BVerwG Beschluss v. - 7 B 15/10

Immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid; Einwendungsausschluss für Vereinigung im Verfahren über Rechtsbehelf

Leitsatz

1. Der Einwendungsausschluss gemäß § 2 Abs. 3 UmwRG und § 10 Abs. 3 BImSchG steht auch im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom - Rs. C-263/08 - (ZUR 2010, 28) mit Gemeinschaftsrecht in Einklang (im Anschluss an BVerwG 9 A 5.08 - NuR 2010, 558).

2. Die Erstreckung der Präklusionsregelung des § 2 Abs. 3 UmwRG auf Verfahren, die nach dem eingeleitet worden sind (§ 5 Abs. 1 UmwRG), verstößt nicht gegen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts.

3. Das Schriftformerfordernis des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG ist bei Einwendungen in elektronischer Form nur gewahrt, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind.

Gesetze: § 2 Abs 3 UmwRG, § 5 Abs 1 UmwRG, § 10 Abs 3 BImSchG, Art 4 Nr 4 EGRL 35/2003, Art 3 Nr 7 EGRL 35/2003, § 73 VwVfG, § 3a Abs 2 VwVfG, § 2 Nr 3 SigG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 8 D 10/08.AK Urteil

Gründe

I.

1Der Kläger wendet sich gegen den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerkblocks 5 (mit einer Feuerwärmeleistung von 1 750 MWth) auf deren Betriebsgrundstück in Herne. Den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids machte die Beklagte am im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg sowie in örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekannt mit dem Hinweis, dass der Antrag und die dazugehörigen Unterlagen vom bis einschließlich bei der Beklagten und der Stadt Herne auslägen und eingesehen werden könnten. Einwendungen gegen das Vorhaben könnten in der Zeit vom bis einschließlich erhoben werden.

2Am übersandte der Kläger, vertreten durch seine örtlich Bevollmächtigte, eine E-Mail an die Beklagte unter dem Betreff "IMS-Stellungnahme § 60 STEAG Herne"; in der Anlage hierzu (Stellungnahme des BUND vom ) wendet sich der Kläger gegen das Vorhaben der Beigeladenen. Die E-Mail war nicht mit einer eingescannten Unterschrift versehen. Am selben Tag - ausweislich des Ausdrucks des Faxschreibens um 23.57 Uhr - wurde die vorgenannte Stellungnahme der Beklagten durch Telefax übermittelt; das übersandte Schriftstück bestand nur aus der nicht unterschriebenen Seite 1. Ein weiteres Faxschreiben mit der vollständigen, von der Bevollmächtigten des Klägers unterschriebenen Stellungnahme erreichte die Beklagte, ausweislich des vom Absenderfaxgerät stammenden Uhrzeitaufdrucks, am in der Zeit von 0.00 bis 0.08 Uhr.

3Die gegen den Vorbescheid erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger sei mit seinem Vorbringen im Klageverfahren - da im Anhörungsverfahren verfristet eingewandt - materiell präkludiert. Die Präklusionsvorschriften der § 2 Abs. 3 UmwRG, § 10 Abs. 3 BImSchG a.F. stünden in Einklang mit europäischem Gemeinschaftsrecht. Art. 10a UVP-RL sage über die Zulässigkeit von Präklusionsvorschriften nichts aus. Auch der gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsgrundsatz des Art. 10 Abs. 1 EG sei nicht berührt. Eine fristwahrende Übersendung der Stellungnahme vom sei weder durch eine E-Mail noch per Telefax erfolgt.

4Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

5Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

61. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

ob die so genannten "Präklusionsregelungen" der § 2 Abs. 3 UmwRG, § 10 Abs. 3 BImSchG, wonach (hier) Umweltvereinigungen im Rechtsbehelfsverfahren gegen eine angefochtene Genehmigungsentscheidung zu einem im Sinne von §§ 3 bis 3e UVPG (hier gemäß § 3e UVPG) i.V.m. Anlage 1 zu § 3 UVPG umweltverträglichkeitsprüfungspflichtigen Vorhaben mit allen Einwendungen ausgeschlossen sind, die nicht bereits im Genehmigungsverfahren vorgebracht worden sind, mit europäischem Gemeinschaftsrecht, namentlich Art. 10a der UVP-RL, Art. 16 der IVU-RL in Einklang stehen,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision; sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

7Nach § 2 Abs. 3 UmwRG ist eine Vereinigung (im Sinne von § 3 Abs. 1 UmwRG), die im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat, im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sie im Verwaltungsverfahren nicht oder nach den geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können. Diese Bestimmung steht in Einklang mit europäischem Gemeinschaftsrecht ( BVerwG 4 B 57.09 - juris Rn. 3 ff. = UPR 2010, 103), sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie).

8a) Nach Art. 10a Unterabs. 1 UVP-RL und dem wortgleichen Art. 15a Unterabs. 1 IVU-RL (nunmehr Art. 16 IVU-RL), die durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie in die Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG eingefügt worden sind, stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung fordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

9Zu der in diesen beiden Rechtsvorschriften enthaltenen Einschränkung, dass das Recht auf Zugang zu Gerichten "im Rahmen innerstaatlicher Rechtsvorschriften" verliehen wird, dass somit die Ausgestaltung des Verfahrens Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sei, hat das Bundesverwaltungsgericht sinngemäß Folgendes angemerkt (Beschluss vom a.a.O. Rn. 5 bis 7): Die Mitgliedstaaten seien bei der Ausgestaltung ihrer "innerstaatlichen Rechtsvorschriften" nicht völlig frei; insbesondere dürfe das nationale Verfahrens- und Prozessrecht die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Der Europäische Gerichtshof habe - wenngleich in anderem Zusammenhang - den Rechtssatz betont, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich genüge, da sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sei. Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs sei für die nationale Anwendung des Effektivitätsgebots jeder Fall, in dem sich die Frage stelle, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich mache oder übermäßig erschwere, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen. Bei Anwendung dieser Maßstäbe bestünden keine Zweifel, dass die Präklusion des § 2 Abs. 3 Alt. 1 UmwRG "angemessen" begrenzt sei. Zwar trete im Gegensatz zu Klagefristen, von deren Einhaltung der nationale Gesetzgeber den Zugang zu den Gerichten abhängig machen dürfe, der Ausschluss verfahrensrelevanten Vorbringens bereits vor einem anfechtbaren Rechtsakt ein. Dies sei aber ohne Bedeutung, weil das Einwendungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Präklusion einem vorgezogenen Rechtsschutz gleichkomme. Dieser Rechtsschutz sei nicht unzureichend; denn er liege auch im wohlverstandenen Interesse der Einwendungsberechtigten, weil sie durch ihr Vorbringen die Chance der Einflussnahme wahren könnten, bevor eine Art planerische Verfestigung eingetreten sei.

10b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ergeben sich aus den zwischenzeitlich vorliegenden Gründen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom in der Rechtssache C-263/08 (ZUR 2010, 28) keine ernstlichen Zweifel an der zuvor durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits bestätigten Konformität der Regelung des § 2 Abs. 3 UmwRG mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (ebenso BVerwG 9 A 5.08 - juris Rn. 106 ff. zu § 62 BNatSchG a.F. = NuR 2010, 558).

11Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs liegt ein Sachverhalt zu Grunde, der Besonderheiten des schwedischen Rechts zum Gegenstand hat. Dies verdeutlicht die zweite Vorlagefrage (Rn. 22), die darauf abhebt, ob Art. 10a UVP-RL verlange, dass die betroffene Öffentlichkeit die Entscheidung eines Gerichts über einen Antrag auf Genehmigung anfechten kann, obwohl sie die Möglichkeit hatte, sich an dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor diesem Gericht zu beteiligen und sich in diesem Verfahren zu äußern; in diesem Fall war - in Abweichung vom deutschen Recht - die angegriffene Genehmigung des Projektes mit Urteil einer der nationalen Gerichtsbarkeit zugehörigen Kammer für Umweltangelegenheiten erfolgt (Rn. 32). Darüber hinaus war Gegenstand des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof eine Bestimmung im Schwedischen Umweltrecht, wonach die Klage einer (Umwelt-)Vereinigung unter anderem voraussetzt, dass sie mindestens 2 000 Mitglieder hat (Rn. 14), die die im Ausgangsverfahren klagende Vereinigung nicht erreichte (Rn. 19). Es stellte sich somit die Frage, ob die Beschränkung der Klagemöglichkeiten einer Vereinigung mit weniger als 2 000 Mitgliedern, die im Genehmigungsverfahren gegenüber einer gerichtlichen Stelle bereits Einwendungen hat erheben können, mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

12Der Europäische Gerichtshof stellt hierzu in den von der Beschwerde in Bezug genommenen Rn. 37 bis 39 fest, auch der Umstand, dass die Genehmigung von einem Gericht im Rahmen seiner verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit erteilt worden sei, hindere eine Vereinigung nicht an einer Anfechtung nach den Modalitäten des nationalen Rechts. Eine Beteiligung am behördlichen Verfahren habe daher keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anfechtungsrechts. Dieses bestehe, gleichviel, welche Rolle die Vereinigung in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte, und unabhängig davon, ob die Umweltschutzvereinigung mindestens 2 000 Mitglieder hat (Rn. 52).

13Mit diesen Hinweisen bringt der Europäische Gerichtshof insbesondere zum Ausdruck, dass zum einen die Möglichkeit einer Beteiligung am Verwaltungsverfahren nicht ausreicht, um den Anforderungen von Art. 10a UVP-RL/Art. 16 IVU-RL zu genügen, das Klagerecht also nicht deshalb entfällt, weil sich die Vereinigung insoweit bereits beteiligt hat (vgl. auch Rn. 48), und dass zum anderen eine weitere Überprüfungsmöglichkeit nicht deshalb ausgeschlossen werden darf, weil das Genehmigungsverfahren gerichtlichen Charakter bzw. die Umweltschutzvereinigung nicht mindestens 2 000 Mitglieder hatte. Entgegen dem umfänglichen Vorbringen der Beschwerde kann diesen Äußerungen dagegen nicht entnommen werden, dass § 2 Abs. 3 UmwRG gegen Art. 10a UVP-RL bzw. gegen Art. 16 IVU-RL verstößt. Die Entscheidung verhält sich hierzu nicht.

14Der Europäische Gerichtshof geht in der Begründung auch dieser Entscheidung vielmehr wiederum ausdrücklich - und in Fortsetzung seiner früheren Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit nationaler Fristenregelungen ( - Slg. 2000, I-3201 Rn. 31, 33 f. und vom - Rs. C-343/96 - Slg. 1999, I-579 Rn. 26) - davon aus, dass die Genehmigung nach den Modalitäten des nationalen Rechts anzufechten ist (Rn. 37). Genügt aber die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen grundsätzlich dem Erfordernis der Effektivität des Gemeinschaftsrechts, weil sie ein Anwendungsfall des grundsätzlichen Prinzips der Rechtssicherheit ist, so ist entgegen der Beschwerde nicht ersichtlich, warum die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für nationale Ausschlussfristen auf die Beurteilung nationaler Präklusionsvorschriften als Regelung eines vorgezogenen Rechtsschutzes ( BVerwG 7 C 101.78 - BVerwGE 60, 297 <304> = Buchholz 451.171 AtG Nr. 6) nicht übertragen werden können (vgl. auch Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben, S. 81 f.).

15Es besteht somit auch in Ansehung der Entscheidungsgründe des Urteils des Europäischen Gerichtshofs kein Anlass zu vernünftigen Zweifeln an der Konformität innerstaatlicher Präklusionsbestimmungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UmwRG mit den beiden genannten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Eine Zulassung der Revision mit dem Ziel, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob Gemeinschaftsrecht eine Präklusionsvorschrift wie § 2 Abs. 3 UmwRG gestattet, ist weiterhin nicht veranlasst. Eine Auslegungsbedürftigkeit von Art. 10a UVP-RL bzw. Art. 16 UVI-RL in Bezug auf § 2 Abs. 3 UmwRG besteht nicht.

162. Die weiteren als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen,

ob die Anwendung einer Rechtsnorm - wie vorliegend § 2 Abs. 3 UmwRG bzw. § 10 Abs. 3 (letzter Satz) BImSchG -, welche es potentiellen Rechtsmittelführern in Bezug auf die Möglichkeiten einer späteren Anfechtung einer Verwaltungsentscheidung zur Anforderung macht, bereits im Verwaltungsverfahren in einer bestimmten Weise tätig zu werden - hier sich mittels Abgabe von Einwendungen am Verfahren zu beteiligen -, mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zu vereinbaren ist, dass die betreffende von einer Rechtsvorschrift des einfachen Rechts (hier § 2 Abs. 3 UmwRG bzw. § 10 Abs. 3 (letzter Satz) BImSchG) gestellte Anforderung erst zu einem Zeitpunkt in Kraft tritt bzw. für den späteren Rechtsmittelführer erst zu einem Zeitpunkt relevant wird, in welchem er die zur Voraussetzung für eine gerichtliche Kontrolle geforderte Handlung nicht mehr erbringen kann, und

ob § 5 UmwRG mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Art. 10a UVP-RL sowie Art. 7 der RL 2003/35/EG i.V.m. der Veröffentlichung des Art. 10a UVP-RL im Amtsblatt der EG vom , vereinbar ist, soweit sich gemäß § 5 Halbs. 1 UmwRG die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 UmwRG auch auf Verfahren erstreckt, die nach dem eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich ohne Weiteres anhand des Gesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beantworten lassen. Die Fragen heben ab auf die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, wonach der Einwendungsausschluss nach § 2 Abs. 3 UmwRG auch für nach dem eingeleitete Verfahren gilt, in denen die Einwendungsfrist - wie hier - vor dem Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes am bereits abgelaufen war, die Übergangsvorschrift des § 5 Abs. 1 Halbs. 1 UmwRG sich also auch auf die Präklusionsregelung erstreckt (UA S. 44 ff.).

17Soweit sich die Beschwerde auf das aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Rückwirkungsverbot und auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bezieht, entspricht sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde macht nicht deutlich, welche Fragen hierzu in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts noch ungeklärt sind und inwiefern es anlässlich des vorliegenden Falls weitergehenden oder neuen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf geben könnte ( BVerwG 1 B 37.05 - juris Rn. 4). Das bloße Benennen der beiden Normen des Verfassungsrechts stellt insbesondere keine hierauf bezogene Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes dar ( BVerwG 9 B 362.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F> VwGO Nr. 20). Eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Inhalt der Grundrechte findet nicht statt.

18Die Erstreckung der Präklusionsregelung des § 2 Abs. 3 UmwRG auch auf Verfahren, die - wie vorliegend - nach dem eingeleitet worden sind (§ 5 Abs. 1 Halbs. 1 UmwRG), verstößt nicht gegen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Mit dieser Übergangsregelung sollte den durch Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Öffentlichbeteiligungs-Richtlinie neu eingefügten Art. 10a UVP-RL und Art. 15a UIV-RL entsprechend der Umsetzungsfrist des Art. 6 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie fristgerecht Geltung verschafft werden. § 5 Abs. 1 Halbs. 1 UmwRG orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist es nicht gestattet, dass ein Mitgliedstaat, der eine Richtlinie nach Ablauf der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsfrist in die nationale Rechtsordnung umsetzt, durch eine Übergangsregelung von der Richtlinie erfasste Projekte ausnimmt, deren Genehmigungsverfahren zwar vor Inkrafttreten des nationalen Gesetzes, aber nach Ablauf der Umsetzungsfrist eingeleitet wurde ( - Slg. 1994, I-3717 Rn. 17, 20 und vom - Rs. C-81/96 - Slg. 1998, I-3923 Rn. 22 f.). Dem trägt § 5 Abs. 1 Halbs. 1 UmwRG mit seiner Rückwirkung auf die gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Umsetzungsfrist Rechnung. Soweit § 5 Halbs. 1 UmwRG bestimmt, dass das (gesamte) Gesetz auf Verfahren anwendbar ist, die - wie hier - nach dem eingeleitet worden sind, bestehen mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht keine Bedenken. Ob diese Beurteilung auch gilt, soweit die Anwendbarkeit des Gesetzes für vor diesem Zeitpunkt eingeleitete Verfahren ausgeschlossen wird, kann dahinstehen.

19Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass Art. 10a UVP-RL eine § 2 Abs. 3 UmwRG entsprechende Beschränkung nicht enthalte, ist wiederum darauf hinzuweisen, dass nationale Präklusionsvorschriften als Regelung eines vorgezogenen Rechtsschutzes - unter den o.g. Voraussetzungen, die hier erfüllt sind - mit dem Erfordernis der Effektivität des Gemeinschaftsrechts in Einklang stehen. Zudem hatte die in § 10 Abs. 3 BImSchG enthaltene Präklusionsregelung auch für Umweltverbände bereits vor Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes Geltung.

203. Auch die weitere als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage,

ob es für die Anwendung der Präklusionsvorschriften des § 10 Abs. 3 BImSchG nicht darauf ankommt, ob eine erforderliche öffentliche Bekanntmachung der Antragsunterlagen fehlerhaft unterblieben oder unvollständig erfolgt ist, sofern der Kläger, der seine Einwendungen nicht innerhalb offener Frist bei der zu deren Entgegennahme berufenen Stelle eingereicht hat, Kenntnis von den ausgelegten Antragsunterlagen hatte, selbst wenn ihm aufgrund schuldfreier Nichtkenntnis von einer anderweitig fehlerfrei erfolgten öffentlichen Bekanntmachung der Hinweis auf die Einwendungspräklusionsfolge des § 10 Abs. 3 letzter Satz BImSchG nicht bekannt gegeben wurde,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Soweit die in sich nur schwer verständliche Frage darauf zielt, welche Auswirkungen es hat, dass der Kläger im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange am Verfahren beteiligt worden ist und insoweit Kenntnis von dem Vorhaben und damit verbundenen Fristen hatte, wird es hierauf in einem Revisionsverfahren nicht ankommen.

21Zwar ist die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Kenntnisnahme des Vorhabens durch den Kläger infolge seiner Verfahrensbeteiligung als Träger öffentlicher Belange habe diesen, unabhängig von einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung, bereits in die Lage versetzt, fristgerecht Einwendungen zu erheben, mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Danach muss ein Träger öffentlicher Belange, der durch das Vorhaben zugleich in eigenen Rechten betroffen ist und sich die Möglichkeit deren Geltendmachung im Klageweg offenhalten will, im Rahmen der Betroffenenbeteiligung ausdrücklich frist- und formgerecht Einwendungen erheben ( BVerwG 11 A 8.98 - juris Rn. 29 mit zahlr. Rspr Nachw. = Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 30). Dies setzt voraus, dass die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens den gesetzlichen Anforderungen entsprechend erfolgt ist, um auch einem Träger öffentlicher Belange als potentiellem Einwendungsführer gesicherte Kenntnis über den Lauf der Einwendungsfrist zu verschaffen.

22Hierauf würde es in einem Revisionsverfahren aber entscheidungserheblich nicht ankommen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat zugleich festgestellt, dass das Vorhaben der Beigeladenen am im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg Nr. 42 unter Hinweis auf den Einwendungsausschuss öffentlich bekanntgemacht worden ist. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG ist ein immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiges Vorhaben im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Genehmigungsbehörde und - da dies einer breiten Öffentlichkeit nicht zugeht - außerdem in den im Bereich des Standortes verbreiteten örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekanntzumachen. Gegenüber dem Kläger, der als eingetragener Verein seinen Sitz in Düsseldorf hat (§ 2 Abs. 1 der Vereinssatzung) und in Verfolgung seines Vereinszwecks Einwendungen im eigenen Namen erhoben hat, wird die Einwendungsfrist durch die öffentliche Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt in Gang gesetzt, die - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat. Dass die ortsübliche Bekanntmachung in Recklinghausen fehlerhaft erfolgt ist, ist mit Blick auf den Kläger unerheblich. Von der Anstoßfunktion der öffentlichen Bekanntmachung, aber auch von hiermit verbundenen Fehlern können nur Personen oder Vereinigungen betroffen werden, die im jeweiligen Verbreitungsbereich des amtlichen Veröffentlichungsblatts oder der örtlichen Tageszeitungen wohnen. Ein potentiell Betroffener kann sich nicht darauf berufen, dass es in anderen, ihn nicht betreffenden Teilen des Einwirkungsbereichs des Vorhabens zu einer fehlerhaften öffentlichen Bekanntmachung gekommen ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom - 7 B 64/84 - Feldhaus ES, BImSchG, § 10 - 5 S. 10; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BImSchG, § 10 Rn. 280; Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 3. Aufl., 2. Teil, Rn. 71; vgl. a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 73 Rn. 90; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 73 Rn. 91). Denn Bekanntmachungsmängel, die einen Einwendungsführer nicht betreffen, können nicht ursächlich dafür sein, ihn von der fristwahrenden Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten.

234. Auch die weitere als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage,

ob eine die Fristen des § 2 Abs. 3 UmwRG, § 10 Abs. 3 (letzter Satz) BImSchG bedienende Einwendung in dem Sinne "schriftlich" zum Ablauf der Einwendungsfrist vorliegen muss, dass ein mit einer Unterschrift versehenes Exemplar des Einwendungstextes bei der zur Entgegennahme der Einwendung zuständigen Stelle zumindest als Faxkopie eingegangen sein muss oder ob es insofern ausreichend ist, wenn der Inhalt der Einwendungen bei der zur Entgegennahme der Einwendung zuständigen Stelle per E-Mail eingegangen ist, auch wenn diese E-Mail nicht mit einer elektronischen Signatur im Sinne von § 3a VwVfG versehen war, sofern kein Zweifel an der Identität und dem Übertragungswillen der die Einwendungen übermittelnden Person bestehen,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich schon aus dem Gesetz. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG a.F. sind Einwendungen gegenüber der zuständigen Stelle schriftlich zu erheben. Vorliegend bestimmt § 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG NRW - insoweit identisch mit der entsprechenden Bestimmung des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes -, dass eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann, wobei in diesem Fall das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen ist (ähnlich § 125a BGB, § 87a Abs. 3 AO).

24Mit dieser Anforderung will der Gesetzgeber einen fälschungssicheren elektronischen Schriftverkehr gewährleisten und sicherstellen, dass die Signatur des Dokuments durch die Person erfolgt ist, der diese zugeordnet ist (zu den sicherzustellenden Funktionen der Schriftform vgl. BTDrucks 14/4987 S. 17). Das Signaturgesetz unterscheidet in § 2 unter anderem zwischen (einfachen) elektronischen Signaturen (Nr. 1), fortgeschrittenen elektronischen Signaturen (Nr. 2) und qualifizierten elektronischen Signaturen (Nr. 3). Von diesen drei Signaturformen bietet letztere den höchsten Grad an Sicherheit, während das bloße Anfügen einer eingescannten Unterschrift an ein Dokument eine sichere Authentifizierung nicht gewährleistet, da diese beliebig kopierbar ist und anderen Dokumenten angefügt werden kann.

25Nicht vereinbar mit dieser Zielrichtung der Sicherstellung der Identität und Echtheit eines Dokuments ist daher das Ansinnen der Beschwerde, auch hinter den Anforderungen des § 2 Nr. 3 SigG zurückbleibende Kriterien für die Identitäts- und Echtheitsgarantie ausreichen zu lassen. Eine E-Mail, welche diesen normativen Anforderungen nicht genügt, ist vielmehr nicht geeignet, die gesetzliche Frist für die Erhebung von Einwendungen zu wahren ( - NJW-RR 2009, 357, juris Rn. 8 f.). Entgegen der Beschwerde ist die Rechtsprechung des BVerwG 8 C 28.83 - Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 9; BVerwG 3 B 33.01 - juris Rn. 2 m.w.N.), wonach in Ausnahmefällen vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift Abstand genommen werden kann, wenn sich auch ohne eigenhändige Namenszeichnung aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen ergibt, auf die Übermittlung von Dokumenten durch einfache E-Mail nicht übertragbar. Denn nur unter Beachtung der in § 3a VwVfG bestimmten Voraussetzungen wird eine gesetzlich angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt (BTDrucks 14/9000 S. 30).

Fundstelle(n):
XAAAD-54503