Rechtsverletzungen im Internet: Urheberrechtsverstoß bei Zusammenfassung des gedanklichen Inhalts eines Schriftwerks; markenrechtliche Sittenwidrigkeit einer Zeichenbenutzung im Zusammenhang mit der Urheberrechtsverletzung – Notiz zur SZ
Gesetze: § 12 Abs 2 UrhG, § 23 S 1 UrhG, § 24 Abs 1 UrhG, § 97 UrhG, § 4 Nr 9 UWG, § 23 MarkenG
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 76/06 Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2/3 O 171/06nachgehend OLG Frankfurt Az: 11 U 76/06 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin zu 1 verlegt die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Sie ist Inhaberin der unter anderem für Druckereierzeugnisse eingetragenen Wortmarken „Süddeutsche Zeitung“ und „SZ“. Die Klägerin zu 2 vermarktet das Online-Archiv der „Süddeutschen Zeitung“, das in der „Süddeutschen Zeitung“ erschienene Beiträge enthält. Die Beklagte betreibt auf der Website „perlentaucher.de“ ein Kulturmagazin. Dort hat sie auch Zusammenfassungen (Abstracts) von Buchrezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen eingestellt. Dazu gehören Buchkritiken aus der „Süddeutschen Zeitung“, die die Beklagte unter der Überschrift „Notiz zur SZ“ in deutlich verkürzter Form wiedergibt. Die Abstracts sind von Mitarbeitern der Beklagten verfasst und enthalten besonders aussagekräftige Passagen aus den Originalrezensionen, die meist durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind. Die Beklagte hat den Internetbuchhandlungen „amazon.de“ und „buecher.de“ Lizenzen zum Abdruck dieser Zusammenfassungen erteilt. Nachfolgend sind beispielhaft eine Originalrezension („Geölte Teppiche fliegen nicht“) und die entsprechende Zusammenfassung („Notiz zur SZ vom “) wiedergegeben:
Louis de Bernières Roman „Traum aus Stein und Federn“
Gott ist bekanntlich der größte aller Geschichtenerzähler, aber wenn er sich zu einem Schläfchen zurückzieht, müssen andere diesen Part übernehmen. Das unaufhörliche Nachdrängen der Anwärter lässt darauf schließen, dass Gott vergessen hat, den Wecker zu stellen. Zum Wettbewerb “Wer schreibt das dickste und duftgeschwängertste Epos der Nachpostmoderne?“ ist nun auch der britische Schriftsteller Louis de Bernières angetreten, der vor elf Jahren mit dem vergleichsweise übersichtlichen Roman „Corellis Mandoline“ einen internationalen Bestseller landete. Das Elend der Welt und ein traumatisches Jugenderlebnis haben den ehemals tiefgläubigen Nachfahren hugenottischer Flüchtlinge zu der Überzeugung geführt, dass Gott praktisch im Koma liegt. Vorsichtiger, aber auch misstrauischer lässt er es einen der zahlreichen Erzähler in seinem neuen Monumentalwerk „Traum aus Stein und Federn“ formulieren: „Hin und wieder frage ich mich, ob Gott nicht manchmal schläft oder den Blick abwendet, ob es womöglich sogar eine göttliche Bosheit gibt.“
Iskander, der Töpfer, heißt dieser Zweifler, der außerdem Vogelstimmen in Tonflöten bannt und sich als Erfinder von Sprichwörtern betätigt. „Wer Zuflucht im Schatten der Kiefer sucht, der wird von der Taube bekackt“, lautet eine seiner Schöpfungen. Iskander ist eine von fast zweihundert Figuren (angeblich, wir haben nicht nachgezählt) in dem 670 Seiten prallen Roman über den Untergang des Osmanischen Reiches und die Entstehung der Türkischen Republik, geschildert am Beispiel einer fiktiven Kleinstadt im Südosten Anatoliens. Einen üppigen Wust von Handlungssträngen hat der Autor zu einem kleinteilig ornamentierten Teppich verknüpft, in den auch der Werdegang des Mustafa Kemal, genannt Atatürk, mit lockerer Hand hineingewoben wurde.
Kamelmilch oder Christenwein?
Leichtverdaulich nacherzählte Historie wechselt ab mit farben- und sinnenfroher Fiktion, die sich um die Schicksale von Hirten und Handwerkern, Landbesitzern und Liebesdienerinnen, Imams und Idioten, Kriegern und Kaufleuten rankt. Es sind die Auswirkungen der großen Geschichte auf die Seelen und Lebensläufe der kleinen Leute, die Bernières interessieren. Und er hat ein weltanschauliches Anliegen von zeitgemäßem Zuschnitt: Er malt das Städtchen Eskibahçe als multiethnisches und multireligiöses Idyll, das durch Eroberung, Vertreibung und ethnische Säuberungen unwiderruflich zerstört wird.
Wo vor hundert Jahren, so lässt der Autor uns imaginieren, Griechen und Türken, Christen und Muslime friedlich nebeneinander lebten, Freundschaften pflegten, einander verulkten und kleine Nachbarschaftsfehden austrugen, haben wenig später „Paschas und Potentaten“ derartige Verheerungen angerichtet, dass am Ende nur noch Eidechsen durch die Ruinen huschen. Die Liebe zwischen der sagenhaft schönen Christin Philothei und dem türkischen Ziegenhirten lbrahim nimmt ein tragisches Ende. Die Griechen werden ins Exil vertrieben, die Fröhlichkeit (sic!) der Christenmenschen, die ihre vielen Feiertage heiligen und gern mal ein Glas Wein trinken, muss dem asketischen Ernst des muslimischen Einheitsglaubens weichen. So und schlimmer noch geht es eben zu, wenn Gott schläft.
Nun lässt sich aber so viel ostentativ trauerndes Gutmenschentum eines Schriftstellers auch dann nicht leichter ertragen, wenn es in schwellende Kissen pseudo-orientalischer Fabulierfreude gebettet und von geborgten Schleiern des magischen Realismus umhüllt wird. Louis de Bernières hat seinen Teppich mit einer derartigen Überdosis von Weihrauch und Rosenwasser, Moschus und Ambra, Knoblauch und honiggesüßter Kamelmilch parfümiert und so ausgiebig in Krokodilstränen getränkt, dass er zum Fliegen zu schwer geworden ist. Der Leser spürt alsbald Neigung, sich wie betäubt neben Gott zu legen und erst einmal richtig auszuschlafen.
K. M.-Z.
An nahezu keinem Punkt ist die Rezensentin K. M.-Z. gut zu sprechen auf diesen Roman. Sie greift zum Bild vom orientalischen Teppich, um ihre Unlust ordentlich anschaulich zu machen. Das 670 Seiten Epos über ein türkisches Städtchen in der Übergangszeit vom Osmanischem Reich zur türkischen Republik sei mit seinem „Wust von Handlungssträngen“ zwar durchaus ornamental, doch die „pseudo-orientalische Fabulierfreude“ kommt der Rezensentin reichlich überparfümiert vor. Maidt-Zinke erkennt durchaus Bernières „weltanschauliches Anliegen“, mit der ehemals multiethnischen türkischen Stadt eine multikulturelle Utopie darzustellen. Doch sei sie zur „Idylle“ eines „ostentativ trauernden Gutmenschen“ geraten. Zu gut „geölt“ lautet Maidt-Zinkes Schlussstrich.
2Die Klägerinnen sehen in der Verwertung der Abstracts durch Lizenzierung an Dritte eine Verletzung der Urheberrechte an den in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Rezensionen, eine Verletzung der Rechte an den Marken „Süddeutsche Zeitung“ und „SZ“ und einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht unter den Gesichtspunkten der vermeidbaren Herkunftstäuschung, der unangemessenen Rufausnutzung und der unlauteren Behinderung.
3Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
I. in erster Linie (Hauptantrag):
unter der Überschrift „Notiz zur SZ“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „SZ“ oder „Süddeutsche Zeitung“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „Süddeutschen Zeitung“, die den Inhalt der Ursprungskritik vor allem, aber nicht nur ausschließlich durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben,
über die Internet-Webseiten Dritter, wie „amazon.de“ und „buecher.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 47, 49, 52, 54, 56, 58, 61, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „Perlentaucher-Kritiken“;
II. hilfsweise zu I:
unter der Überschrift „Notiz zur SZ“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „SZ“ oder „Süddeutsche Zeitung“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „Süddeutschen Zeitung“,
die den Inhalt der Ursprungskritik durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben, die lediglich durch Füllwörter bzw. Satzteile aneinander gereiht werden,
über die Internet-Webseiten Dritter, wie „amazon.de“ und „buecher.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 47, 49, 52, 54, 56, 58, 61, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „Perlentaucher-Kritiken“;
III. hilfsweise zu II:
unter der Überschrift „Notiz zur SZ“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „SZ“ oder „Süddeutsche Zeitung“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „Süddeutschen Zeitung“, die den Inhalt der Ursprungskritik von den Autoren K. M.-Z., G. G., S. S., M. H., St. M., F. B., K. W. durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben,
über die Internet-Webseiten Dritter, wie „amazon.de“ und „buecher.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 47, 49, 52, 54, 56, 58, 61, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „Perlentaucher-Kritiken“;
IV. hilfsweise zu III:
die in den Bl. 47, 49, 52, 54, 56, 58, 61, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „Perlentaucher-Kritiken“ über die Internet-Webseiten Dritter, wie „amazon.de“ und „buecher.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen.
4Die Klägerinnen haben die Beklagte ferner - jeweils bezogen auf die oben wiedergegebenen Unterlassungsanträge und die darin bezeichneten Handlungen - auf Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt a.M., GRUR 2008, 249). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.
Gründe
6A. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägerinnen stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht nicht zu. Dazu hat es ausgeführt:
7Ansprüche der Klägerin zu 1 aus § 97 UrhG scheiterten, weil nicht erkennbar sei, dass ihr die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Rezensionen eingeräumt worden seien. Auch der Klägerin zu 2 stünden keine Ansprüche aus § 97 UrhG zu. Die Anträge zu I, II und III gingen zu weit. Der Antrag zu IV sei unbegründet. Bei den Originalrezensionen handele es sich angesichts ihrer literarischen Qualität allerdings um urheberrechtlich geschützte Sprachwerke. Die Klägerin zu 2 sei Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Der Bestimmung des § 12 Abs. 2 UrhG sei nicht im Umkehrschluss zu entnehmen, dass nach der Veröffentlichung eines Werkes jedermann stets berechtigt sei, dessen Inhalt öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben. Die urheberrechtliche Zulässigkeit der Veröffentlichung und Verwertung der Abstracts hänge vielmehr davon ab, ob in ihnen eine freie Nutzung (§ 24 UrhG) oder eine abhängige Bearbeitung (§ 23 UrhG) der Originalrezensionen zu sehen sei. Bei den in Rede stehenden Abstracts sei (noch) von einer freien Nutzung auszugehen. Das bisweilen herangezogene Abgrenzungskriterium, wonach eine abhängige Bearbeitung dann vorliegen solle, wenn eine Ersetzung des Originals durch die Bearbeitung zu besorgen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Ein Urheberrechtsverstoß sei auch nicht unter dem Aspekt einer unzulässigen Vervielfältigung der wörtlich übernommenen Textpassagen gegeben.
8Ansprüche der Klägerin zu 2 aus § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG kämen nicht in Betracht, weil allein die Klägerin zu 1 Markeninhaberin sei und für eine Lizenzerteilung an die Klägerin zu 2 keine Anhaltspunkte bestünden. Hinsichtlich möglicher Ansprüche der Klägerin zu 1 könne offenbleiben, ob die Beklagte die Marke „SZ“ markenmäßig benutze und ob eine Verwechslungsgefahr oder eine Rufausbeutung vorliege. Die Benutzung der Marke erfolge nicht in unlauterer Weise (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) und verstoße auch nicht gegen die guten Sitten (§ 23 Nr. 2 MarkenG).
9Ansprüche der Klägerin zu 1 aus § 4 Nr. 9 oder 10 UWG scheiterten daran, dass die Klägerinnen dem Vorbringen der Beklagten, sie stehe nur zur Klägerin zu 2, nicht aber zur Klägerin zu 1 in Wettbewerb, nicht entgegengetreten sei. Auch die Klägerin zu 2 habe keine Ansprüche aus § 4 Nr. 9 UWG. Es könne dahinstehen, ob den teilweise von der Beklagten übernommenen Originalrezensionen wettbewerbliche Eigenart zukomme. Es fehle jedenfalls an den Unlauterkeitskriterien der vermeidbaren Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG), unlauteren Rufausbeutung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) oder unbilligen Behinderung.
10B. Die Revision der Klägerinnen hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht hinsichtlich des Antrags zu I zum Nachteil der Klägerinnen entschieden hat. Jedoch sind der Unterlassungsantrag zu I und die auf ihn bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - bereits unzulässig.
11Das Berufungsgericht hat angenommen, der Antrag zu I gehe zu weit. Die Klägerinnen erstrebten damit ein umfassendes Verbot auch solcher Abstracts, bei denen keine Originaltextstellen wiedergegeben würden. Ein so weitgehender Anspruch stehe den Klägerinnen schon wegen Fehlens einer Begehungsgefahr nicht zu. Die Beklagte habe bisher nur Abstracts veröffentlicht, in denen Originaltextstellen wiedergegeben worden seien und es sei nicht zu erwarten, dass sie von dieser Praxis abgehen werde.
12Die Revision der Klägerinnen rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht den Unterlassungsantrag zu I nicht zutreffend ausgelegt hat. Die Klägerinnen haben - entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung - nicht beantragt, der Beklagten „vor allem, aber nicht nur ausschließlich“ Abstracts zu verbieten, die Originaltextstellen enthalten. Die Klägerinnen erstreben mit ihrem Antrag vielmehr ein Verbot von Abstracts, die den Inhalt der Ursprungskritik „vor allem, aber nicht nur ausschließlich“ durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben. Vom Wortlaut dieses Antrags werden Abstracts, die überhaupt keine Originaltextstellen aufweisen, nicht erfasst. Auch die Bezugnahme auf die von den Klägerinnen vorgelegten Abstracts, die allesamt Originaltextstellen enthalten, zeigt, dass die Klägerinnen mit ihrem Antrag ein solches Verbot nicht erstreben.
13Der Unterlassungsantrag ist jedoch entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt. Er lässt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerinnen nicht ausreichend deutlich erkennen, was damit gemeint sein soll, dass Abstracts den Inhalt der Ursprungskritik „vor allem, aber nicht nur ausschließlich“ durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben. So ist nicht klar, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn Abstracts lediglich in qualitativer Hinsicht „vor allem“ Originaltextstellen wiedergeben, weil sie beispielsweise wenige, aber einprägsame Originaltextstellen und zahlreiche, aber nichtssagende Füllwörter oder Füllsätze enthalten. Für den Fall, dass die Wörter „vor allem“ als quantitative Angabe zu verstehen sein sollten, ist unklar, wie hoch der Anteil der Originalzitate am Abstract sein muss, damit diese Voraussetzung erfüllt ist, und ob es beispielsweise ausreicht, wenn nur wenig mehr als die Hälfte eines Abstracts aus Originaltextstellen besteht.
14Der Klageantrag wird entgegen der Ansicht der Revision auch durch den nachgeschalteten Insbesondere-Zusatz, der auf zehn Abstracts in der Anlage zum Antrag hinweist, nicht hinreichend bestimmt. Es kann nicht angenommen werden, die Klägerinnen hätten mit diesem Zusatz deutlich machen wollen, dass sie, falls sie mit dem abstrakt formulierten Verbotsantrag nicht durchdringen, jedenfalls die Unterlassung des konkret beanstandeten Verhaltens und gegebenenfalls kerngleicher Handlungen begehren (vgl. , GRUR 2008, 84 Rn. 21 = WRP 2008, 98 - Versandkosten). Da die Klägerinnen mit ihrem letzten Hilfsantrag ausdrücklich ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Verbot erstreben, ist vielmehr anzunehmen, dass sie mit dem Hauptantrag eine darüber hinausgehende Verurteilung der Beklagten erreichen wollen (vgl. , GRUR 2010, 749 Rn. 33 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswerbung im Internet).
15Die mangelnde Bestimmtheit des Unterlassungsantrags hat entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Folge, dass die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, um den Klägerinnen aus Gründen der prozessualen Fairness Gelegenheit zu einer Neufassung ihres Antrags zu geben (vgl. , GRUR 2007, 607 Rn. 18 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für „Individualverträge“). Dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht die Klägerinnen auf die Bedenken gegen die Bestimmtheit des Klageantrags hingewiesen hat und diese daraufhin unter anderem einen Hilfsantrag gestellt haben, der allein auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichtet ist.
16C. Die Revision der Klägerin zu 2 hat teilweise Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Anträge zu II, III und IV zum Nachteil der Klägerin zu 2 entschieden hat.
17I. Ansprüche aus Urheberrecht
181. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die von der Klägerin zu 2 mit den Anträgen zu II und III geltend gemachten Ansprüche unbegründet sind, soweit sie auf eine Verletzung des Urheberrechts an den Originalrezensionen gestützt sind.
19Nach Ansicht des Berufungsgerichts geht der Antrag zu II zu weit. Es sei nicht abzuschätzen, ob jede Zusammenfassung, die den Inhalt der Ursprungskritik durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergebe, die lediglich durch Füllwörter oder Satzteile aneinander gereiht seien, als unzulässige abhängige Bearbeitung zu bewerten sei. Zweifelhaft erscheine dies etwa für den Fall, dass nur zwei Originaltextstellen übernommen und durch eine Vielzahl von Füllwörter oder Satzteilen aneinander gereiht würden. Der Antrag zu III gehe gleichfalls zu weit. Ein Abstract, das etwa eine einzige Originalstelle wiedergebe, sei nicht ohne Rücksicht auf seinen Umfang und seinen Abstand gegenüber der Ursprungskritik urheberrechtlich unzulässig.
20Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung stand. Die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwertung der Abstracts hängt davon ab, ob diese als abhängige Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder als freie Benutzung (§ 24 UrhG) der Originalrezensionen anzusehen sind (dazu sogleich unter C I 2 c). Dabei kommt es darauf an, inwieweit das neue Werk mit dem benutzten Werk in Merkmalen übereinstimmt, auf denen die schöpferische Eigenart des benutzten Werkes beruht (vgl. , BGHZ 122, 53, 58 f. - Alcolix). Allein der Umstand, dass das neue Werk Originaltextstellen des benutzten Werkes enthält, die lediglich durch Füllwörter oder Satzteile aneinandergereiht sind (Antrag zu II) oder Originaltextstellen der benutzten Werke bestimmter Autoren aufweist (Antrag zu III), besagt daher nicht, dass das neue Werk eine abhängige Bearbeitung des älteren Werkes ist. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn es sich bei den übernommenen Originaltextstellen um gebräuchliche Formulierungen handelt. Soweit die Anträge zu II und III auf eine Verletzung des Urheberrechts gestützt sind, verfehlen sie daher die konkrete Verletzungsform und sind damit insgesamt unbegründet.
21Die Klägerin zu 2 hat mit dem Insbesondere-Zusatz nicht die konkrete Verletzungsform als minus zum Gegenstand der Anträge zu II und III gemacht; der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es nicht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin zu 2 die Möglichkeit einzuräumen, ihren Antrag neu zu fassen (vgl. oben unter B).
222. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag zu IV nicht zu weit geht, weil er die beanstandeten Perlentaucher-Kritiken und damit die konkrete Verletzungsform zum Gegenstand hat. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Antrag zu IV als unbegründet angesehen hat, soweit er auf eine Verletzung des Urheberrechts am gesamten Text der jeweiligen Originalrezension gestützt ist.
23a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, bei den Originalrezensionen handele es sich im Blick auf deren literarische Qualität um persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) und damit um geschützte Sprachwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG).
24b) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass der Klägerin zu 2 die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Originalrezensionen zustehen. Die Revision nimmt diese Beurteilung als für sie günstig hin. Die Klägerin zu 2 ist daher berechtigt, die von ihr behauptete Verletzung des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG) der Originalrezensionen geltend zu machen.
25c) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, bei den Abstracts handele es sich nicht um Bearbeitungen oder Umgestaltungen der Originalrezensionen, die nach § 23 Satz 1 UrhG nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden dürften; die Abstracts seien vielmehr als selbständige Werke anzusehen, die in freier Benutzung der Originalrezensionen geschaffen worden seien und die nach § 24 Abs. 1 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden dürften. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision haben Erfolg.
26aa) Die Bestimmung des § 24 UrhG ist im Streitfall anwendbar, weil es sich bei den Abstracts um Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, also um persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) handelt.
27Das Berufungsgericht hat angenommen, die schöpferische Leistung der Verfasser der Abstracts liege in der Ermittlung des Kerngehalts der Originalrezensionen und der - nicht einfachen - Komprimierung der gesamten Rezension auf diesen Kerngehalt; sie bestehe darin, auf knappstem Raum den wesentlichen Inhalt der deutlich umfangreicheren Originalrezensionen wiederzugeben. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
28bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Abgrenzung zwischen freier Benutzung (§ 24 UrhG) und abhängiger Bearbeitung (§ 23 UrhG) sei es grundsätzlich entscheidend, ob angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes verblassten. Dieses Kriterium tauge allerdings nicht durchgängig für die Abgrenzung von abhängiger Bearbeitung und freier Nutzung. So sei es etwa bei Parodien ausgeschlossen, dass die Züge des benutzten Werkes hinter denen des neuen Werkes verblassten. Der Leser solle der Parodie entnehmen, dass das parodierte Werk gemeint sei. Dies setze voraus, dass dessen Züge in der Parodie erkennbar blieben. Bei einer Zusammenfassung verhalte es sich ähnlich. Deren Zweck bestehe in der Mitteilung des Inhalts des Originalwerkes. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn dessen Inhalt in der Zusammenfassung möglichst wenig verblasse. Ebenso wie bei der Parodie komme es daher auch beim Abstract darauf an, ob dieses einen so großen inneren Abstand zum benutzten Werk einhalte, dass es als selbständig anzusehen sei. Anders als bei der Parodie könne beim Abstract insoweit aber nicht auf das Kriterium der antithematischen Bearbeitung abgestellt werden. Da ein Abstract den Zweck habe, den Inhalt des Originalwerkes möglichst genau mitzuteilen, könne dieser Abstand nur durch eine selbständige Gestaltung erreicht werden.
29Ob eine selbständige Gestaltung vorliege, hänge wesentlich von folgenden vier Kriterien ab: Der eigenständige schöpferische Gehalt des Abstracts sei umso größer, je stärker es das Originalwerk komprimiere und dabei gleichwohl dessen wesentliche Gedanken mitteile. Die Individualität des Abstracts sei umso größer, je weiter es sich vom Aufbau des Originalwerkes entferne. Es komme ferner darauf an, inwieweit das Abstract Passagen aus dem Originalwerk wörtlich oder fast wörtlich übernehme; dabei habe die wörtliche Übernahme rein beschreibender Begriffe außer Betracht zu bleiben, weil insoweit kein Gestaltungsspielraum bestehe. Schließlich sei die Wertentscheidung des Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, der nicht nur die Verbreitung eigener Meinungen, sondern auch die bloße Berichterstattung schütze.
30Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei bei den in Rede stehenden Abstracts (noch) von einer freien Nutzung auszugehen. Die Beklagte habe die oft um ein Vielfaches ausführlicheren Originalrezensionen auf etwa sechs bis neun Zeilen komprimiert. Sie habe deren Gedankengang in der Weise modifiziert, dass Passagen, die im Original weiter vorn zu finden seien, im Abstract eher am Ende der Darstellung auftauchten und umgekehrt. Die wörtliche Übernahme von Textpassagen aus den Originalrezensionen in die Abstracts habe sich auf einzelne Worte oder knappe Wortfolgen beschränkt und sei teilweise wegen deren deskriptiven Charakters kaum vermeidbar gewesen. Der Verfasser des Abstracts müsse eine möglichst hohe inhaltliche Authentizität anstreben und sei darin durch Art. 5 Abs.1 GG geschützt.
31Das Berufungsgericht hat sodann am Beispiel von drei Abstracts, die nach seinen Feststellungen besonders weitgehende Übereinstimmungen mit den Originalrezensionen aufweisen (darunter die oben im Tatbestand wiedergegebene Zusammenfassung der Originalrezension „Geölte Teppiche fliegen nicht“), dargelegt, dass unter Berücksichtigung der von ihm aufgestellten Kriterien eine freie Nutzung vorliege. Die übrigen sieben Abstracts sind nach Auffassung des Berufungsgerichts erst recht als freie Nutzung zu werten, weil deren Übereinstimmungen mit den Originalrezensionen weniger weitreichend sind.
32Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Beurteilung, ob ein Abstract als abhängige Bearbeitung oder freie Benutzung eines Originalwerkes anzusehen ist, nicht die herkömmlichen, sondern besondere Maßstäbe gelten (dazu 1). Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung, bei den in Rede stehenden Abstracts sei von einer freien Nutzung der Originalrezensionen auszugehen, zudem unvollständige Feststellungen zugrunde gelegt (dazu 2).
33(1) Bei der Frage, ob in freier Benutzung eines geschützten älteren Werkes ein selbständiges neues Werk geschaffen worden ist, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Eine freie Benutzung setzt - wie das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen hat - voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix; , BGHZ 141, 267, 280 - Laras Tochter, mwN). In der Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix; BGHZ 141, 267, 280 - Laras Tochter; , BGHZ 154, 260, 267 - Gies-Adler, mwN).
34Der für eine freie Benutzung erforderliche Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes kann - selbst bei deutlichen Übernahmen - aber auch gegeben sein, wenn das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werkes einen so großen inneren Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist. Auch in einem solchen Fall kann - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - davon gesprochen werden, dass die entlehnten individuellen Züge des älteren Werkes im neueren Werk „verblassen“ (BGHZ 122, 53, 60 f. - Alcolix; BGHZ 141, 267, 280 f. - Laras Tochter; BGHZ 154, 260, 268 - Gies-Adler). Auf den inneren Abstand kommt es vor allem bei Fallgestaltungen an, in denen eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem älteren Werk es erfordert, dass dieses und seine Eigenheiten, soweit sie Gegenstand der Auseinandersetzung sind, im neuen Werk erkennbar bleiben. Die häufigste Fallgestaltung dieser Art ist die Parodie. Bei ihr kommt der innere Abstand in einer antithematischen Behandlung zum Ausdruck (vgl. BGHZ 122, 53, 60 f. - Alcolix; BGHZ 141, 267, 281 - Laras Tochter; BGHZ 154, 260, 268 - Gies-Adler).
35Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, bei einem Abstract komme es ähnlich wie bei einer Parodie darauf an, ob dieses einen so großen inneren Abstand zum benutzten Werk einhält, dass es als selbständig anzusehen ist. Der Zweck eines Abstracts besteht zwar in der Mitteilung des Inhalts der Originalrezension. Ein Abstract muss den Inhalt der Originalrezension aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zwangsläufig in einer Weise mitteilen, dass die Eigenheiten der Originalrezension erkennbar bleiben.
36Die urheberrechtlich geschützte, schöpferische Eigenart einer Buchrezension liegt in aller Regel nicht in ihrem Inhalt, sondern in ihrer Form und insbesondere in ihren Formulierungen. Bei einem Schriftwerk kann die urheberrechtlich geschützte, individuelle geistige Schöpfung sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen (, BGHZ 134, 250, 254 f. - CB-infobank I; Urteil vom - I ZR 199/96, BGHZ 141, 329, 333 f. - Tele-Info-CD). Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerkes dagegen allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nicht in Betracht ( GRUR 2002, 958, 959 = WRP 2002, 1177 - Technische Lieferbedingungen). Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 59 und 84). Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist daher urheberrechtlich grundsätzlich nicht geschützt (Schricker/Loewenheim aaO § 24 UrhG Rn. 19; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 24 Rn. 22, jeweils mwN). Anders kann es sich verhalten, wenn diese Idee eine individuelle Gestalt angenommen hat, wie dies beispielsweise bei der eigenschöpferischen Gestaltung eines Romanstoffs der Fall ist. Dann kann die auf der individuellen Phantasie des Dichters beruhende Fabel wie etwa der Gang der Handlung, die Charakteristik der Personen oder die Ausgestaltung von Szenen urheberrechtlich geschützt sein (BGHZ 141, 267, 279 - Laras Tochter). Eine Buchrezension enthält jedoch keine solche Fabel, sondern erschöpft sich regelmäßig in einer Darstellung und Beurteilung des besprochenen Werkes.
37Es ist nach der Lebenserfahrung ohne Weiteres möglich, den gedanklichen Inhalt eines Schriftwerks - und so auch den Inhalt einer Buchrezension - in eigenen Worten zusammenzufassen. Genießt das Schriftwerk - wie in aller Regel eine Buchrezension - allein aufgrund seiner sprachlichen Gestaltung Urheberrechtsschutz, so stellt eine solche Zusammenfassung grundsätzlich eine urheberrechtlich unbedenkliche freie Benutzung dieses Schriftwerks im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG dar (vgl. , GRUR 1981, 352, 354 und 355 - Staatsexamensarbeit). Enthält eine solche Zusammenfassung auch Formulierungen, auf denen die schöpferische Eigenart des Schriftwerks beruht, ist zu prüfen, ob eine abhängige Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt. Für diese Prüfung, die in erster Linie eine tatrichterliche Aufgabe ist, bedarf es keiner besonderen Maßstäbe, sondern gelten die hergebrachten Grundsätze. Danach kommt es darauf an, ob die Zusammenfassung trotz dieser Übereinstimmungen in der Gesamtschau einen so großen äußeren Abstand zum Schriftwerk einhält, dass sie als ein selbständiges neues Werk anzusehen ist (vgl. BGHZ 122, 53, 58 f. - Alcolix; , GRUR 2004, 855, 857 = WRP 2004, 1293 - Hundefigur).
38(2) Die Revision der Klägerin zu 2 rügt mit Erfolg, dass die Feststellungen, auf denen die Beurteilung des Berufungsgerichts beruht, bei den in Rede stehenden Abstracts sei von einer freien Nutzung der Originalrezensionen auszugehen, unvollständig sind.
39Die Feststellung des Berufungsgerichts, die wörtliche Übernahme von Textpassagen aus den Originalrezensionen in die Abstracts habe sich auf einzelne Wörter oder knappe Wortfolgen beschränkt, ist zwar insofern richtig, als die wörtlich übernommenen Stellen nur einen kleinen Teilausschnitt der jeweiligen Originalrezension darstellen. Das Berufungsgericht hätte jedoch auch berücksichtigen müssen, welchen Anteil die übernommenen Stellen an den Abstracts haben. Aus der von den Klägerinnen vorgelegten Gegenüberstellung von Abstracts und Originalrezensionen geht hervor, dass viele Abstracts zu einem großen oder sogar zum größten Teil aus wörtlich übernommenen Originaltextstellen bestehen. Auch wenn die wörtlichen Übernahmen, wie das Berufungsgerichts angenommen hat, wegen des deskriptiven Charakters von Textpassagen teilweise kaum vermeidbar gewesen sein mögen, haben zahlreiche Abstracts in erheblichem Umfang gerade die besonders aussagekräftigen und originell formulierten Wendungen der Originalkritiken übernommen.
40So besteht die Zusammenfassung der Rezension „Geölte Teppiche fliegen nicht“ zum größten Teil aus Formulierungen, die aus der Originalrezension übernommen worden sind. Von diesen Formulierungen mag der Hinweis, bei dem Roman handele es sich um ein „670 Seiten Epos über ein türkisches Städtchen in der Übergangszeit vom Osmanischen Reich zur Türkischen Republik“, der sich eng an die Formulierung der Rezension anlehnt, es handele sich um einen „670 Seiten prallen Roman über den Untergang des Osmanischen Reiches und die Entstehung der Türkischen Republik“, beschreibend sein. Die Formulierung, der Buchautor habe das Anliegen, „mit der ehemals multiethnischen türkischen Stadt eine multikulturelle Utopie darzustellen“, die - wenn auch nicht wörtlich - auf die Formulierung der Rezension zurückgeht, der Buchautor male „das Städtchen Eskibahçe als multiethnisches und multireligiöses Idyll“, ist dagegen weder rein beschreibend noch vollkommen gebräuchlich. Auch bei den Wörtern „ornamental“, „überparfümiert“ und „geölt“, mit denen die in der Rezension gebrauchten Wendungen „ornamentiert“, „mit einer Überdosis […] parfümiert“ und „geölte Teppiche“ aufgegriffen werden, handelt es sich um Formulierungen, die in dem jeweiligen Zusammenhang ungewöhnlich und daher originell sind. Darüber hinaus übernimmt die Zusammenfassung aus der Rezension wörtlich die einprägsamen Formulierungen „Wust von Handlungssträngen“, „pseudo-orientalische Fabulierfreude“, „weltanschauliches Anliegen“ und „ostentativ trauernde Gutmenschen“.
41Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die oft um ein Vielfaches ausführlicheren Originalrezensionen auf etwa sechs bis neun Zeilen komprimiert, berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Abstracts die Originalrezensionen oft nicht in eigenen Worten zusammenfassen, sondern schlicht dadurch verkürzen, dass sie einerseits ganze Abschnitte und Sätze der Originalrezensionen weglassen (vorwiegend solche, die den Inhalt des rezensierten Werkes wiedergeben) und andererseits besonders aussagekräftige und markante Formulierungen wörtlich stehenlassen (überwiegend solche, die eine Bewertung des besprochenen Buches enthalten). Allein die Auswahl der Textstellen für die Zusammenfassungen ist mit Blick auf den geringen Umfang der Originalrezensionen von nur etwa einer DIN-A4 Seite jedenfalls nicht als eine erhebliche schöpferische Leistung anzusehen.
42Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, die Beklagte habe den Gedankengang der Originalrezensionen in der Weise modifiziert, dass Passagen, die im Original weiter vorne zu finden seien, im Abstract eher am Ende der Darstellung auftauchten und umgekehrt, ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass der abweichende Aufbau den Abstracts eine schöpferische Eigenart verleiht, gegenüber der die schöpferische Eigenart der Originalrezensionen zurücktritt (vgl. BGH, GRUR 1981, 352, 354 - Staatsexamensarbeit). Davon abgesehen sind bei einigen Abstracts die aus den Originalrezensionen übernommenen Stellen in der ursprünglichen Reihenfolge aufgeführt. So folgt auch die Zusammenfassung der Rezension „Geölte Teppiche fliegen nicht“ weitgehend dem Gedankengang der Vorlage.
43cc) Das Berufungsgericht hat angenommen, das für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Bearbeitung und einer freien Benutzung bisweilen herangezogene Abgrenzungskriterium, wonach eine abhängige Bearbeitung vorliege, wenn eine Ersetzung des Originals durch die Bearbeitung zu besorgen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Daher könne die Frage, inwieweit dieses Kriterium eine Stütze im Gesetz finde, offenbleiben.
44Die Revision der Klägerin zu 2 rügt ohne Erfolg, die in Rede stehenden Abstracts seien entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes dazu geeignet und bestimmt, die Lektüre der Originalrezensionen zu ersetzen. Sie seien daher nicht als freie Benutzungen im Sinne von § 24 UrhG, sondern als abhängige Bearbeitungen im Sinne von § 23 UrhG einzustufen.
45Für die Beurteilung, ob eine abhängige Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das neue Werk dazu geeignet oder bestimmt ist, das ältere Werk zu ersetzen. Dieses Kriterium besagt nichts über die schöpferische Selbständigkeit des neuen Werkes gegenüber dem älteren Werk, die nach der gesetzlichen Regelung für die Abgrenzung zwischen abhängiger Bearbeitung und freier Benutzung allein maßgeblich ist (vgl. Berger/Büchner, K&R 2007, 151, 153 f.; aA OLG Frankfurt, ZUM-RD 1998, 561, 562; Pohl, Abstracts und andere Inhaltsmitteilungen im Urheberrecht, 2006, S. 205 und 221). Das Kriterium der Ersetzung wird in Rechtsprechung und Schrifttum daher auch ganz überwiegend nicht zur Abgrenzung zwischen abhängiger Bearbeitung und freier Nutzung, sondern zur Abgrenzung zwischen einer zulässigen und einer unzulässigen Inhaltsangabe herangezogen (dazu sogleich unter C I 2 d).
46d) Soweit Abstracts als abhängige Bearbeitungen von Originalrezensionen anzusehen sind, lässt sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, auch aus § 12 Abs. 2 UrhG nicht das Recht herleiten, diese Abstracts ohne Zustimmung der Urheber zu verwerten. Nach dieser Bestimmung ist es dem Urheber vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist.
47Teilweise wird angenommen, aus § 12 Abs. 2 UrhG ergebe sich im Umkehrschluss, dass jedermann berechtigt sei, den Inhalt des Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, wenn das Werk selbst oder der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht sei. Diese Berechtigung bestehe grundsätzlich auch dann, wenn es sich bei der Inhaltsmitteilung oder Inhaltsbeschreibung um eine Bearbeitung oder Umgestaltung des Werkes (§ 23 Satz 1 UrhG) handele. In einem solchen Fall dürfe der Inhalt des Werkes allerdings nur dann ohne Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes öffentlich mitgeteilt oder beschrieben werden, wenn dies der Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Inhalt des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes diene und die unmittelbare Kenntnisnahme des Werkes durch Lesen, Anhören oder Betrachten nicht ersetze (vgl. Schricker/Dietz aaO § 12 UrhG Rn. 29; Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 12 UrhG Rn. 13; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 213; Rehbinder, Urheberrecht, 16. Aufl., Rn. 511; Goose, GRUR 1973, 4, 7; Hackemann, GRUR 1982, 262, 267 f.; Erdmann in Festschrift für Tilmann, 2003, S. 21, 30 ff.; Müsse, Das Urheberpersönlichkeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Veröffentlichung und der Inhaltsmitteilung, 1999, S. 141; vgl. auch Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl., § 12 UrhG Rn. 25; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 12 UrhG Rn. 21).
48Nach anderer Ansicht, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, darf auch die Mitteilung oder Beschreibung des Inhalts eines Werkes, das mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht ist, jedenfalls dann nicht ohne Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden, wenn diese Inhaltsmitteilung oder Inhaltsbeschreibung eine Bearbeitung oder Umgestaltung des Werkes (§ 23 Satz 1 UrhG) darstellt (LG Hamburg, GRUR-RR 2004, 65, 69; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 12 Rn. 24; Bullinger in Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 12 UrhG Rn. 22; Ullmann, jurisPR-WettbR 4/2008 Anm. 2).
49Der Senat teilt die letztgenannte Ansicht. Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 UrhG regelt einen zusätzlichen Schutz des Urhebers vor der Veröffentlichung seines Werkes, nicht aber eine Beschränkung seiner Rechte nach der Veröffentlichung; was nach der Veröffentlichung zulässig ist, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, darunter den Bestimmungen der §§ 23, 24 UrhG (LG Hamburg, GRUR-RR 2004, 65, 69; vgl. auch Pohl aaO S. 186 ff.).
50Ohne die Regelung des § 12 Abs. 2 UrhG wären zwar bloße Inhaltsangaben - also solche, die das Urheberrecht nicht verletzen - urheberrechtlich zulässig (Erdmann aaO S. 21, 31). Daraus folgt aber nur, dass § 12 Abs. 2 UrhG den Schutz des Urhebers vor der Veröffentlichung seines Werkes erweitert. Eine Einschränkung der Rechte des Urhebers nach der Veröffentlichung seines Werkes lässt sich hieraus nicht - auch nicht im Umkehrschluss - herleiten. Für die Zeit nach der Veröffentlichung eines Werkes gelten vielmehr auch für Inhaltsangaben die allgemeinen Regeln. Soweit eine Inhaltsangabe zugleich als Bearbeitung oder Umgestaltung des Werkes anzusehen ist, ist ihre Veröffentlichung oder Verwertung nach § 23 Satz 1 UrhG daher nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes zulässig.
51Es kann nicht angenommen werden, dass die Anwendung der allgemeinen Regeln es in den meisten Fällen nicht erlauben würde, kurze Zusammenfassungen fremder Werke zu verfassen, ohne die die Informationsflut nicht zu bewältigen wäre (Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 12 UrhG Rn. 13). Dem Verfasser der Zusammenfassung eines Schriftwerkes ist es im Allgemeinen möglich, einen ausreichenden Abstand zum Originalwerk zu wahren. Ihm steht grundsätzlich die ganze Bandbreite sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, so dass er das fremde Schriftwerk zumeist in eigenen Worten zusammenfassen kann. An der Übernahme von Formulierungen, die in dem in Rede stehenden Gebiet gebräuchlich sind, ist er nicht gehindert (vgl. BGH, GRUR 1981, 352, 353 - Staatsexamensarbeit). Die Wiedergabe des gedanklichen Inhalts des Originalwerkes steht ihm frei (vgl. oben unter C I 2 b cc [1]).
523. Die Revision der Klägerin zu 2 rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht den Antrag zu IV als unbegründet angesehen hat, soweit er auf eine Verletzung des Urheberrechts an einzelnen Wörtern und Wortfolgen der jeweiligen Originalrezension gestützt ist.
53Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Urheberrechtsverstoß sei auch nicht unter dem Aspekt der unzulässigen Vervielfältigung der wörtlich übernommenen Textpassagen gegeben. Die zum Teil aus nur einem Wort, zum Teil aus einer Folge mehrerer Wörter bestehenden Textpassagen stellten keine dem Urheberschutz zugänglichen Sprachwerke dar. Wollte man das anders sehen, könnten knappe und knappste Wortfolgen, die aus mitunter nur zwei bis drei Begriffen bestünden, monopolisiert werden. Jeder Autor müsste gewärtigen, bei Verwendung dieser Wortfolgen auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Im Übrigen seien Zitate derartiger Wortfolgen durch das Zitatrecht des § 51 Nr. 2 UrhG gedeckt. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.
54Zwar können auch kleine Teile eines Werkes Urheberrechtsschutz genießen, sofern sie für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG darstellen (, GRUR 2009, 1046 Rn. 43 = WRP 2009, 1404 - Kranhäuser, mwN). Unter dieser Voraussetzung kann auch kleinen Teilen eines Sprachwerkes urheberrechtlicher Schutz zukommen (vgl. zu Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ferner , Slg. 2009, I-6569 = GRUR 2009, 1041 Rn. 30-51 und insbesondere Rn. 44-48 - Infopaq International A/S/Danske Dagblades Forening; dazu Schulze, GRUR 2009, 1019). Allerdings wird bei sehr kleinen Teilen eines Sprachwerkes - wie einzelnen Wörtern oder knappen Wortfolgen - Urheberrechtsschutz meist daran scheitern, dass diese für sich genommen nicht hinreichend individuell sind (vgl. , BGHZ 9, 262, 266, 267 f. - Lied der Wildbahn I; Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rn. 68; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 2 Rn. 76 f.).
55Nach diesen Maßstäben ist es entgegen der Ansicht der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einzelnen Wörtern und Wortfolgen in den Originalrezensionen für sich genommen nicht als urheberrechtlich geschützt angesehen hat.
56II. Markenrechtliche Ansprüche
57Die von der Klägerin zu 2 mit den Anträgen zu II, III und IV geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, soweit sie auf eine Verletzung von Markenrechten gestützt sind.
58Die Revision der Klägerin zu 2 nimmt die Beurteilung des Berufungsgerichts hin, Ansprüche der Klägerin zu 2 aus § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG kämen nicht in Betracht, weil allein die Klägerin zu 1 Markeninhaberin sei und für eine Lizenzerteilung an die Klägerin zu 2 keine Anhaltspunkte bestünden.
59III. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche
601. Die von der Klägerin zu 2 mit den Anträgen zu II, III und IV erhobenen Ansprüche sind unbegründet, soweit sie auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 9 UWG) gestützt sind.
61Nach Ansicht des Berufungsgerichts fällt der Beklagten keine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) zur Last. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus. Die Beklagte weise bei ihren Abstracts darauf hin, dass es sich um eine „Notiz zur SZ“ handele und versehe ihre Abstracts mit dem Copyright-Vermerk „Perlentaucher Medien-GmbH“. Der durchschnittlich informierte Internetnutzer könne daher nicht auf den Gedanken kommen, das Abstract sei mit der Originalrezension in der „SZ“ identisch. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr erscheine ausgeschlossen. Der mit den Besonderheiten des Internet hinlänglich vertraute, durchschnittlich aufgeklärte und aufmerksame Nutzer wisse, dass es im Internet eine Vielzahl von Informationsdiensten gebe, die Presseerzeugnisse auswerteten, und dass diese Dienste mit den Presseunternehmen, deren Erzeugnisse ausgewertet würden, weder identisch noch wirtschaftlich verflochten seien. Eine unlautere Rufausbeutung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) sei gleichfalls nicht gegeben. Möglicherweise nutze die Beklagte durch den Hinweis, dass die Abstracts auf der Grundlage von SZ-Originalrezensionen erstellt seien, die Wertschätzung der Originalrezensionen aus. Dies sei jedoch nicht unangemessen im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG, weil die Beklagte nach § 24 UrhG befugt sei, ihre Abstracts als selbständige Werke ohne Zustimmung der Klägerin zu 2 zu verwerten. Aus demselben Grund liege keine den geschriebenen Tatbeständen des § 4 Nr. 9 UWG gleichzustellende unbillige Behinderung vor. Diese Beurteilung hält im Ergebnis einer Nachprüfung stand.
62Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus Urheberrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb der Sonderschutztatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegen (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 156, 1, 17 - Paperboy, mwN). Die Klägerin zu 2 begründet ihre wettbewerbsrechtlichen Ansprüche damit, dass die Zusammenfassungen zu einer vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über deren betriebliche Herkunft führten, die Wertschätzung der Originalrezensionen unangemessen ausnutzten und die Verwertung der Originalrezensionen behinderten. Sie macht damit Begleitumstände geltend, die nicht in den Schutzbereich des Urheberrechts fallen.
63Durch die Bestimmung des § 4 Nr. 9 UWG ist der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz lediglich gesetzlich geregelt, nicht aber inhaltlich geändert worden, so dass die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze weiterhin gelten (, GRUR 2010, 80 Rn. 20 = WRP 2010, 94 - LIKEaBIKE, mwN). Danach kann das Angebot eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen (BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 21- LIKEaBIKE, mwN). So verhält es sich, wenn die Nachahmung zu einer vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft führt (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG), die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) oder Mitbewerber unlauter behindert (vgl. dazu , GRUR 2007, 795 Rn. 50 = WRP 2007, 1076 - Handtaschen, mwN).
64Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz scheitern im Streitfall bereits daran, dass die Originalrezensionen keine wettbewerbliche Eigenart haben. Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. nur GRUR 2008, 1115 Rn. 20 = WRP 2008, 1510 - ICON; GRUR 2010, 80 Rn. 22 - LIKEaBIKE). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt und die Klägerinnen haben auch nicht behauptet, dass die interessierten Verkehrskreise an der konkreten Ausgestaltung oder bestimmten Merkmalen der Originalrezensionen erkennen können, dass diese aus der Süddeutschen Zeitung stammen. Desgleichen ist nicht ersichtlich, dass die Originalrezensionen - ungeachtet ihrer journalistisch-literarischen Qualität - Besonderheiten aufweisen, die ihnen wettbewerbliche Eigenart verleihen könnten.
652. Soweit die Klägerin zu 2 die mit den Anträgen zu II, III und IV geltend gemachten Ansprüche auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) gestützt hat, können diese Ansprüche nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
66Das Berufungsgericht hat angenommen, eine unlautere Behinderung sei nicht gegeben, weil die Beklagte nach § 24 UrhG befugt sei, ihre Abstracts als selbständige Werke ohne Zustimmung der Klägerin zu 2 zu verwerten. Diese Beurteilung beruht auf der nicht hinreichend begründeten Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nach § 24 UrhG befugt, ihre Abstracts als selbständige Werke ohne Zustimmung der Klägerin zu 2 zu verwerten (vgl. oben unter C I 2 c). Zu der Frage, ob die Abstracts - wie die Klägerinnen geltend machen - objektiv dazu bestimmt und geeignet sind, den Bezug der Originalrezensionen überflüssig zu machen, weil sie bereits die notwendige Entscheidungshilfe für oder gegen den Kauf des Buches geben, oder ob sie - wie die Beklagte einwendet - die Verwertung der Originalrezensionen sogar fördern, weil sie zu deren Lektüre ermuntern, hat das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine abschließenden Feststellungen getroffen.
67D. Die Revision der Klägerin zu 1 hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Abweisung ihrer Klage mit den Anträgen zu II, III und IV bestätigt hat.
68I. Urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche
69Die Anträge zu II, III und IV sind unbegründet, soweit sie auf eine Verletzung des Urheberrechts und Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gestützt sind.
70Die Revision der Klägerin zu 1 hat die Beurteilung des Berufungsgerichts hingenommen, Ansprüche aus § 97 UrhG scheiterten, weil nicht erkennbar sei, dass der Klägerin zu 1 die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Rezensionen eingeräumt worden seien; Ansprüche aus § 4 Nr. 9 oder 10 UWG schieden aus, weil die Klägerinnen dem Vorbringen der Beklagten, sie stehe nur zur Klägerin zu 2, nicht aber zur Klägerin zu 1 in Wettbewerb, nicht entgegengetreten seien.
71II. Markenrechtliche Ansprüche
72Die Anträge zu II, III und IV sind ferner unbegründet, soweit sie auf eine Verletzung der zugunsten der Klägerin zu 1 unter anderem für Druckereierzeugnisse eingetragenen Marken „Süddeutsche Zeitung“ und „SZ“ gestützt sind.
73Das Berufungsgericht hat hinsichtlich möglicher Ansprüche der Klägerin zu 1 aus § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG offengelassen, ob die Beklagte die Marke „SZ“ markenmäßig benutzt und ob eine Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) oder eine Rufausbeutung (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) vorliegt. Die Benutzung der Marke erfolge jedenfalls nicht in unlauterer Weise (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) und verstoße auch nicht gegen die guten Sitten (§ 23 Nr. 2 MarkenG). Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung stand.
74Nach der Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG, die Art. 6 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL umsetzt, hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale von Dienstleistungen, wie insbesondere ihre Art oder ihre Beschaffenheit, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Anwendung dieser Bestimmung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn beim angegriffenen Zeichen die Voraussetzungen einer markenmäßigen Verwendung vorliegen. Im Rahmen dieser Regelung kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob derjenige, der das fremde Zeichen beschreibend benutzt, auf diese Benutzung angewiesen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das angegriffene Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften der Dienstleistungen verwendet wird und die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht (Art. 6 MarkenRL) oder - mit den damit inhaltlich übereinstimmenden Worten des § 23 MarkenG - nicht gegen die guten Sitten verstößt (, BGHZ 181, 77 Rn. 27 - DAX, mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
75Die Beklagte weist mit der Angabe „Notiz zur SZ“ darauf hin, dass ihre Zusammenfassungen in der „SZ“ erschienene Originalrezensionen zum Gegenstand haben. Sie benutzt das Zeichen „SZ“ damit als Angabe über ein Merkmal ihrer Dienstleistung im Sinne von § 23 Nr. 2 MarkenG (vgl. , GRUR 2008, 798 Rn. 19 = WRP 2008, 1202 - POST I; vgl. zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL , Slg. 2007, I-1017 = GRUR 2007, 318 Rn. 43 f. = WRP 2007, 299 - Adam Opel/Autec). Diese Benutzung des Zeichens verstößt - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - auch dann nicht gegen die guten Sitten, wenn die Zusammenfassungen das Urheberrecht an den Originalrezensionen verletzten. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Zeichenbenutzung erfordert zwar eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (BGH, GRUR 2008, 798 Rn. 21 - POST I; BGHZ 181, 77 Rn. 29 - DAX, mwN). Für die Beurteilung, ob die Benutzung eines Zeichens gegen die guten Sitten verstößt, ist es jedoch nicht relevant, ob die Zeichenbenutzung im Zusammenhang mit einer Urheberrechtsverletzung steht.
76Die Verwendung des Zeichens „SZ“ erfolgt auch nicht in unlauterer Weise im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Insoweit gelten dieselben Erwägungen, die der Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne von § 23 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen (vgl. BGH, GRUR 2008, 798 Rn. 26 - POST I, mwN).
77E. Danach ist auf die Revision der Klägerin zu 2 das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des auf eine Verletzung des Urheberrechts an den Originalrezensionen gestützten Antrags zu IV und hinsichtlich des auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht unter dem Gesichtspunkt der gezielten Behinderung gestützten Anträge zu II, III und IV zum Nachteil der Klägerin zu 2 erkannt hat. Die Revision der Klägerin zu 1 ist zurückzuweisen.
78Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist.
79Soweit der Antrag zu IV auf eine Verletzung des Urheberrechts an den Originalrezensionen gestützt ist, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob es sich bei den in Rede stehenden Abstracts um Bearbeitungen oder Umgestaltungen der Originalrezensionen handelt, die nach § 23 Satz 1 UrhG nicht ohne Zustimmung der Urheber der Originalrezensionen veröffentlicht und verwertet werden dürfen. Diese Beurteilung kann bei den verschiedenen Abstracts zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da sich diese Frage nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalls beantworten lässt.
Bornkamm Bergmann Pokrant
Schaffert Koch
Fundstelle(n):
MAAAD-59407