesem Schreiben wurde das Angebot vom aber abgelehnt und eine Korrektur der Angebotspreise gefordert. Eine Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist dem Schreiben vom nicht zu entnehmen. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin mit den von ihr vorgenommenen Änderungen unterschrieben hat. Die Unterschrift der Beklagten bezieht sich ersichtlich nur auf die Urheberschaft der Beklagten hinsichtlich der von ihr angebrachten handschriftlichen Korrekturen im Angebot der Klägerin und bedeutete keine Zustimmung zu dem ursprünglichen Angebot der Klägerin und deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen; dementsprechend waren die Geschäftsbedingungen der Klägerin mit der Gerichtsstandsklausel auch weder dem Schreiben der Beklagten vom noch dem von ihr korrigierten Angebot der Klägerin beigefügt. Unter diesen Umständen kann das ablehnende Schreiben der Beklagten vom in Verbindung mit dem korrigierten Angebot der Klägerin nicht als Angebot der Beklagten zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe der Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgelegt werden.
9Auf die daraufhin von der Klägerin am erneut übersandte und entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom geänderte Auftragsbestätigung, in der die Klägerin wiederum auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nahm, reagierte die Beklagte nicht schriftlich, so dass auch das Schreiben der Klägerin vom nicht zum Abschluss einer schriftlichen Gerichtsstandsvereinbarung geführt hat.
10Da für das Projekt "Uniqua Tower" eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung nicht zustande gekommen ist, fehlt es an einer solchen auch für das nachfolgende Projekt "PSK Wien". Denn die "Rahmenvereinbarung", auf die sich die Klägerin insoweit beruft, soll sich allein aus der behaupteten Gerichtsstandsvereinbarung für das Projekt "Uniqua Tower" ergeben. Hinsichtlich des Projekts "PSK Wien" liegen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin keine schriftlichen Erklärungen der Beklagten vor, aus denen eine Gerichtsstandsvereinbarung herzuleiten wäre.
11b) Wegen Fehlens einer schriftlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des § 23 EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom (aaO) rechtsfehlerfrei angenommen, dass es sich bei dem vorliegenden Vertrag um einen "Verkauf von Waren" (Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO) und nicht um die "Erbringung von Dienstleistungen" (Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich EuGVVO) handelt und dass bei dem hier vorliegenden Versendungskauf als Lieferort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO Wien vereinbart war. Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO sind durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs überholt und damit gegenstandslos geworden.
12Entgegen der Auffassung der Revision liegt im vorliegenden Fall keine abweichende Vereinbarung im Sinne des entsprechenden Vorbehalts in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO vor. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Parteien einen Versendungskauf vereinbart haben und dass die Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht über die Vereinbarung eines Versendungskaufs hinausgehen. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Entgegen der Auffassung der Revision stellt die Vereinbarung eines Versendungskaufs gerade keine von § 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO abweichende Regelung dar, die einer Anwendung dieser Bestimmung entgegenstünde. Vielmehr fällt der Versendungskauf nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom (aaO) unmittelbar unter § 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht angenommen, dass durch die Vereinbarung von Wien als Ort, wohin die Klägerin zu liefern hatte, die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstands Wien begründet wurde.
133. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
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Fundstelle(n):
EAAAD-60499