Leitsatz
Gesamtvertrag Musikabrufdienste
1. Eine Verwertungsgesellschaft hat die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nach § 11 Abs. 1, § 12 UrhWG nur denjenigen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die diese zumindest auch für eigene Nutzungshandlungen benötigen. Sie muss die Nutzungsrechte dagegen nicht denjenigen einräumen, die diese ausschließlich auf Dritte weiterübertragen möchten .
2. Hat eine Verwertungsgesellschaft einen Tarif für einen Nutzungsvorgang aufgestellt, der mehrere Nutzungshandlungen umfasst, so ist sie gegenüber Vereinigungen, deren Mitglieder keine der von diesem Tarif erfassten Nutzungshandlungen selbst vornehmen, nicht nach § 12 UrhWG zum Abschluss eines Gesamtvertrages über diesen Tarif verpflichtet .
3. Die GEMA-Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten erfassen allein das Aufnehmen und Aufbereiten von Musikstücken durch Nutzer oder im Auftrag von Nutzern, die beabsichtigen, diese Musikdateien anschließend selbst öffentlich zugänglich zu machen . Nutzer, die nicht selbst Musikstücke in Musikabrufdiensten anbieten, können den Tarif der Beklagten für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten daher auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie diese Musikstücke für eine Nutzung in Musikabrufdiensten aufnehmen und aufbereiten .
Gesetze: § 11 Abs 1 UrhWahrnG, § 12 UrhWahrnG
Instanzenzug: Az: 6 WG 1/06 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger ist der Bundesverband Musikindustrie e.V. Ihm gehören 13 Musikabrufdienste und 370 Tonträgerhersteller an. Musikabrufdienste bieten im Internet Musikstücke zum Herunterladen und zum Anhören an.
2Die Beklagte ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahr.
3Die Beklagte stellte erstmals im Oktober 2002 zwei die Musiknutzung in Musikabrufdiensten betreffende Tarife auf: die "Vergütungssätze VR-OD 2 für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires Music-on-Demand mit Download beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (ausgenommen Ruftonmelodien)", die für das Angebot von Musikstücken zum Herunterladen auf Speichermedien gelten, und die "Vergütungssätze VR-OD 3 für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires Music-on-Demand ohne Download beim Endnutzer zum privaten Gebrauch", die das Angebot von Musikstücken zum bloßen Anhören betreffen.
4Der Kläger verlangt von der Beklagten nach § 12 UrhWG den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung dieser Tarife. Er hat - nach Durchführung des in § 14 Abs. 1 Nr. 1c, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Gesamtvertrag über die Nutzung der Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 zu schließen, dessen Inhalt das Gericht, insbesondere nach Art und Höhe der Vergütung, nach billigem Ermessen festlegen möge, und zwar auf der Grundlage des als Anlage K 41 vorgelegten Gesamtvertragsentwurfs.
5Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen (OLG München, ZUM-RD 2008, 360). Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Gründe
6I. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Kläger könne von der Beklagten nicht den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten verlangen, weil der Beklagten dies angesichts der geringen Zahl der vom Kläger vertretenen Musikabrufdienste nicht zumutbar sei und auf die dem Kläger angehörenden Tonträgerhersteller nicht abgestellt werden könne. Die Weigerung der Beklagten, einen Gesamtvertrag abzuschließen, sei auch nicht kartellrechtswidrig. Dazu hat es ausgeführt:
7Der Beklagten sei der Abschluss eines Gesamtvertrages nicht zumutbar. Bei der überschaubaren Zahl von 13 Mitgliedern des Klägers, die Musikwerke zum Abruf anböten, stünden die Vorteile, die für die Beklagte mit dem Abschluss eines Gesamtvertrags verbunden wären, in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Gesamtvertragsnachlass von 20%, den die Beklagte zu gewähren hätte. Auf den Marktanteil der vom Kläger repräsentierten Musikabrufdienste von etwa 90% komme es nicht an. Die Beklagte habe zwar in einem anderen Fall mit einem Verband, dem 13 Filmtheaterbetriebe mit 47 Theatern angehört hätten, einen Gesamtvertrag geschlossen; dieser Fall sei aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Die bloße Bereitschaft der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) könne nicht berücksichtigt werden, weil die Zahl der Mitglieder dieses Verbandes nicht bekannt sei und die Vergleichbarkeit der Vertragsbedingungen mangels Vertragsschlusses nicht beurteilt werden könne.
8Der Kläger könne den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten auch nicht im Blick auf die ihm angehörenden 370 Tonträgerhersteller verlangen. Bei der Musiknutzung in Musikabrufdiensten bestehe die maßgebliche Nutzungshandlung im öffentlichen Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf. Diese Nutzungshandlung werde von den Musikabrufdiensten und nicht von den Tonträgerherstellern vorgenommen. Dass die Tarife der Beklagten auch das Recht umfassten, Werke des Repertoires der Beklagten aufzunehmen und für die Nutzung technisch aufzubereiten, begründe keinen Anspruch der Tonträgerhersteller auf einen Lizenzerwerb für den gesamten Auswertungsvorgang.
9II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
101. Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 12 UrhWG auf Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung ihrer Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten zusteht.
11a) Die Verwertungsgesellschaft ist nach § 12 Halbs. 1 UrhWG verpflichtet, mit Vereinigungen, deren Mitglieder nach dem Urheberrechtsgesetz geschützte Werke oder Leistungen nutzen, Gesamtverträge über die von ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprüche zu angemessenen Bedingungen abzuschließen. Dieser Kontrahierungszwang stellt das Gegengewicht zur Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften dar (Schricker/Reinbothe, Urheberrecht, 4. Aufl., § 12 WahrnG Rn. 1). Der Abschluss von Gesamtverträgen ist für die Verwertungsgesellschaften und die Nutzervereinigungen gleichermaßen vorteilhaft. Der Vorteil für die Verwertungsgesellschaften besteht in der Verwaltungsvereinfachung. Der Vorteil für die Nutzervereinigungen und ihre Mitglieder liegt darin, dass der Gesamtvertrag regelmäßig niedrigere Vergütungssätze als die allgemein geltenden Einzelnutzungstarife enthält (Schricker/Reinbothe aaO § 12 WahrnG Rn. 4 mwN; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 12 UrhWG Rn. 2).
12Die Verpflichtung zum Abschluss eines Gesamtvertrages besteht nach § 12 Halbs. 2 UrhWG nicht, wenn der Verwertungsgesellschaft der Abschluss eines Gesamtvertrages nicht zuzumuten ist, insbesondere, weil die Vereinigung eine zu geringe Mitgliederzahl hat. Der Abschluss eines Gesamtvertrages ist nur gerechtfertigt, wenn zahlreiche Verträge abzuschließen sind und der Verwaltungsaufwand vereinfacht wird. Ist mit einer spürbaren Erleichterung des Inkassos und der Kontrolle nicht zu rechnen, braucht die Verwertungsgesellschaft keinen Gesamtvertrag abzuschließen, weil das mehrstufige System eines Gesamtvertrages und darauf aufbauender Einzelverträge den Aufwand in einem solchen Fall eher erhöhen als verringern würde. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen sind neben der Mitgliederzahl der Nutzervereinigung das zu erwartende Vertragsvolumen sowie die bisherige Vertragspraxis der Verwertungsgesellschaft zu berücksichtigen (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 12 UrhWG Rn. 12; Schricker/Reinbothe aaO § 12 WahrnG Rn. 10 f.).
13b) Danach ist der Beklagten der vom Kläger begehrte Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung ihrer Tarife für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten nicht zumutbar.
14aa) Das Oberlandesgericht hat angenommen, bei der überschaubaren Zahl von 13 Mitgliedern des Klägers, die Musikwerke zum Abruf anböten, stünden die Vorteile, die für die Beklagte mit dem Abschluss eines Gesamtvertrags verbunden wären, in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Gesamtvertragsnachlass von 20%, den die Beklagte zu gewähren hätte.
15Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der mit dem Abschluss des angetragenen Gesamtvertrages verbundene Vorteil der Beklagten bestünde darin, dass der Kläger den Abschluss von Einzelverträgen durch seine Mitglieder sicherstellt (Ziffer 1 des Gesamtvertragsentwurfs) und der Beklagten dadurch Vertragshilfe leistet, dass er ihr die Anschriften seiner Mitglieder mitteilt, seine Mitglieder zum Abschluss von Einzelverträgen und zur Einhaltung der Vertragspflichten anhält und der Beklagten die Erfüllung ihrer Aufgaben durch Koordination und Information erleichtert (Ziffer 2 des Gesamtvertragsentwurfs). Hinsichtlich der lediglich 13 Mitglieder des Klägers, die Musikabrufdienste betreiben, würde die Übernahme dieser Aufgaben durch den Kläger den Verwaltungsaufwand der Beklagten nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht wesentlich verringern.
16Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Oberlandesgericht die mündliche Verhandlung mit Blick auf den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom zu den möglichen Vorteilen der Beklagten aus einem Gesamtvertrag nicht wieder eröffnet hat. Das Oberlandesgericht habe erstmals in der mündlichen Verhandlung vom zu erkennen gegeben, dass es den Vortrag des Klägers zu diesem Gesichtspunkt für unzureichend halte. Der Kläger habe daraufhin zu diesem Punkt mit Schriftsatz vom umfangreich vorgetragen und darum gebeten, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Das Oberlandesgericht habe zu Unrecht gemeint, der nicht nachgelassene Schriftsatz gebe keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.
17Entgegen der Ansicht der Revision ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist daher nicht verletzt. Das Gericht ist allerdings gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn es einen nach § 139 ZPO gebotenen Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung erteilt hat und sich aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz ergibt, dass die betroffene Partei sich dazu in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend erklären konnte (vgl. Rn. 39 - Gewährleistungsausschluss im Internet, mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Das Oberlandesgericht war nicht verpflichtet, den Kläger bereits vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass es seinen Vortrag zu den möglichen Vorteilen der Beklagten aus einem Gesamtvertrag für unzureichend hält, oder ihm - falls der Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erfolgte - Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Der gesamte Rechtsstreit drehte sich von vornherein um die Frage, ob der Abschluss eines Gesamtvertrages für die Beklagte vorteilhaft bzw. zumutbar ist. Nachdem die Schiedsstelle entschieden hatte, dass dies nicht der Fall sei, musste der Kläger damit rechnen, dass das Oberlandesgericht diese Beurteilung teilt.
18bb) Das Oberlandesgericht hat weiter angenommen, auf den Marktanteil der vom Kläger repräsentierten Musikabrufdienste von etwa 90% komme es nicht an. Wäre der Marktanteil der Verwerter maßgeblich, müsste die Beklagte beispielsweise bereits dann einen Gesamtvertragsnachlass gewähren, wenn der Markt von nur zwei Unternehmen beherrscht würde, obwohl keine nennenswerten Vorteile bei Verwaltung und Inkasso einträten.
19Diese Beurteilung wird von der Revision hingenommen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Das Ausmaß der Verwaltungsvereinfachung für die Beklagte hängt in erster Linie von der Anzahl der Mitglieder der Nutzervereinigung und der Anzahl der Einzelverträge ab, die die Beklagte mit diesen Mitgliedern auf der Grundlage eines Gesamtvertrages schließen kann. Der Marktanteil der Mitglieder der Nutzervereinigung ist für den Verwaltungsaufwand der Beklagten dagegen ohne Bedeutung. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob die Mitglieder des Klägers - wie die Revision geltend macht - mit dem Verkauf von Musikaufnahmen über Musikabrufdienste erhebliche Umsätze erzielen.
20cc) Für die Zumutbarkeit des Abschlusses eines Gesamtvertrages spräche es allerdings, wenn die Beklagte in einem vergleichbaren Fall eine ähnlich geringe Mitgliederzahl einer Nutzervereinigung als ausreichend für einen Gesamtvertragsabschluss angesehen hätte. Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass hierfür keine Anhaltspunkte bestehen.
21(1) Die Beklagte hat allerdings, wie aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts "Doppelmitgliedschaft" hervorgeht, einen Gesamtvertrag mit einem Verband geschlossen, dem lediglich 13 Filmtheaterbetriebe angehörten (OLG München, GRUR 1990, 358, 359). Die in jenem Verfahren erwähnte Zahl von 13 Filmtheaterbetrieben stimmt zwar mit der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Zahl von 13 Musikabrufdiensten überein. Der in der Entscheidung "Doppelmitgliedschaft" erwähnte Fall ist dennoch, wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat, mit dem Streitfall nicht vergleichbar. In jenem Fall hat das Oberlandesgericht darauf abgestellt, dass zu den 13 Filmtheaterbetrieben 47 Filmtheater gehörten, die Mitglieder des Verbandes waren (OLG München, GRUR 1990, 358). Geht man von 47 möglichen Einzelverträgen aus, so konnte die Beklagte in jenem Fall durch den Abschluss eines Gesamtvertrages eine wesentlich größere Verwaltungsvereinfachung erreichen, als ihr dies im vorliegenden Fall möglich wäre.
22(2) Das Oberlandesgericht hat angenommen, die bloße Bereitschaft der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) könne nicht berücksichtigt werden, weil die Zahl der Mitglieder dieses Verbandes nicht bekannt sei und die Vergleichbarkeit der Vertragsbedingungen mangels Vertragsschlusses nicht beurteilt werden könne.
23Die Revision rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe verkannt, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Ausnahme vom Kontrahierungszwang trage und die Darlegung der mangelnden Vergleichbarkeit daher der Beklagten oblegen hätte. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat die Beklagte mit dem BITKOM noch keinen Gesamtvertrag geschlossen. Das Oberlandesgericht hat daher mit Recht angenommen, dass bislang keine Vertragspraxis vorliegt, an der sich die Beklagte möglicherweise festhalten lassen müsste.
24Die Revision beanstandet des Weiteren vergeblich, das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass eine Gesamtvertragsfähigkeit des Klägers auch deshalb angenommen werden müsse, weil es für die Mitglieder des Klägers unzumutbar sei, dem BITKOM beizutreten. Würde die Gesamtvertragsfähigkeit des Klägers verneint, bestünde für seine Mitglieder, die einen Gesamtvertragsrabatt erlangen wollten, ein tatsächlicher Zwang zur Mitgliedschaft beim BITKOM. Eine solche Mitgliedschaft sei ihnen jedoch unzumutbar, weil der Kläger und der BITKOM sich in fast allen Beziehungen als Marktteilnehmer mit gegenläufigen Interessen gegenüberstünden. Die Interessen der Mitglieder des Klägers als Inhaber des Repertoires seien notwendigerweise andere als die Interessen der Mitglieder des BITKOM, die ihr Geschäft mit dem Weiterverkauf dieses Repertoires bestritten. Diese Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil zwischen der Beklagten und dem BITKOM noch kein Gesamtvertrag zustande gekommen ist, dem die Mitglieder des Klägers möglicherweise beitreten könnten. Im Übrigen sind die Mitglieder des Klägers nicht gezwungen, dem BITKOM beizutreten und einen Gesamtvertragsrabatt in Anspruch zu nehmen.
25c) Der Kläger kann von der Beklagten den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten auch nicht im Blick auf die ihm angehörenden 370 Tonträgerhersteller verlangen.
26aa) Der von der Beklagten aufgestellte Tarif VR-OD 2 gilt nach Ziffer I Absatz 1 ausschließlich
für Music-on-Demand Audio-Angebote mit Download im Internet oder ähnlichen Datennetzen, welche die Speicherung von Werken (Upload) sowie deren Übermittlung (Streaming) und die Speicherung von Werken beim Endnutzer (Download) zum Gegenstand haben, ausgenommen Ruftonmelodien.
Er umfasst nach Ziffer III 1 (1) folgende Rechte:
- Das Recht, Werke des GEMA-Repertoires aufzunehmen und für die Nutzung technisch aufzubereiten.
- Das Recht, Werke des GEMA-Repertoires in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art (z.B. Serverrechner) einzubringen (Upload).
- Das Recht, Werke des GEMA-Repertoires, die in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art (z.B. Serverrechner) eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln ("Right of Communication to the Public and Making Available").
- Das Recht zur Speicherung des Werkes auf einen Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download).
Der von der Beklagten aufgestellte Tarif VR-OD 3 gilt ausschließlich
für Music-on-Demand Audio-Angebote ohne Download im Internet oder ähnlichen Datennetzen, welche die Speicherung von Werken (Upload) sowie deren Übermittlung an den Endnutzer (Streaming) zum Gegenstand haben.
Er umfasst nach Ziffer III 1 (1) die gleichen Rechte wie der Tarif VR-OD 2 mit Ausnahme des Rechts zur Speicherung des Werkes auf einem Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download).
27Die Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten erfassen verschiedene Nutzungshandlungen (Aufnehmen und Aufbereiten des Musikstücks, Einbringen in die Datenbank, Bereithalten und Übertragen auf Abruf, Speichern beim Endnutzer) und sehen für die Einräumung der für diese Nutzungshandlungen erforderlichen Nutzungsrechte (Vervielfältigungsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung) ein einheitliches Entgelt vor. Das ist sachgerecht, da es sich bei der Musiknutzung in Musikabrufdiensten um einen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einheitlichen Verwertungsvorgang handelt, auch wenn er mehrere Nutzungshandlungen einschließt und unterschiedliche Nutzungsrechte betrifft.
28bb) Hat eine Verwertungsgesellschaft - wie hier die Beklagte - einen Tarif für einen Verwertungsvorgang aufgestellt, der mehrere Nutzungshandlungen umfasst, so ist sie gegenüber Vereinigungen, deren Mitglieder keine der von diesem Tarif erfassten Nutzungshandlungen selbst vornehmen, nicht nach § 12 UrhWG zum Abschluss eines Gesamtvertrages über diesen Tarif verpflichtet. Eine Verwertungsgesellschaft hat die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nach § 11 Abs. 1, § 12 UrhWG nur denjenigen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die diese zumindest auch für eigene Nutzungshandlungen benötigen. Sie muss die Nutzungsrechte dagegen nicht denjenigen einräumen, die diese ausschließlich auf Dritte weiterübertragen möchten.
29Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche auf Verlangen der Berechtigten wirksam wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 UrhWG). Dies schließt die Verpflichtung ein, die Nutzung der wahrgenommenen Rechte durch diejenigen, denen sie Nutzungsrechte eingeräumt hat, möglichst effektiv zu kontrollieren (vgl. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 6 UrhWG Rn. 14). Diese Kontrolle kann gegenüber Dritten, die der Verwertungsgesellschaft nicht bekannt und nicht verpflichtet sind, nicht wirksam ausgeübt werden. Selbst wenn sich die Dritten gegenüber der Verwertungsgesellschaft - wie die Revision geltend macht - zur Abgabe von Kontrollmitteilungen verpflichteten und eine Haftung übernähmen, bestünde die Gefahr, dass die Verwertungsgesellschaft diese Dritten jedenfalls nicht gleichermaßen effektiv kontrollieren könnte wie Nutzungsberechtigte, mit denen sie eine Nutzungsrechtsvereinbarung geschlossen hat. Zudem erhöhte die unnötige Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsinhabers den Verwaltungsaufwand der Verwertungsgesellschaft.
30Die Verwertungsgesellschaft ist ferner verpflichtet, den interessierten Nutzern die von ihr wahrgenommenen Rechte zu angemessenen Bedingungen einzuräumen (vgl. § 11 Abs. 1, § 12 UrhWG). Die Weiterübertragung der Nutzungsrechte auf Dritte begründete die Gefahr, dass die Nutzer die von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte nicht zu angemessenen Bedingungen nutzen könnten. Die Beklagte hat grundsätzlich keine Möglichkeit, die Bedingungen der Weiterübertragung zu beeinflussen oder zu überprüfen. Soweit diejenigen, denen die Verwertungsgesellschaft die Nutzungsrechte zur Weiterübertragung eingeräumt hat, von den Nutzern eine höhere Vergütung verlangen und erhalten würden, als sie der Verwertungsgesellschaft entrichten müssten, käme diese nicht den Berechtigten zugute. Eine Zwischenschaltung weiterer Rechtsinhaber, die eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen, liegt daher nicht im Interesse der Berechtigten.
31cc) Nach diesen Maßstäben kann der Kläger den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten nicht beanspruchen, weil die ihm angehörenden Tonträgerhersteller keine der von diesen Tarifen erfassten Nutzungshandlungen selbst vornehmen.
32(1) Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass die maßgebliche Nutzungshandlung bei der von den Tarifen VR-OD 2 und VR-OD 3 erfassten Musiknutzung in Musikabrufdiensten im öffentlichen Zugänglichmachen der Werke für den interaktiven Abruf besteht und dass diese Nutzungshandlung von den Musikabrufdiensten und nicht von den Tonträgerherstellern vorgenommen wird.
33Die Revision rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe sich durch das Herausgreifen des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung und dessen Qualifizierung als maßgeblicher Verwertungshandlung der Erkenntnis verschlossen, dass dieses Recht isoliert gesehen für die Musikabrufdienste ohne Wert und Substrat sei. Ein Musikabrufdienst könne seine Tätigkeit nicht entfalten und bedürfe keiner Lizenzen der Beklagten, wenn er nicht zuvor die Rechte der Tonträgerhersteller und der ausübenden Künstler eingeholt hätte.
34Die Musikabrufdienste benötigen für das öffentliche Zugänglichmachen von Musikwerken allerdings in der Regel nicht nur die von der Beklagten wahrgenommenen Rechte der Musikurheber. Sie sind zum öffentlichen Zugänglichmachen von auf Tonträgern aufgezeichneten Darbietungen ausübender Künstler vielmehr nur berechtigt, wenn ihnen auch die ausübenden Künstler und die Hersteller des Tonträgers das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung der Darbietung (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und des Tonträgers (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG) eingeräumt oder übertragen haben. Dabei handelt es sich jedoch um Verwertungsrechte, die von den Tarifen der Beklagten nicht erfasst sind, weil sie nicht der Beklagten, sondern anderen Rechtsinhabern zustehen.
35Entgegen der Darstellung der Revision entscheidet allein der Musikabrufdienst und nicht etwa der Tonträgerhersteller über das öffentliche Zugänglichmachen eines Musikwerkes auf seiner Internetseite. Auch soweit Musikabrufdienste für das öffentliche Zugänglichmachen von Musikwerken auf die Rechte der Tonträgerhersteller angewiesen sind, sind sie nicht verpflichtet, von den ihnen seitens der Tonträgerhersteller eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen.
36(2) Der Kläger kann einen Anspruch auf Abschluss eines Gesamtvertrages über den gesamten von den Tarifen der Beklagten erfassten Verwertungsvorgang auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die ihm angehörenden Tonträgerhersteller die Werke des Repertoires der Beklagten aufnehmen und für die Nutzung technisch aufbereiten und damit eine der von den Tarifen der Beklagten erfassten Nutzungshandlungen vornehmen.
37Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Kläger könne die Einräumung eines Vervielfältigungsrechts nicht mit dieser Begründung beanspruchen. Die Tonträgerhersteller würden bei der Aufbereitung der Musikdateien stets entweder im Auftrag der Musikabrufdienste tätig oder besorgten als Geschäftsführer ohne Auftrag ein fremdes Geschäft, nämlich ein solches der Musikabrufdienste. Daher sei auch diese Nutzungshandlung allein den Musikabrufdiensten zuzurechnen.
38Die Revision rügt ohne Erfolg, diese Beurteilung stehe in Widerspruch zum Vorbringen des Klägers, dass die Tonträgerhersteller hinsichtlich ihrer eigenen Rechte aus § 85 Abs. 1 UrhG und der von den ausübenden Künstlern abgeleiteten Rechte aus §§ 77, 78 Abs. 1 UrhG entschieden, welche Musikstücke in Abrufdiensten angeboten würden. Bei der technischen Aufbereitung der Musikdateien handele es sich daher um ein eigenes Geschäft der Tonträgerhersteller.
39Soweit die Tonträgerhersteller mit dem Aufnehmen und Aufbereiten der Musikdateien ein eigenes Geschäft besorgen und diese Nutzungshandlungen daher nicht den Musikabrufdiensten zuzurechnen sind, werden diese Nutzungshandlungen nicht von den in Rede stehenden Tarifen der Beklagten erfasst. Die nach den Tarifen für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten maßgebliche Nutzungshandlung ist das öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke (vgl. oben unter II 1 cc). Die Aufnahme und das Aufbereiten der Musikstücke werden von den Tarifen nur als unselbständige Vorbereitungshandlungen erfasst. Deshalb unterliegt - was auch der Kläger nicht in Abrede stellt - beispielsweise die selbständige Nutzungshandlung der erstmaligen Aufnahme eines Musikwerkes auf einen Tonträger - also die Herstellung des sogenannten Masterbandes durch den Tonträgerhersteller - nicht diesen Tarifen. Die Tarife erfassen allein das Aufnehmen und Aufbereiten von Musikstücken durch Nutzer oder im Auftrag von Nutzern, die beabsichtigen, diese Musikdateien anschließend selbst öffentlich zugänglich zu machen.
40Nutzer, die nicht selbst Musikstücke in Musikabrufdiensten anbieten, können den Tarif der Beklagten für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten daher auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie diese Musikstücke für eine Nutzung in Musikabrufdiensten aufnehmen und aufbereiten. Ihnen ist es allerdings unbenommen, von der Beklagten nach § 11 Abs. 1 UrhWG allein die Einräumung der für ein eigenes Aufnehmen und Aufbereiten von Werken aus dem Repertoire der Beklagten erforderlichen Nutzungsrechte zu verlangen. Ebenso steht es Nutzervereinigungen frei, die Beklagte bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 UrhWG auf Abschluss eines Gesamtvertrages über diese Nutzungsrechte in Anspruch zu nehmen.
41(3) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, zu einer Einräumung von Nutzungsrechten zur Weiterübertragung auf Dritte nicht verpflichtet zu sein, weil sie im Tarif VR-OD 2 selbst eine Weiterlizenzierung von Nutzungsrechten vorsehe.
42Der Tarif VR-OD 2 umfasst das Recht zur Speicherung des Werkes auf einen Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download). Da das Werk nicht vom Musikabrufdienst, sondern vom Endnutzer auf einem Datenträger gespeichert und damit vervielfältigt wird, muss der Musikabrufdienst dieses Nutzungsrecht auf den Endnutzer übertragen. Daraus kann der Kläger allerdings keinen Anspruch auf Einräumung der von ihm selbst nicht genutzten Rechte für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten zur Weiterübertragung auf Dritte herleiten.
43Die Beklagte ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, von ihr wahrgenommene Nutzungsrechte zur Weiterübertragung an Dritte einzuräumen (vgl. oben unter II 1 c bb); sie ist hierzu aber berechtigt, wenn dies im Interesse der Berechtigten liegt. So verhält es sich hier. Die Weiterübertragung des Nebenrechts zur Speicherung des Werkes auf einem Datenträger des Endnutzers durch den Nutzer des Hauptrechts zur öffentlichen Zugänglichmachung ist aus Gründen der Praktikabilität geboten. Die Beklagte ist praktisch nicht dazu in der Lage, den ihr unbekannten Endnutzern dieses Nutzungsrecht selbst einzuräumen und von ihnen hierfür eine Nutzungsvergütung zu fordern. Es entspricht daher dem Interesse der Musikurheber, dass die Beklagte den Endnutzern dieses Nutzungsrecht über die Musikabrufdienste als Werkvermittler verschafft und die Nutzungsvergütung von den Werkvermittlern fordert, die diese ihrerseits auf die Endnutzer umlegen können.
442. Das Oberlandesgericht hat die Weigerung der Beklagten, einen Gesamtvertrag abzuschließen, mit Recht auch nicht als kartellrechtswidrig angesehen.
45Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB käme nur in Betracht, wenn sich die Beklagte unter Verstoß gegen § 12 UrhWG geweigert hätte, den in Rede stehenden Gesamtvertrag abzuschließen. Dies ist aber - wie ausgeführt - nicht der Fall.
46III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Fundstelle(n):
NJW-RR 2011 S. 343 Nr. 5
UAAAD-56672