BGH Beschluss v. - IX ZR 195/09

Haftung des Steuerberaters: Beginn der Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Mandanten wegen des unterbliebenen Antrags auf Neufestsetzung der Umsatzsteuer nach Rechtsprechungsänderung

Gesetze: § 164 Abs 4 AO, § 169 Abs 2 S 1 AO, § 173 AO, § 199 Abs 1 Nr 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 675 Abs 1 BGB, § 57 Abs 1 StBerG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 17 U 81/09 Urteilvorgehend LG Gießen Az: 4 O 330/08

Gründe

1Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.

21. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger die Einziehungsbefugnis zur Geltendmachung der Klageforderung zuerkannt hat, greift ein Zulassungsgrund nicht durch.

3a) Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte insoweit auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG).

4Für die Annahme von Willkür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus, selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt sein (BVerfGE 89, 1, 14; 96, 189, 203; BVerfG WM 2008, 721; BGHZ 154, 288, 299 f; , juris Rn. 2). Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht - wie hier - mit der Rechtslage auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; , juris Rn. 4).

5b) Eine Divergenz (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Altern. 2 ZPO) ist ebenfalls nicht gegeben.

6Um eine Divergenz ordnungsgemäß darzulegen, ist es erforderlich, die Vorentscheidung, zu der die Divergenz geltend gemacht wird, konkret zu benennen und zu zitieren, die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus dieser Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung herauszustellen sowie vorzutragen, inwiefern diese nicht übereinstimmen (BGHZ 152, 182, 186). Im Streitfall fehlt es an der gebotenen Gegenüberstellung vermeintlich divergierender Rechtssätze sowie der Darlegung, in welchen Bewertungen der Entscheidungen die Divergenz zum Ausdruck kommt.

7bb) Überdies kann eine Divergenz nur angenommen werden, wenn der angefochtenen Entscheidung ein Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz eines höherrangigen Gerichts, eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (BGHZ 154, 288, 292; , NJW 2003, 437). Vor diesem Hintergrund vermag eine Abweichung des Oberlandesgerichts im Verhältnis zu der von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Entscheidung des im Instanzenzug nachgeordneten Landgerichts Wiesbaden eine Divergenz nicht zu begründen.

82. Soweit die Beschwerde im Blick auf die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der geltend gemachte Ersatzanspruch noch nicht verjährt ist, Zulassungsgründe geltend macht, sind diese jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Denn die angefochtene Entscheidung ist in diesem Punkt im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. z.V.b.). Verjährung ist hier gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB frühestens am eingetreten. Der verfahrenseinleitende Mahnbescheid des Klägers ist dem Beklagten jedoch bereits am zugestellt worden.

9a) Für Beginn und Dauer der Verjährung sind im Streitfall gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB anstelle der mit Wirkung vom durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I, S. 3214) aufgehobenen Vorschrift des § 68 StBerG nunmehr die Vorschriften der §§ 195 ff BGB anwendbar. Denn der geltend gemachte Anspruch ist mit Ablauf des und damit nach dem entstanden (vgl. , WM 2010, 629 Rn. 6).

10aa) Regelmäßig entsteht der Anspruch gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, nicht erst mit der Bestandskraft, sondern bereits mit Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das kann aber nicht gelten, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters erst nach Erlass des Steuerbescheids einsetzt. Besteht die Pflichtwidrigkeit darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen den Bescheid nicht eingelegt wird, so entsteht der Anspruch in dem Augenblick, in dem der Steuerpflichtige von sich aus nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des Steuerbescheids erwirken kann; die eng begrenzten Abänderungsmöglichkeiten nach § 173 AO reichen nicht aus, den Eintritt des Schadens erst für den Zeitpunkt anzunehmen, von dem an auch sie nicht mehr bestehen (, WM 1996, 2066, 2067; v. - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787; v. - IX ZR 26/09 z.V.b.).

11bb) In der Abgabe der Umsatzsteueranmeldung durch den Beklagten am kann ein Beratungsfehler nicht erkannt werden, weil Rechtsprechung, die Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck brachte, erst danach ergangen ist. Der Beklagte hat indessen versäumt, bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am (§§ 164 Abs. 4, § 169 Abs. 2 Satz 1 AO) eine Neufestsetzung der Umsatzsteuer zu beantragen. Insoweit liegt ein Beratungsfehler vor, weil der Bundesfinanzhof durch den für die amtliche Sammlung bestimmten Beschluss vom (V R 7/02, BFHE 200, 149) vor Ablauf der Festsetzungsfrist Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck gebracht hat. Auf diesen Beschluss hätte der Beklagte bis zum durch einen Antrag auf Neufestsetzung reagieren müssen.

12b) Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war bis zu der am an den Beklagten bewirkten Zustellung des Mahnbescheids noch nicht abgelaufen.

13Wird ein bestimmter Tag als Endtermin genannt, endet eine Frist erst mit dem Ablauf dieses Tages (RGZ 105, 417, 419 f). Da der Beklagte den zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht durch die Stellung eines Änderungsantrags noch voll ausnutzen durfte, wurde der gegen ihn gerichtete Ersatzanspruch erst am begründet (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, wann der Kläger als zweite Voraussetzung für den Verjährungsbeginn von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die dreijährige Frist des § 195 BGB ist, weil der Anspruch im Jahr 2005 begründet wurde, gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss dieses Jahres in Lauf gesetzt worden (sog. "Ultimo-Verjährung", vgl. MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. § 199 Rn. 41). Folglich ist die Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des verstrichen (juris-PK-BGB/Lakkis, 5. Aufl. § 199 Rn. 72). Der Mahnbescheid wurde dem Beklagten jedoch bereits am zugestellt.

Ganter                                  Kayser                             Gehrlein

                    Fischer                                 Grupp

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 559 Nr. 3
DStR 2011 S. 238 Nr. 5
DStRE 2011 S. 461 Nr. 7
HFR 2011 S. 481 Nr. 4
GAAAD-56078