BAG Urteil v. - 8 AZR 739/08

Instanzenzug: Az: 26 Ca 991/07 Teilurteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 5 Sa 993/07 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Revisionsverfahren darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis unverändert besteht.

2Die Klägerin war bei der Beklagten in deren Werk in M als „Produktmanagerin“ im Geschäftsbereich „Com MD (Mobile Devices)“, der Mobilfunksparte der Beklagten, tätig.

3Mit Vertrag vom verkaufte die Beklagte ihren Geschäftsbereich „Com MD (Mobile Devices)“ an die BenQ Corporation mit Sitz in Taiwan. Dazu schlossen die Beklagte und die BenQ Corporation einen als „Master Sale and Purchase Agreement“ (im Folgenden: MSPA) bezeichneten Vertrag. Dieser sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land im Wege der Einzelrechtsübertragung durch die Beklagte auf verschiedene Landesgesellschaften der BenQ-Gruppe übertragen werden sollten. Vollzogen wurde der jeweilige Verkauf zum . Dazu wurde in Deutschland die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile) mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Diese wurde am in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen. Deren persönlich haftende Gesellschafterinnen waren die BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH, mit einem Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Deren Obergesellschafterin, die BenQ Corporation in Taiwan, war Alleingesellschafterin der BenQ Mobile Holding B.V. mit Sitz in den Niederlanden, welche die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der BenQ Mobile war.

4Im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung zahlte die Beklagte an die BenQ Corporation in Taiwan als Anschubfinanzierung einen dreistelligen Millionenbetrag.

5Am wurde der wirtschaftliche Teilbetrieb Mobile Devices der Beklagten unter Wahrung seiner organisatorischen Identität mit den Mitarbeitern und wesentlichen Teilen der Betriebsmittel nebst den in Deutschland gelegenen Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens auf die BenQ Mobile übertragen.

Mit Schreiben vom hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich Com MD (Mobile Devices) zum an die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übertragen werde. Dieses Schreiben lautet:

7Diesem Informationsschreiben lag die am zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der Siemens AG, Com MD zur BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übergehenden Mitarbeiter (Vertragsgruppen AT/FK)“ (im Folgenden: GBV) bei.

8Ab erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung für BenQ Mobile. Ab erhielt sie ein höheres Gehalt.

Am schloss die Klägerin mit der BenQ Mobile einen Aufhebungsvertrag, der unter anderem folgende Vereinbarungen enthält:

10Auf den Antrag der BenQ Mobile vom wurde am über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom widersprach die Klägerin gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile und verlangte ihre Weiterbeschäftigung bei der Beklagten.

11Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im September 2006 noch mit Erfolg widersprechen können, weil sie nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang durch das Schreiben vom unterrichtet worden sei und deshalb die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Lauf gesetzt worden sei. Insbesondere rügt sie, dass sie über die Identität der Betriebserwerberin nicht ordnungsgemäß informiert worden sei, weil keine Anschrift der BenQ Mobile angegeben worden sei. Zudem sei die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin vollständig zu informieren. Auch fehle es an einer zutreffenden Unterrichtung über den Grund des Betriebsübergangs. Das Widerspruchsrecht sei bei seiner Ausübung auch nicht verwirkt gewesen.

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren beantragt

13Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14Sie meint, die Unterrichtung über den Betriebsteilübergang mit Schreiben vom sei ordnungsgemäß gewesen. Insbesondere sei die Klägerin über die Identität der Betriebserwerberin und ausreichend über den Grund des Betriebsübergangs informiert worden. Jedenfalls sei der Widerspruch der Klägerin als kollektiver Massenwiderspruch unzulässig. Auch sei das Widerspruchsrecht der Klägerin verwirkt, weil sie mit der BenQ Mobile einen Aufhebungsvertrag zum geschlossen habe. Außerdem habe sie durch diese Vereinbarung auf ein etwa noch bestehendes Widerspruchsrecht verzichtet.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage auf Beschäftigung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

16Die Revision der Beklagten ist begründet. Zwischen den Parteien besteht über den hinaus kein Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fort. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die BenQ Mobile nicht wirksam widersprochen. Ihr Widerspruchsrecht war zum Zeitpunkt seiner Ausübung am verwirkt.

17I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Trotz eines Betriebsübergangs bezüglich der Mobilfunksparte Com MD (Mobile Devices) auf die BenQ Mobile bestehe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort, weil die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Der schriftliche Widerspruch sei nicht als Massenwiderspruch unzulässig. Die Klägerin habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses rechtzeitig und wirksam gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen, weil das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genüge. Insbesondere sei keine hinreichende Unterrichtung über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs erfolgt. Darüber hinaus habe die Beklagte in dem Schreiben auch die Gründe für den Übergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB) nicht ausreichend bezeichnet.

18Im Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs sei das Widerspruchsrecht der Klägerin auch nicht verwirkt gewesen. Es fehle an einem Umstandsmoment, welches eine Verwirkung begründen könnte. Allein die Weiterarbeit der Klägerin bei BenQ Mobile und die Gehaltserhöhung stellten kein solches dar. Insbesondere habe auch der Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht zum Vorliegen des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments geführt. Ein solches könnte nur angenommen werden, wenn die Klägerin in Kenntnis der Umstände, die dazu geführt haben, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen hatte, den Aufhebungsvertrag geschlossen hätte.

19II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

20Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

211. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom über den beabsichtigten Betriebsteilübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat. Die Unterrichtung setzte damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Klägerin nicht in Gang. Dies hat der Senat bereits in einer Reihe gleichgelagerter Fälle entschieden (vgl. zB - 8 AZR 740/08 -; - 8 AZR 539/08 -; - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113 und - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114). Aus diesem Grunde hatte die Widerspruchsfrist mit dem Zugang des Unterrichtungsschreibens vom an die Klägerin nicht zu laufen begonnen, so dass ihr Widerspruch mit Schreiben vom nicht verspätet war.

222. Das Recht der Klägerin zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung jedoch verwirkt.

23a) Der Senat hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. zB - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

24Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

25Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann ( - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

26Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abzustellen. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können (Senat - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114). Außerdem ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO).

27b) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen im Streitfall vor.

28aa) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl.  - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl.  - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).

29bb) Vorliegend ist dem Landesarbeitsgericht ein - auch revisionsrechtlich zu beachtender - Rechtsfehler unterlaufen. Es hat nämlich die Voraussetzungen für das Vorliegen des Umstandsmoments verkannt.

30cc) Das Zeitmoment ist erfüllt.

31Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen. Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des Zeitmoments in Lauf. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).

32Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende September 2005, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) für die Klägerin ablief.

33Die Klägerin hat ihr Widerspruchsrecht erst fast ein Jahr nach dem am vollzogenen Betriebsübergang ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom . Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

34Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von über einem Jahr zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs und von fast einem Jahr nach dem fiktiven Ablauf der gesetzlichen Widerspruchsfrist ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen. Er erfüllt im Streitfall insbesondere auch deshalb das Zeitmoment, weil die Klägerin durch den Abschluss ihres Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte (vgl. - 8 AZR 740/08 - und - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).

35dd) Die Klägerin hat durch ihr Verhalten, insbesondere durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom mit der BenQ Mobile das Umstandsmoment verwirklicht.

36Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Dies ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).

37Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (zunächst) widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. Senat - 8 AZR 225/07 -; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (Senat - 8 AZR 175/07 - aaO), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

38Aufgrund des Abschlusses des Aufhebungsvertrages zwischen der Klägerin und der BenQ Mobile am durfte die Beklagte davon ausgehen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des Umstandsmoments).

39ee) Es ist unerheblich, ob und gegebenenfalls ab wann die Beklagte von dem Abschluss dieses Vertrages Kenntnis hatte.

40Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle von der Klägerin verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber mit Erfolg auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen darf.

41Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und den neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstandes zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

42ff) Unzutreffend ist die Annahme der Klägerin, die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung über den Betriebsteilübergang nicht darauf verlassen dürfen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, so dass die Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts ihrerseits gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde. Folgte man dieser Überlegung der Klägerin, würde das zu einem widersinnigen Ergebnis führen. Einerseits behielte die Klägerin ihr Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert (einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht deshalb nicht verwirken, weil die Klägerin nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den früheren Arbeitgeber in der Regel nicht eintreten könnte. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.

43Anderes könnte nur dann gelten, wenn für die Beklagte handelnde Mitarbeiter die Klägerin in Schädigungsabsicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 826 BGB) im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB falsch unterrichtet hätten. Wem ein solcher Vorwurf zu machen wäre, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch nicht vorgetragen.

44gg) Eine Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts könnte allerdings dann gegen Treu und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein, wenn die BenQ Mobile sich ihrerseits deshalb nicht mit Erfolg auf die Verwirkung berufen könnte, weil sie die Klägerin treuwidrig zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vom veranlasst und damit das Umstandsmoment unter Verstoß gegen § 242 BGB herbeigeführt hätte. Für das Vorliegen eines solchen Verstoßes trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich auf die Nichtverwirklichung des Umstandsmoments berufen will (Senat - 8 AZR 740/08 -).

45Für eine solche Darlegung wäre es erforderlich, dass die Klägerin vorgetragen hätte, die für die BenQ Mobile handelnden Personen, welche sie zum Abschluss des Aufhebungsvertrages veranlasst hatten, hätten bei Abschluss desselben gewusst, dass die BenQ Mobile wegen der sich abzeichnenden Insolvenz die vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen werde. Das hat die Klägerin aber weder konkret dargelegt noch ist solches aus dem Akteninhalt erkennbar. Auch betrachtet die Klägerin selbst den Aufhebungsvertrag offensichtlich nach wie vor als wirksam. Insbesondere hat sie ihre auf Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten.

III. Die Entscheidung über die Kosten - auch über diejenigen der Berufung und der Revision - ist wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung einer Schlussentscheidung vorzubehalten.

Fundstelle(n):
PAAAD-52968