Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen - Familienleistungen - Drittstaatsangehöriger, der in der Schweiz arbeitet und mit seinen Kindern in einem Mitgliedstaat wohnt, dessen Staatsangehörigkeit die Kinder haben
Leitsatz
1. In Fällen, in denen ein Drittstaatsangehöriger rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft arbeitet, findet auf ihn im Wohnsitzmitgliedstaat die Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, keine Anwendung, solange die Verordnung Nr. 859/2003 nicht unter den in Anhang II Abschnitt A des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am , erwähnten Gemeinschaftsrechtsakten aufgeführt ist, zu deren Anwendung sich die Vertragsparteien verpflichten. Folglich kann nicht festgestellt werden, dass der Wohnsitzmitgliedstaat auf den Arbeitnehmer und seinen Ehegatten die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung anzuwenden hat.
2. Die Art. 2, 13 und 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 sind in Bezug auf eine Drittstaatsangehörige in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht einschlägig, da für ihre Situation die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats gelten. Der Umstand allein, dass ihre Kinder Unionsbürger sind, führt nicht dazu, dass die Versagung von Familienleistungen im Wohnsitzmitgliedstaat rechtswidrig ist, wenn, wie aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervorgeht, die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Gewährung nicht erfüllt sind.
Instanzenzug: FG Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss, 3 K 1214/08 vom ,
Gründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 392, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72) und der Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 und der Verordnung Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen (ABl. L 124, S. 1), sowie des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am (ABl. 2002, L 114, S. 6; im Folgenden: Abkommen EU-Schweiz).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Xhymshiti, einer albanischen Staatsangehörigen, die rechtmäßig in Deutschland wohnt und Ehefrau eines kosovarischen Staatsangehörigen ist, der rechtmäßig in Deutschland wohnt und in der Schweiz arbeitet, und der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse Lörrach (im Folgenden: FKL) wegen deren Weigerung, für die beiden Kinder von Frau Xhymshiti, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, Kindergeld in Höhe der Differenz zwischen den schweizerischen Kinderzulagen und dem deutschen Kindergeld zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 sollen die Übertragung von Sozialleistungen zwischen Mitgliedstaaten ermöglichen, um die Freizügigkeit zu erleichtern.
Art. 2 ("Persönlicher Geltungsbereich") Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene."
In Art. 13 ("Allgemeine Regelung") der Verordnung heißt es:
"(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
..."
Art. 76 ("Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen") der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt in Abs. 1:
"Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls nach den Artikeln 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag."
Art. 10 ("Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen oder -beihilfen für Arbeitnehmer und Selbständige") der Verordnung Nr. 574/72 sieht in Abs. 1 vor:
"(1) a) Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen.
b) Wird jedoch
i) in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73 oder 74 der Verordnung geschuldet werden, von der Person, die Anspruch auf die Familienleistungen hat, oder von der Person, an die sie zu zahlen sind, in dem unter Buchstabe a) erstgenannten Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt, so ruht der Anspruch auf die allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach den genannten Artikeln geschuldeten Familienleistungen, und zwar bis zur Höhe der Familienleistungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist. Leistungen, die der Mitgliedstaat zahlt, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist, gehen zu Lasten dieses Staates;
ii) in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, von der Person, die Anspruch auf diese Leistungen hat, oder von der Person, an die sie zu zahlen sind, in dem unter Buchstabe a) erstgenannten Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt, so ruht der Anspruch auf diese Familienleistungen oder -beihilfen, die allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach diesen Artikeln geschuldet werden; in diesem Fall hat der Betreffende Anspruch auf die Familienleistungen oder -beihilfen des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Kinder wohnen, zu Lasten dieses Mitgliedstaats sowie gegebenenfalls auf nicht unter die Familienbeihilfen nach Artikel 77 oder 78 der Verordnung fallende Leistungen zu Lasten des nach diesen Artikeln zuständigen Staates."
Mit der Verordnung Nr. 859/2003 sollen die den Unionsbürgern durch die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 gewährten Rechte auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt werden.
Die Erwägungsgründe 9, 11, 12, 15 und 16 der Verordnung sehen vor:
"(9) Die Vorschriften für die Koordinierung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 sollten daher künftig auf sich rechtmäßig in der Gemeinschaft aufhaltende Drittstaatsangehörige, die derzeit aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht unter die Bestimmungen dieser Verordnungen fallen und die die anderen durch diese Verordnung vorgesehenen Bedingungen erfüllen, Anwendung finden. Diese Ausdehnung der Bestimmungen ist im Hinblick auf die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union von besonderer Bedeutung.
...
(11) Die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 finden gemäß der vorliegenden Verordnung nur Anwendung, wenn der Betreffende bereits seinen rechtmäßigen Wohnsitz im Gebiet eines Mitgliedstaats hat. Die Rechtmäßigkeit des Wohnsitzes ist somit eine Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen.
(12) Die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 finden keine Anwendung in Situationen, die mit keinem Element über die Grenze eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweist.
...
(15) Zur Erreichung dieser Ziele ist es notwendig und angemessen, den Geltungsbereich der Vorschriften für die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit durch ein verbindliches Gemeinschaftsrechtsinstrument, das unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, die sich an der Annahme dieser Verordnung beteiligt haben, anwendbar ist, auszudehnen.
(16) Die vorliegende Verordnung berührt nicht die Rechte und Pflichten aus den mit Drittstaaten geschlossenen internationalen Übereinkünften, bei denen die Gemeinschaft Vertragspartei ist und in denen Leistungen der sozialen Sicherheit vorgesehen sind."
Art. 1 der Verordnung Nr. 859/2003 lautet:
"Vorbehaltlich der Bestimmungen des Anhangs finden die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, sowie auf ihre Familienangehörigen und ihre Hinterbliebenen Anwendung, wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist."
Der Anhang zur Verordnung Nr. 859/2003, der Sonderbestimmungen im Sinne von Art. 1 betrifft, sieht für Deutschland vor, dass "[i]m Bereich der Familienleistungen ... diese Verordnung nur auf Drittstaatsangehörige Anwendung [findet], die einen im deutschen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel, wie eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung, besitzen".
Das Abkommen EU-Schweiz bestimmt in Anhang II ("Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit") Art. 1:
"(1) Die Vertragsparteien kommen überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die gemeinschaftlichen Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, in der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens geltenden Fassung einschließlich der in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Änderungen oder gleichwertige Vorschriften anzuwenden.
(2) Der Begriff 'Mitgliedstaat(en)' in den Rechtsakten, auf die in Abschnitt A dieses Anhangs Bezug genommen wird, ist außer auf die durch die betreffenden gemeinschaftlichen Rechtsakte erfassten Staaten auch auf die Schweiz anzuwenden."
Anhang II Abschnitt A nimmt sowohl auf die Verordnung Nr. 1408/71 als auch auf die Verordnung Nr. 574/72 Bezug.
Nationales Recht
§ 62 Abs. 1 des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt:
"Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer
1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat ..."
§ 65 ("Andere Leistungen für Kinder") Abs. 1 EStG sieht vor:
"Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:
...
2. Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar sind,
..."
Dem vorlegenden Gericht zufolge ist der Anspruch auf das deutsche Kindergeld nicht an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Deutschland geknüpft.
Außerdem führt das vorlegende Gericht aus, dass die schweizerischen Kinderzulagen mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar seien.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Eheleute Xhymshiti leben mit ihren beiden Kindern in Deutschland und besitzen alle beide die in dem auf Deutschland bezogenen Teil des Anhangs der Verordnung Nr. 859/2003 erwähnten Aufenthaltstitel.
Frau Xhymshiti, eine albanische Staatsangehörige, ist nicht erwerbstätig. Herr Xhymshiti, ein kosovarischer Staatsangehöriger, arbeitet in der Schweiz, wo er Beiträge zur Alters- und Hinterbliebenenversicherung zahlt. Er erhält von seinem schweizerischen Arbeitgeber für seine Kinder, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit haben, Kinderzulagen.
Seit der Geburt ihres ersten Kindes, Albion, am bezog Frau Xhymshiti sogenanntes Teilkindergeld vom deutschen Staat in Höhe der Differenz zwischen dem deutschen Kindergeld und den niedrigeren schweizerischen Kinderzulagen.
Nach der Geburt ihres zweiten Kindes, Albiona, am beantragte Frau Xhymshiti am Teilkindergeld auch für dieses Kind.
Auf diesen Antrag hin hob die FKL am die Kindergeldfestsetzung für Albion mit der Begründung auf, dass Herr Xhymshiti für dieses Kind in der Schweiz Kinderzulagen beziehe.
Am beantragte Frau Xhymshiti bei der FKL erneut Kindergeld für ihre beiden Kinder. Die FKL lehnte diesen Antrag, der am bei ihr einging, am 25. Oktober 2007 ab, ohne den Vornamen eines Kindes zu nennen. Da die Eheleute Xhymshiti aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht vom Abkommen EU-Schweiz erfasst würden, komme die Gewährung von Teilkindergeld nach den Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 nicht in Betracht.
Die FKL wies am den Einspruch von Frau Xhymshiti gegen den Ablehnungsbescheid zurück. In dieser die ursprüngliche Ablehnung bestätigenden Entscheidung führte sie aus, dass Albiona ab Juni 2007 eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung zustehe; darauf, dass diese Leistung niedriger sei als die nationalen Leistungen, komme es nicht an.
Frau Xhymshiti erhob in der Folge beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom . Sie beantragte außerdem die Zahlung des deutschen Kindergelds, soweit ihr dieses zustehe.
Da das mit der Klage befasste Finanzgericht Baden-Württemberg Zweifel an der Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 859/2003 und daraus folgend der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 auf Drittstaatsangehörige hat, die sich in einer Situation wie die Eheleute Xhymshiti befinden, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Findet in Fällen, in denen ein Drittstaatsangehöriger rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft arbeitet, auf ihn und seine drittstaatsangehörige Ehefrau im Wohnsitzmitgliedstaat die Verordnung Nr. 859/2003 Anwendung mit der Folge, dass der Wohnsitzmitgliedstaat auf den Arbeitnehmer und seine Ehefrau die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 anzuwenden hat?
2. Falls die Frage 1 verneint wird: Sind unter den in Frage 1 genannten Umständen die Art. 2, 13 und 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 so auszulegen, dass einer drittstaatsangehörigen Mutter im Wohnsitzmitgliedstaat die Gewährung von Familienleistungen aufgrund ihrer Drittstaatsangehörigkeit versagt werden darf, obwohl das betreffende Kind Unionsbürger ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 859/2003 auf Drittstaatsangehörige anwendbar ist, die sich in einer Situation wie der von Herrn Xhymshiti und seiner Frau befinden.
Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 1 der Verordnung Nr. 859/2003 ein Drittstaatsangehöriger zwei Voraussetzungen erfüllen muss, damit die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 auf ihn und seine Familienangehörigen anwendbar sind. Zum einen muss er einen rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, und zum anderen darf er sich nicht in einer Situation befinden, die mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist. Dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 859/2003, der näher auf diese zweite Voraussetzung eingeht, ist zu entnehmen, dass dies insbesondere dann der Fall wäre, wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweist.
Zur ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sowohl Herr Xhymshiti als auch seine Ehefrau in Deutschland ihren rechtmäßigen Wohnsitz haben und die Voraussetzung erfüllen, einen im Anhang der Verordnung Nr. 859/2003 erwähnten deutschen Aufenthaltstitel zu besitzen. Die erste Voraussetzung kann daher als erfüllt betrachtet werden.
Was die zweite Voraussetzung betrifft, weist, wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt und wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, die Situation von Herrn Xhymshiti kein Element der Verbindung zu mehr als einem Mitgliedstaat auf. Dass er einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgeht, ist insoweit ohne Bedeutung.
Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das vorlegende Gericht übereinstimmend ausführen, ist jedoch im Rahmen der Anwendung der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 die Schweizerische Eidgenossenschaft einem Mitgliedstaat der Union gleichzustellen.
Das ergibt sich zwingend aus Art. 1 des die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit betreffenden Anhangs II des Abkommens EU-Schweiz. Dieser Artikel verpflichtet nämlich in seinem Abs. 1 die Vertragsparteien, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die gemeinschaftlichen Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, in der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens geltenden Fassung einschließlich der in Abschnitt A des Anhangs II genannten Änderungen anzuwenden.
Außerdem ist nach Abs. 2 dieses Art. 1 der "Begriff 'Mitgliedstaat(en)' in den Rechtsakten, auf die in Abschnitt A dieses Anhangs Bezug genommen wird, ... außer auf die durch die betreffenden gemeinschaftlichen Rechtsakte erfassten Staaten auch auf die Schweiz anzuwenden".
Sowohl die Verordnung Nr. 1408/71 als auch die Verordnung Nr. 574/72 befinden sich in Abschnitt A des Anhangs II des Abkommens EU-Schweiz, der die Überschrift "Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird" trägt. Folglich erfassen die Bestimmungen dieser Verordnungen neben den Mitgliedstaaten auch die Schweizerische Eidgenossenschaft.
Allerdings gilt dies nicht für die Verordnung Nr. 859/2003, die nicht unter den Gemeinschaftsrechtsakten aufgeführt ist, zu deren Anwendung sich die Parteien des Abkommens EU-Schweiz verpflichten und die dementsprechend in Anhang II Abschnitt A des Abkommens erwähnt werden. Es steht fest, dass dieser Abschnitt A einige der Rechtsakte zur Änderung der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 aufzählt, was den Willen der Vertragsparteien bezeugt, jede Änderung dieser beiden Verordnungen in Form einer individualisierten Eintragung in Abschnitt A erscheinen zu lassen.
Wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht vorgetragen hat, ist mit der durch das betreffende Abkommen geschaffenen Regelung, da sie auf die Anwendung der dort ausdrücklich angeführten Rechtsakte begrenzt ist, keine Verweisung auf die Rechtsakte in ihrer aktualisierten Fassung beabsichtigt. Selbst wenn die Verordnung Nr. 859/2003 als bloße Änderung der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 anzusehen wäre, könnte sie folglich nicht aufgrund des Abkommens EU-Schweiz angewandt werden. Diese dem Abkommen EU-Schweiz zeitlich nachfolgende Verordnung kann daher nur infolge einer Änderung des Abkommens selbst in dieses Abkommen einbezogen werden.
Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz durch Herrn Xhymshiti ist daher kein Faktor, der dazu führt, dass seine Situation über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist. Seine Situation weist nämlich ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und einem einzigen Mitgliedstaat, der Bundesrepublik Deutschland, auf.
Da die zweite in Art. 1 der Verordnung Nr. 859/2003 aufgestellte Voraussetzung nicht erfüllt ist, findet diese Verordnung auf die Situation einer Person wie Herrn Xhymshiti demnach keine Anwendung.
Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass in Fällen, in denen ein Drittstaatsangehöriger rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft arbeitet, auf ihn im Wohnsitzmitgliedstaat die Verordnung Nr. 859/2003 keine Anwendung findet, solange diese Verordnung nicht unter den in Anhang II Abschnitt A des Abkommens EU-Schweiz erwähnten Gemeinschaftsrechtsakten aufgeführt ist, zu deren Anwendung sich die Vertragsparteien verpflichten. Folglich kann nicht festgestellt werden, dass der Wohnsitzmitgliedstaat auf den Arbeitnehmer und seinen Ehegatten die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 anzuwenden hat.
Zur zweiten Frage
Mit der zweiten Frage soll geklärt werden, ob die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 einem Wohnsitzmitgliedstaat erlauben, einer Drittstaatsangehörigen die Gewährung von Familienleistungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu versagen, obwohl ihre Kinder Unionsbürger sind.
Hierzu ist festzustellen, dass, wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, die Eheleute Xhymshiti nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 859/2003 fallen, so dass die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 ebenfalls nicht auf sie anwendbar sind. Folglich gelten für die Gewährung von Familienleistungen für ihre beiden Kinder ausschließlich die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats, also die deutschen Vorschriften.
Der Darstellung der deutschen Rechtsvorschriften in der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Voraussetzung für die Gewährung des deutschen Kindergelds ein Wohnsitz in Deutschland ist. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist Frau Xhymshiti, obwohl sie diese Voraussetzung erfüllt, gleichwohl gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit ihrem Kindergeldanspruch ausgeschlossen, da ihr Ehemann in der Schweiz vergleichbare Leistungen bezieht.
Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt und es mangels einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene Sache des Rechts des jeweiligen Mitgliedstaats ist, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit sowie ihre Höhe und die Dauer ihrer Gewährung zu bestimmen (Urteil vom , Klöppel, C-507/06, Slg. 2008, I-943, Randnr. 16).
Der Umstand allein, dass die Kinder der Eheleute Xhymshiti Unionsbürger sind, führt insoweit nicht dazu, dass die Versagung des Kindergelds in Deutschland rechtswidrig ist, wenn, wie aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervorgeht, die gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Gewährung nicht erfüllt sind.
Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 2, 13 und 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 in Bezug auf eine Drittstaatsangehörige in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht einschlägig sind, da für ihre Situation die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats gelten. Der Umstand allein, dass ihre Kinder Unionsbürger sind, führt nicht dazu, dass die Versagung von Familienleistungen im Wohnsitzmitgliedstaat rechtswidrig ist, wenn, wie aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervorgeht, die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Gewährung nicht erfüllt sind.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
1. In Fällen, in denen ein Drittstaatsangehöriger rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft arbeitet, findet auf ihn im Wohnsitzmitgliedstaat die Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, keine Anwendung, solange die Verordnung Nr. 859/2003 nicht unter den in Anhang II Abschnitt A des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am , erwähnten Gemeinschaftsrechtsakten aufgeführt ist, zu deren Anwendung sich die Vertragsparteien verpflichten. Folglich kann nicht festgestellt werden, dass der Wohnsitzmitgliedstaat auf den Arbeitnehmer und seinen Ehegatten die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung anzuwenden hat.
2. Die Art. 2, 13 und 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 sind in Bezug auf eine Drittstaatsangehörige in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht einschlägig, da für ihre Situation die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats gelten. Der Umstand allein, dass ihre Kinder Unionsbürger sind, führt nicht dazu, dass die Versagung von Familienleistungen im Wohnsitzmitgliedstaat rechtswidrig ist, wenn, wie aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervorgeht, die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Gewährung nicht erfüllt sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAD-59865