BGH Urteil v. - VI ZR 123/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Köln, 7 U 188/08 vom LG Köln, 22 O 507/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.

Der Kläger beteiligte sich mit Angebot vom , das am angenommen wurde, über die als Treuhandkommanditistin fungierende G. Beteiligungs Treuhand GmbH (nachfolgend: G.) an der im Jahr 2003 gegründeten MSF AG & Co. KG (nachfolgend: MSF). Allein vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafterin der MSF war die DPM AG (DPM), die zugleich die G. bei Abschluss der Treuhandverträge vertrat. Geschäftsführer der G. - und alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ihrer Alleingesellschafterin - war der Beklagte.

Wegen der Befürchtung der MSF, dass ihr Anlagekonzept ein erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG sein könne, wurden am auf einer Gesellschafterversammlung, an der auch der Beklagte als Geschäftsführer der G. teilnahm, Änderungen des Gesellschaftsvertrags der MSF beschlossen und ein neuer Emissionsprospekt aufgelegt. Mit am zugegangenem Schreiben teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) der MSF u.a. mit, dass sie die Geschäftstätigkeit als das Betreiben eines Finanzkommissionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG einstufe und die Untersagung des erlaubnispflichtigen Geschäfts gemäß § 37 KWG beabsichtige. Am selben Tag informierte die BaFin auch G. schriftlich und verlangte unter Hinweis auf § 37 Abs. 1, § 44c Abs. 1, Abs. 6 KWG Auskünfte und Vorlage von Unterlagen. Diesem Auskunftsersuchen kam der Beklagte für G. am nach. Am setzte die BaFin der MSF unter Androhung der Untersagung der Geschäftstätigkeit nach § 37 KWG eine Frist bis zum , eine Umgestaltung der bisherigen Tätigkeit in eine erlaubnisfreie Tätigkeit vorzunehmen. Die in den folgenden Monaten zwischen MSF und BaFin geführten Verhandlungen über mögliche Änderungen in der Anlage- und Gesellschaftsstruktur blieben erfolglos. Am erließ die BaFin Untersagungsverfügungen gegen MSF und G., die beide inzwischen Insolvenz angemeldet haben.

Der Kläger begehrt die Erstattung der von ihm am durch Bankeinzug geleisteten Einlage und die Befreiung von sämtlichen Verpflichtungen aus dem Treuhandvertrag. Er macht geltend, der Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil er es versäumt habe, die beitrittswilligen Anleger vom Inhalt des der G. am zugegangenen Schreibens der BaFin zu informieren und weil er einen Vertragsabschluss nicht verhindert und die Einlage an die MSF weitergeleitet habe, obwohl er habe erkennen können, dass diese für den Kläger verloren sei. Der Beklagte trägt vor, er habe auf die Weiterführung des Fonds vertraut; aufgrund des Treuhandvertrages sei er zur Weiterleitung der Gelder verpflichtet gewesen.

Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren aus der Berufung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [...] veröffentlicht und in GWR 2009, 350 kurz wiedergegeben ist, verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Da der Beklagte nicht selbst Vertragspartner geworden sei, könne eine persönliche Einstandspflicht nur auf § 826 BGB gestützt werden. Im vorliegenden Fall könne dahinstehen, ob dem Beklagten überhaupt eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, da die Tatsachengrundlage für die Bejahung der Verwirklichung der Merkmale des deliktischen Haftungstatbestandes nicht ausreiche.

Es könne nicht als besonders verwerflich qualifiziert werden, dass der Beklagte die Anlageinteressenten im Beitrittszeitraum des Klägers vom bis nicht zeitnah über die von der BaFin angemeldeten Bedenken unterrichtet habe. Die von ihm vertretene Treuhandkommanditistin habe sich in einem Interessenkonflikt befunden. Sie habe für alle Kommanditisten treuhänderisch handeln und darauf bedacht sein müssen, die Realisierung des Anlageprojektes nicht leichtfertig dadurch zu gefährden, dass sie vorschnell und ohne ausreichend gefestigte Tatsachengrundlage Bedenken gegen eine erfolgreiche Umsetzbarkeit publizierte, was zum Scheitern des Projekts hätte führen können. Es gebe keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte aufgrund seines Kenntnisstands nicht mehr darauf habe vertrauen dürfen, die Sichtweise der BaFin werde sich im Sinne der MSF ändern. Deshalb lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Beklagte damit rechnete oder zumindest damit hätte rechnen müssen, das Geschäftskonzept von MSF sei endgültig zum Scheitern verurteilt, künftige Einlagen seien verloren. Dies lasse einen ihm anzulastenden Schädigungsvorsatz entfallen.

Die Weiterleitung der auf das Treuhandkonto eingezahlten Einlagegelder an die MSF stelle sich als Wahrnehmung einer vertraglichen Aufgabenstellung dar und sei nicht geeignet, den Vorwurf eines zur Schadensersatzleistung verpflichtenden Verhaltens zu tragen.

II. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision stand.

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Kläger keine vertraglichen oder vertragsähnlichen Ansprüche gegen den Beklagten geltend machen kann. Denn Vertragspartner des Klägers war nicht der Beklagte, sondern die Treuhandkommanditistin G., die auch allein für ein etwaiges Verschulden der DPM bei Abschluss des Treuhandvertrags einzustehen hätte (§ 278 BGB; vgl. , BGHZ 84, 141, 143). Der Beklagte selbst hat nicht am Vertragsschluss mitgewirkt, weder besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, noch wirtschaftliches Eigeninteresse am Zustandekommen des Rechtsverhältnisses gehabt (vgl. , WM 1984, 766, 767; vom - II ZR 180/90, VersR 1991, 1247, 1248 m.w.N.; vom - II ZR 108/93, ZIP 1995, 211, 212; vom - II ZR 8/93, ZIP 1995, 124, 125 und vom - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 170). Dass er zu dem Personenkreis gehörte, der für falsche oder unvollständige Prospektangaben verantwortlich sein könnte, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich (vgl. , BGHZ 115, 213, 217 f.; vom - II ZR 27/83, VersR 1984, 159, 160; vom - III ZR 93/93, NJW 1995, 1025 und vom - III ZR 109/08, ZIP 2009, 2449 f.).

2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB verneint.

a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe dadurch, dass er den Kläger nicht über die in dem Schreiben der BaFin vom geäußerten rechtlichen Bedenken informiert hat, nicht gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB verstoßen. Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (, BGHZ 154, 269, 274 f. m.w.N.; vom - VI ZR 136/03, NJW 2004, 3423, 3425).

b) Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (, BGHZ 141, 357, 361 m.w.N.; vom - II ZR 402/02, 160, 149, 157; vom - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1186 m.w.N. und vom - II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (Senat, Urteil vom - VI ZR 160/00, VersR 2001, 1431, 1432 m.w.N.).

c) Ob G. die Pflicht traf, die künftigen Treugeber über die Bedenken der BaFin aufzuklären und der Beklagte die Beachtung dieser Pflicht sicherzustellen hatte (vgl. dazu , BGHZ 124, 151, 162; vom - II ZR 120/82, WM 1982, 1374; vom - II ZR 180/90, VersR 1991, 1247, 1249; vom - XI ZR 144/93, VersR 1994, 1354; vom - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314; vom - XI ZR 150/01, VersR 2003, 511, 512; vom - XI ZR 453/02, NJW-RR 2004, 203, 206), hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler dahinstehen lassen. Denn die mangelnde Aufklärung der Beitrittsinteressenten im Zeitraum des Beitritts des Klägers am 30. September/ war entgegen der Ansicht der Revision nicht sittenwidrig.

Der Beklagte hatte am , also etwa einen Monat nach der Unterzeichnung der Beitrittserklärung und kurz vor Versand der Annahmeerklärung von den Bedenken der BaFin Kenntnis erlangt. Das Unterlassen der Aufklärung über wesentliche regelwidrige Auffälligkeiten einer Kapitalanlage stellt nicht schon dann einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB dar, wenn eine vertragliche Pflicht zur Aufklärung besteht. Der schwerwiegende Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist erst dann zu erheben, wenn das Schweigen des Aufklärungspflichtigen zugleich gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Allein die Kenntnis von der noch entfernt liegenden Möglichkeit, dass die Geschäftstätigkeit gemäß § 37 KWG untersagt werden könnte und die Anleger hierdurch Schäden erleiden würden, genügt dafür entgegen der Auffassung der Revision nicht. Sittenwidriges Verhalten wäre dem Beklagten erst dann vorzuwerfen, wenn er trotz positiver Kenntnis von der Chancenlosigkeit der Anlage geschwiegen hätte (vgl. , VersR 2003, 511), also in Kenntnis des Umstands, dass eine Untersagung der Geschäftstätigkeit unmittelbar bevorstand (vgl. , BGHZ 10, 228, 234; vom - II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 114; vom - II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 399; vom - II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 235 f.; vom - II ZR 289/88, BGHZ 108, 134, 144; vom - II ZR 178/90, WM 1992, 1812, 1823).

Das ist hier nicht der Fall. Mangels Kenntnis von einem Prüfungsvorgang bei der BaFin im September 2004 bestand beim Beitritt des Klägers schon keine Aufklärungspflicht. Gesicherte Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte am , als das Beitrittsangebot des Klägers angenommen wurde, oder auch in den folgenden Monaten Kenntnis davon gehabt hätte, dass ein Scheitern der Finanzanlage unmittelbar bevorstand, lassen sich nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen. Hatte der Beklagte aber keine Kenntnis von einem unmittelbar bevorstehenden Scheitern des Projekts und vertraute er auf die von der Gesellschafterversammlung am beschlossenen Prospektänderungen, die auch einen Passus betreffend die Gefahr eines Einschreitens der BaFin beinhalteten, und darauf, dass die BaFin sich über längere Zeit auf Verhandlungen einließ, die die Einstellung des Geschäftsbetriebs als abwendbar erscheinen lassen konnten, so mag darin eine fahrlässige Pflichtverletzung gesehen werden. Den Vorwurf eines vorsätzlich sittenwidrigen Verhaltens rechtfertigt dies jedoch nicht.

3. Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Weiterleitung der am gezahlten Einlage keine Handlung gesehen, die geeignet sein könnte, Schadensersatzansprüche auszulösen. Unstreitig lagen die Voraussetzungen vor, unter denen G. nach dem Treuhandvertrag verpflichtet war, sämtliche Einlagegelder an die MSF weiterzuleiten. Die Auffassung des Beklagten, bei dieser Sachlage sei er als Geschäftsführer der Treuhandkommanditistin G. weder berechtigt, noch den Anlegern gegenüber verpflichtet, die als Einlagen eingezahlten und von der Gesellschaft benötigten Beträge zugunsten der Anleger zurückzuhalten, mag rechtlich angreifbar sein (vgl. dazu auch , WM 1982, 760; Singhof/Seiler, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 595 m.w.N.), begründet aber nicht den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

Fundstelle(n):
MAAAD-57920