BGH Beschluss v. - VII ZB 17/09, VII ZB 18/09

Pfändbarkeit von Unterhaltsansprüchen: Berücksichtigung von Betriebskostenvorauszahlungen und von Umgangskosten bei der Berechnung des notwendigen Unterhalts des Schuldners

Gesetze: § 850d Abs 1 S 2 ZPO, § 28 Abs 1 S 1 SGB 12, § 29 Abs 1 S 1 SGB 12, § 29 Abs 2 SGB 12

Instanzenzug: Az: 19 T 169/08vorgehend AG Böblingen Az: 2 M 7367/07

Gründe

I.

1Der Schuldner hat die Rechtsbeschwerden für erledigt erklärt, nachdem die Gläubigerin erklärt hat, dass die Forderungen aus den Pfändungs- und  Überweisungsbeschlüssen zwischenzeitlich beglichen worden seien. Der Senat legt diese Erklärung dahin aus, dass der Schuldner die Hauptsache für erledigt erklärt hat, denn allein das ist in seinem Interesse. Die Gläubigerin hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen, so dass über die Kosten der Verfahren gemäß § 91a ZPO zu entscheiden ist.

2Es bleibt offen, welchen Ausgang die Verfahren genommen hätten, wenn sie nicht für erledigt erklärt worden wären. Ohne die Erledigung der Verfahren hätten die Beschlüsse des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Verfahren zu weiteren Feststellungen an das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden müssen. Deshalb sind die Kosten der Rechtsbeschwerdeverfahren gegeneinander aufzuheben und die Kosten der Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu einem Drittel dem Schuldner und zu zwei Dritteln der Gläubigerin aufzuerlegen.

31. Der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des SGB XII (, NJW-RR 2008, 733, 734; Urteil vom - XII ZR 114/03, BGHZ 162, 234, 245).

42. Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Betriebskostenvorauszahlung könne eine Erhöhung des pfandfreien Betrags nicht rechtfertigen, weil sie im Regelsatz enthalten sei.

5a) § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII legt fest, dass der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht wird. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden. Dazu gehören solche Nebenkosten, die für die bedarfsgerechte Nutzung der Wohnung notwendig sind (vgl. Berlit in: LPK-SGB XII, § 29 Rn. 17; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 5. Lfg., Stand Januar 2006, § 29 Rn. 14; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 29 Rn. 13; Gebhardt in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher  Online-Kommentar, § 29 SGB XII Rn. 2). Diese sind nicht im Regelsatz enthalten.

6b) Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Träger der Sozialhilfe im Rahmen seiner Ermächtigung nach § 29 Abs. 2 SGB XII für seinen Bereich die Leistungen für die Unterkunft durch eine monatliche Pauschale abgilt.

7c) Das Beschwerdegericht hat Feststellungen dazu, auf welche konkreten Kosten die geltend gemachten Betriebskostenvorauszahlungen erfolgen und ob eine Pauschalierung nach § 29 Abs. 2 SGB XII erfolgt ist, nicht getroffen. Es kann daher nicht festgestellt werden, ob die für Nebenkosten geltend gemachte weitere Erhöhung des pfandfreien Betrags über die anerkannte Kaltmiete und die Heizungskosten hinaus in Betracht kommt.

82. Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die bei Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern anfallenden Kosten bei der Bemessung des notwendigen Unterhalts des Schuldners nicht berücksichtigt werden könnten.

9a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts abweichend von den Regelsätzen festgelegt werden, wenn er im Einzelfall seiner Höhe nach unabweisbar von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Das kann der Fall sein, wenn Kosten eines Umgangsrechts entstehen (Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 4. Lfg., Stand Juli 2005, § 28 Rn. 15; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 28 Rn. 11; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., § 28 Rn. 13; Münder, NZS 2008, 617, 620). Das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Rechtsposition erwächst aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung (BVerfG, NJW 1995, 1342) und ist dementsprechend im Rahmen der Zwangsvollstreckung in angemessener Weise zu berücksichtigen.

10b) Nachdem das Beschwerdegericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zur Ausübung des Umgangsrechts getroffen hat und diese nach der übereinstimmenden Erledigung nicht mehr zu treffen sind, bleibt auch insoweit aus tatsächlichen Gründen offen, welche der beiden Parteien obsiegt hätte.

113. Der Senat sieht von einer Begründung ab, soweit es darum geht, inwieweit die tatsächlichen Fahrtkosten zum Arbeitsplatz ausreichend berücksichtigt worden sind. Der Schuldner macht mit den Rechtsbeschwerden insoweit lediglich geltend, zu seinen Ungunsten seien Beträge zwischen 17,60 € und 16,80 € nicht berücksichtigt worden. Diese Beträge sind so geringfügig, dass der Ausgang des Verfahrens zu diesem Punkt keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung nimmt. Die Kosten wären in den Rechtsbeschwerdeverfahren auch dann gegeneinander aufzuheben, wenn eine Partei insoweit vollständig obsiegt hätte, § 92 ZPO. Entsprechendes gilt für die Quotenbildung bei der Kostenentscheidung für die Beschwerdeverfahren.

Kniffka                                                          Kuffer                                                      Bauner

                           Safari Chabestari                                                  Eick

Fundstelle(n):
VAAAD-52282