BFH Beschluss v. - VI R 1/08 BStBl 2010 II S. 1074

Arbeitslohnrückzahlung nur bei Rückfluss von Gütern in Geld oder Geldeswert an den Arbeitgeber

Leitsatz

1. Wird eine Gehaltsforderung des Arbeitnehmers dadurch erfüllt, dass dieser mit seinem Arbeitgeber einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung abschließt und der Kaufpreis mit der fälligen Gehaltsforderung verrechnet wird, stellt sich dann jedoch heraus, dass der Kaufvertrag zivilrechtlich mangels Eintragung des Arbeitnehmers im Grundbuch nicht erfüllt wurde, kann die Veräußerung der Eigentumswohnung durch den Arbeitgeber im Wege der Zwangsversteigerung nicht als Arbeitslohnrückzahlung angesehen werden.

2. Arbeitslohnrückzahlungen sind nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber die Leistungen, die bei ihm als Lohnzahlungen zu qualifizieren waren, zurückzahlt (Anschluss an , BFHE 227, 435). Der Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis wird durch den Abschluss des Kaufvertrages unterbrochen.

Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

1Streitig ist, ob der aufgrund einer Zwangsversteigerung erfolgte Verkauf einer Eigentumswohnung, an der zu keiner Zeit zivilrechtliches Eigentum begründet worden ist, zu negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen kann.

2Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum als Verkaufsleiter bei der A angestellt. Die A war aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten nicht in der Lage, die Gehaltsansprüche des Klägers zu erfüllen. Der Kläger schloss daher am mit der A einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab, die auf einem im Eigentum der A stehenden Grundstück errichtet werden sollte. Der Kaufvertrag sah vor, dass die A die noch nicht erfüllten Gehaltsforderungen des Klägers in Höhe von 45.716,35 DM im Jahr 1996 und 39.196,50 DM im Jahr 1997 mit der Kaufpreissumme für die Eigentumswohnung verrechnen konnte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ist von einer Verrechnung der Gehaltsforderungen ausgegangen und hat in 1996 und 1997 eine Sachzuwendung angenommen. Bei der Besteuerung dieser Jahre wurden entsprechende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt.

3Der Kläger wurde nicht in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen, da die finanzierende Bank der Arbeitgeberin A eine Aufgabe ihrer Grundpfandrechte verweigerte. Er nutzte jedoch die Eigentumswohnung und erklärte ab dem hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Infolge der Inanspruchnahme von Fördergebietsabschreibungen ergab sich bis 2003 ein Verlust aus dem Objekt.

4Im März 1999 fiel die A in Insolvenz. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde im Dezember 2003 auch die von dem Kläger genutzte Eigentumswohnung von einem Dritten durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben.

5Die Kläger beantragten beim FA eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2003. Zur Begründung führten sie an, dass dem Kläger durch die Versteigerung der Eigentumswohnung das wirtschaftliche Eigentum hieran entzogen worden sei. Daher sei ihm im Jahr 2003 auch der damalige Arbeitslohn entzogen worden. Dies führe zu negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die steuerlich zum Zeitpunkt des Verlustes des wirtschaftlichen Eigentums in Ansatz zu bringen seien. Das FA lehnte eine Änderung des Bescheides ab. Die Kläger wandten sich dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage.

6Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

7Mit der Revision rügen die Kläger die unzutreffende Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

8Die Kläger beantragen,

das Urteil des Hessischen aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2003 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 25.432,92 € unter Anerkennung der negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Betrag von 55.935 € auf 2.724,27 € herabgesetzt wird.

9Das FA beantragt,

die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

II.

10Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

III.

11Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg. Die Entscheidungsgründe ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts; die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Denn der im Wege der Zwangsversteigerung erfolgte Verkauf der Eigentumswohnung führt nicht zu Erwerbsaufwand bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie ist daher gemäß § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen.

121. Das FG ist zwar unzutreffend davon ausgegangen, dass mit dem Zuschlag an einen Dritten in der von dem über das Vermögen der Arbeitgeberin eingesetzten Insolvenzverwalter betriebenen Zwangsversteigerung der Verlust des wirtschaftlichen Eigentums verbunden war. Denn im Streitfall ist schon kein wirtschaftliches Eigentum an der Eigentumswohnung durch den Kläger begründet worden. Nach den Feststellungen des FG ist der Kläger weder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden noch war er in anderer Weise dinglich gesichert. Er konnte deshalb den zivilrechtlichen Eigentümer, seinen Arbeitgeber bzw. den Insolvenzverwalter, nicht auf Dauer von der Nutzung der Eigentumswohnung ausschließen.

13Die Entscheidung des FG stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).

14a) Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen (, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299). Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur anzunehmen, wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der Vorgang also als „actus contrarius” zur Lohnzahlung darstellt. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber die Leistungen, die bei ihm als Lohnzahlungen zu qualifizieren waren, zurückzahlt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort (, BFHE 227, 435).

15b) Nach diesen Grundsätzen führt der Verkauf der Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung nicht zu einer Rückzahlung von Arbeitslohn.

16Denn der Entzug der Nutzungsmöglichkeit an der Eigentumswohnung durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren steht im Streitfall in keinem rechtserheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis. Es ist vielmehr lediglich der private Vermögensbereich betroffen, der im Rahmen der Einkünfteermittlung indessen keine Berücksichtigung findet. Arbeitslohnrückzahlungen sind nur anzunehmen, wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der Vorgang also als „actus contrarius” zur Lohnzahlung darstellt. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber die Leistungen, die bei ihm als Lohnzahlungen zu qualifizieren waren, zurückzahlt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort (BFH-Urteil in BFHE 227, 435). Davon ist im Streitfall nicht auszugehen. Denn hier gründet die Veräußerung der Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung auf dem rechtlich selbständigen und zum Arbeitsverhältnis eigenständig hinzukommenden Kaufvertrag über die Eigentumswohnung. Zivilrechtlich wurde dieser Kaufvertrag mangels Eintragung des Klägers im Grundbuch als Eigentümer nicht erfüllt. Der für den Kläger daraus resultierende Verlust hat seine Ursache daher im Kaufvertrag, nicht im Arbeitsverhältnis. Ursache für den Entzug der Nutzungsmöglichkeit an der Eigentumswohnung war letztlich, dass der Kläger aus dem Kaufvertrag über die Eigentumswohnung vom keine rechtlich geschützte, auf den Erwerb eines Rechts gerichtete Position erworben hatte.

172. Gemäß § 126a FGO hatten die Kläger mit Schreiben vom Gelegenheit erhalten, sich bis zum zu äußern. Daraufhin hat der Klägervertreter am mitgeteilt, dass eine mündliche Verhandlung beantragt werde und eine schriftliche Stellungnahme —falls diese erwünscht sei— bis zum nachgereicht werden könne. Innerhalb der ihnen gesetzten Frist zum hatten die Kläger damit ausreichend rechtliches Gehör.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 1074
BB 2010 S. 2334 Nr. 39
BBK-KN Nr. 213/2010 (Negative Einnahmen eines Arbeitnehmers nur bei Rückzahlung des Arbeitslohns an den Arbeitgeber)
BFH/NV 2010 S. 2185 Nr. 11
BFH/PR 2010 S. 473 Nr. 12
BStBl II 2010 S. 1074 Nr. 21
DB 2010 S. 2030 Nr. 37
DStRE 2010 S. 1299 Nr. 21
DStZ 2010 S. 738 Nr. 20
EStB 2010 S. 364 Nr. 10
FR 2011 S. 192 Nr. 4
GStB 2010 S. 46 Nr. 12
HFR 2010 S. 1164 Nr. 11
KÖSDI 2010 S. 17141 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2010 S. 3012
StB 2010 S. 378 Nr. 11
StBW 2010 S. 876 Nr. 19
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2010 S. 717
EAAAD-52052