Ausschluss von Leistungen nach dem BerRehaG; Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit
Gesetze: § 4 BerRehaG
Instanzenzug: VG Chemnitz Az: 3 K 769/09 Urteil
Gründe
1Der Kläger ist in der DDR erstmals 1962 und sodann mehrfach zwischen 1971 und 1976 inhaftiert worden. Für die Verurteilungen ab 1971 wurde er jeweils strafrechtlich rehabilitiert. Seinen Antrag auf berufliche Rehabilitierung lehnte der Beklagte unter anderem deshalb ab, weil der Kläger im Zeitraum von 1963 bis 1967 als inoffizieller Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen war. Das Verwaltungsgericht hat dies bestätigt. Der Kläger habe die Identifizierung und Überwachung von Personen mit Fluchtabsichten erleichtert und über staatskritische Tendenzen in seinem Umfeld berichtet. Durch seine freiwillige Spitzeltätigkeit unter Inkaufnahme einer Drittschädigung habe er im Sinne von § 4 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
3Der Kläger rügt unter verschiedenen Gesichtspunkten, das Verwaltungsgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Es habe verkannt, dass er schon vor seiner Spitzeltätigkeit Opfer des Unterdrückungssystems der DDR geworden sei, dass er nicht freiwillig mit dem MfS zusammengearbeitet habe und dass seine Berichte ungeeignet gewesen seien, Personen zu gefährden.
41. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er schon vor seiner Spitzeltätigkeit für das MfS Opfer des Unterdrückungssystems der DDR geworden sei, bezeichnet er einen für die Entscheidung nicht erheblichen Umstand. Das hat schon das Verwaltungsgericht (UA S. 6) zu Recht hervorgehoben. Nach § 4 BerRehaG werden Leistungen nicht gewährt, wenn der Verfolgte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Eine Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit erfüllt diese Voraussetzungen im Regelfall ( BVerwG 3 PKH 16.09 - ZOV 2010, 151 m.w.N.), und zwar unabhängig vom späteren Schicksal, zumal wenn es - wie im Fall des Klägers - mit der Spitzeltätigkeit in keinem erkennbaren Zusammenhang steht.
52. Die Beschwerde bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn der Hinweis des Klägers auf die erste Verurteilung 1962 mit zur Begründung der Behauptung dienen sollte, dass seine Tätigkeit für das MfS nicht auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Eine Spitzeltätigkeit unterfällt nur dann ausnahmsweise nicht dem Ausschließungsgrund des § 4 BerRehaG, wenn die Mitarbeit durch einen nahezu unerträglichen Druck erzwungen worden war. Gemeint ist damit eine außergewöhnliche Notlage, wegen der dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des von ihm mitbewirkten Unrechts nicht zugemutet werden konnte, sich dem Ansinnen zu widersetzen (Beschluss vom a.a.O. und BVerwG 3 C 23.01 - Buchholz 428.8 § 4 BerRehaG Nr. 1). Für einen solchen Ausnahmefall legt die Beschwerde nichts dar. Was die Inhaftierung im Jahr 1962 angeht, behauptet der Kläger nicht, dass sie für die spätere Spitzeltätigkeit ursächlich war; dafür ist auch nichts ersichtlich. Die im Übrigen zur Begründung in Bezug genommenen Unterlagen sprechen eindeutig dafür, dass sich der Kläger gegenüber dem MfS verpflichtet hat, weil er sich hieraus Vorteile versprach. Damit lässt sich ausschließen, dass dem Verwaltungsgericht bei seiner Bewertung, der Kläger habe sich freiwillig zur Mitarbeit verpflichtet, ein Verstoß gegen allgemeingültige Würdigungsgrundsätze unterlaufen ist, der vom Revisionsgericht als Verfahrensmangel geprüft werden kann (dazu BVerwG 3 B 21.09 - ZOV 2010, 91 m.w.N.).
63. Schließlich ist nicht dargetan, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorliegt, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Berichte des Klägers seien konkret geeignet gewesen, Dritte einer Verfolgung auszusetzen. Die vom Kläger angeführten Umstände ergeben nicht, dass dieser Schluss schlechthin nicht gezogen werden kann. Ausweislich der vom Kläger angeführten Unterlagen ging das MfS zwar von einer teilweisen nur schleppenden Mitarbeit des Klägers aus, nicht aber von einer durchgängigen Ungeeignetheit der von ihm gelieferten Informationen. Von einer durchweg fehlenden Eignung gehen auch das Landgericht Leipzig und das Oberlandesgericht Dresden in ihren Rehabilitierungsentscheidungen nicht aus. Wenn dort angenommen wird, dass „nachteilige konkrete Maßnahmen gegen dritte Personen, die auf Grund der Tätigkeit des Antragstellers für das MfS möglich waren, nicht nachweisbar sind“, trifft das nicht den Maßstab des § 4 BerRehaG. Denn danach ist kein Nachweis erforderlich, dass die Spitzeltätigkeit tatsächlich bestimmte Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Dritten zur Folge hatte (vgl. BVerwG 3 B 32.09 - ZOV 2010, 35).
7Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstelle(n):
QAAAD-59783