BSG Urteil v. - B 5 R 8/08 R

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Verjährungseinrede - Verwaltungsverfahren - Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung

Leitsatz

1. Die Begrenzung der Revision auf die Verjährungseinrede ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (Anschluss an = BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3 und = SozR 4-2400 § 27).

2. Der Begriff des Beitragsverfahrens iS von § 198 S 1 SGB 6 ist weit auszulegen und erfasst auch Verwaltungsverfahren, in denen zunächst nur die Nachversicherungsvoraussetzungen geprüft werden.

Gesetze: § 184 Abs 1 SGB 6 vom , § 184 Abs 2 SGB 6 vom , § 198 S 1 SGB 6 vom , § 198 S 2 SGB 6 vom , § 233a Abs 1 S 1 SGB 6, § 233a Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 6, § 25 Abs 1 S 1 SGB 4 vom , § 52 Abs 1 SGB 10 vom , § 52 Abs 1 SGB 10 vom , § 120 Abs 5 SGB 10, Art 229 § 6 Abs 2 BGBEG, § 63 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 67 Abs 2 S 2 SGG, § 67 Abs 3 SGG, § 169 S 1 SGG, § 169 S 2 SGG, § 172 ZPO, § 174 ZPO, § 554 ZPO, § 217 BGB vom

Instanzenzug: SG Stendal Az: S 2 RJ 186/00 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 3 RJ 191/04 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger auf Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1) in Anspruch nehmen durfte.

3Mit Vollendung des 60. Lebensjahres am 1980 beendete die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Krankenschwester und bezog ab dem Altersrente aus der Sozialversicherung der DDR in Höhe der damaligen Mindestrente von 270,00 M monatlich. Diesen Rentenbetrag behielt das Mutterhaus ein, zahlte der Beigeladenen zu 1) ein monatliches Taschengeld von 100,00 M sowie bei Bedarf einmalige Leistungen und gewährte ihr als Feierabend-Diakonissin bis zum Kost und Logis im Mutterhaus.

4Am siedelte die Beigeladene zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland über, ohne auf ihre Rechte und Ansprüche gegenüber dem Mutterhaus zu verzichten. Die Oberin des Mutterhauses wandte sich daraufhin mit Schreiben vom an die Beigeladene zu 1) und führte aus: Die Beigeladene zu 1) habe das Mutterhaus "aus persönlichen Gründen freiwillig aus der Versorgungspflicht" entlassen und außerhalb des Währungsbereichs der DDR keine Versorgungsansprüche an den Beigeladenen zu 2) "oder an eine andere kirchliche Dienststelle". Sobald sie in den Währungsbereich der DDR zurückkehre, "werde die Versorgungspflicht des Mutterhauses wieder wirksam".

5Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA), bewilligte der Beigeladenen zu 1) ab dem Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom ) und ab dem 1985 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom ). Die Stadt Hannover zahlte ergänzende Sozialhilfe.

6Der Kläger, der als selbständige Stiftung Mitglied des Beigeladenen zu 2) ist, ist seit dem Rechtsträger des Mutterhauses. Die Beigeladene zu 1) forderte ihn mit Schreiben vom und den Beigeladenen zu 2) mit Schreiben vom auf, ihr Versorgungszahlungen zu leisten. Dies lehnte der Kläger ab, weil die Beigeladene zu 1) mit ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am aus dem Mutterhaus ausgetreten sei und deshalb keine Versorgungsansprüche mehr habe. Mit Schreiben vom wandte sich die Beigeladene zu 1) an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und bat zu prüfen, ob sie eine Altersrente erhalten könne, weil sie unversorgt aus dem Dienst des Klägers ausgeschieden sei.

7Um den Kirchen die Nachversicherung von Diakonissen und Mitgliedern geistlicher Genossenschaften aus dem Beitrittsgebiet zu ermöglichen, stellte die Bundesrepublik Deutschland im Bundeshaushalt einmalig 100.000.000,00 DM als "Pauschalausgleich für einigungsbedingte Sonderlasten" zur Verfügung. Der Beigeladene zu 2) beauftragte daraufhin das Diakoniewerk Ruhr-Witten, die Nachversicherungen für die Diakonissen-Mutterhäuser abzuwickeln. Mit Schreiben vom bot das Diakoniewerk Ruhr-Witten der BfA an, die Beigeladene zu 1) nachzuversichern und dafür 63.113,28 DM zu zahlen. Die LVA, an die das Nachversicherungsangebot zuständigkeitshalber weitergeleitet worden war, teilte dem Diakoniewerk Ruhr-Witten unter dem mit, es könne keine Nachversicherung durchgeführt werden, weil die Beigeladene zu 1) der Ordensgemeinschaft noch angehöre. Das Diakoniewerk Ruhr-Witten zog das Nachversicherungsangebot zurück, weil der Kläger den Nachzahlungsbetrag für die Beigeladene zu 1) nicht aufbringen könne (Schreiben vom ). Schließlich erklärte auch die Beigeladene zu 1) das Nachversicherungsbegehren für erledigt (Schriftsatz vom ).

8Gleichwohl beantragte sie am , das Nachversicherungsverfahren fortzuführen. Im Verwaltungsverfahren teilte der Kläger unter dem mit, die Beigeladene zu 1) sei "mit ihrer Ausreise aus der DDR … aus dem Versorgungsanspruch des Mutterhauses ausgeschieden". Daraufhin setzte die Beklagte für die Zeit vom bis die Nachversicherungsbeiträge auf 63.255,16 DM fest und nahm den Kläger auf Zahlung in Anspruch, weil die Beigeladene zu 1) unversorgt aus seinen Diensten ausgeschieden sei (Bescheid vom ). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück.

9Im Klageverfahren hat der Kläger die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, dass der Nachversicherungsantrag vom erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist () gestellt worden sei. Mit Gerichtsbescheid vom hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Die Beigeladene zu 1) sei aufgrund der entrichteten freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung der DDR nicht ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus ihrer Beschäftigung ausgeschieden.

10Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom durch Bescheid vom ersetzt und die Nachversicherungssumme auf 32.161,11 € reduziert: Sobald dieser Betrag eingehe, erhöhe sich die monatliche Rente der Beigeladenen zu 1) von 457,92 € auf 643,61 €, und für die Zeit vom bis zum seien 43.847,61 € nachzuzahlen (fiktiver Rentenbescheid vom ).

11Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Berufung zurückgewiesen und den Bescheid vom aufgehoben: Die Beitragsforderung, die am entstanden und fällig geworden sei, sei schon verjährt gewesen, als sie die Beklagte mit Beitragsbescheid vom geltend gemacht habe.

12Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), §§ 208, 209, 214, 217 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 198 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum geltenden Ursprungsfassung und § 52 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X): Der Nachversicherungsbescheid vom sei innerhalb der Verjährungsfrist erlassen worden. Denn die vierjährige Verjährungsfrist sei aufgrund folgender Tatbestände über den hinaus verlängert worden: Erstens sei aufgrund des Schreibens der Beigeladenen zu 1) vom in unverjährter Zeit ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden, um die Voraussetzungen für eine Nachversicherung zu prüfen. Dieses Beitragsverfahren habe die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen bis zum unterbrochen, als die Beigeladene zu 1) das Verfahren für erledigt erklärt habe. Daraufhin habe die vierjährige Verjährungsfrist am erneut begonnen und sei erst am abgelaufen. Zweitens habe die Beigeladene zu 1) am beantragt, die Höhe ihrer Altersrente zu überprüfen. Dieses Verfahren über einen Rentenanspruch habe die Verjährung der Beitragsforderung bis zum unterbrochen. Fasse man schließlich drittens das Schreiben des Diakoniewerkes Ruhr-Witten vom als Anerkenntnis auf, habe es eine Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt. Gehe man davon aus, dass das Diakoniewerk das Anerkenntnis am wirksam zurückgenommen habe, so habe die Verjährungsfrist am erneut begonnen und wäre am abgelaufen, wenn nicht das anhängige Nachversicherungsverfahren diese Frist erneut verlängert hätte.

13Der Kläger, dem die Revisionsbegründung der Beklagten am zugestellt worden ist, hat in der mündlichen Verhandlung vom Anschlussrevision eingelegt.

14Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom abzuweisen sowie

die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen.

15Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hinsichtlich der Frist zur Einlegung der Anschlussrevision Wiedereinsetzung zu gewähren

sowie das Urteil des Landessozialgerichts vom abzuändern und festzustellen, dass ein Nachversicherungstatbestand nicht vorliegt.

16Er ist der Auffassung, der Nachversicherungsanspruch sei nicht entstanden, weil die Beigeladene zu 1) ihren Anspruch auf Versorgung mit dem Weggang aus dem Mutterhaus nicht verloren habe. Jedenfalls sei dieser Versorgungsanspruch mit der Wiedervereinigung am wieder aufgelebt. Überdies sei der Nachversicherungsantrag vom erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist () gestellt worden. Im Übrigen sei das Schreiben der LVA an das Diakoniewerk Ruhr-Witten vom , wonach keine Nachversicherung durchgeführt werden könne, ein begünstigender Bescheid, der nach Ablauf eines Jahres bestandskräftig geworden sei. Auf die Bestandskraft habe der Kläger vertraut und auch vertrauen dürfen, zumal ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - auch wenn er rechtswidrig sei - nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden dürfe.

18Er ist der Ansicht, die Beigeladene zu 1) sei nicht unversorgt aus dem Mutterhaus ausgeschieden, zumal sie aus der Beschäftigung Rentenansprüche in der ehemaligen DDR und - nach der Übersiedlung - auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben habe. Der Anschlussrevision und dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers schließt sich der Beigeladene zu 2) hilfsweise an.

19Die Beigeladene zu 1) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Gründe

20Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig (A.), die Revision der Beklagten begründet (B.).

21A. Die Anschlussrevision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 iVm Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), weil sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist. Nach § 202 SGG iVm § 554 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Anschlussrevision bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären (BSGE 37, 28, 33 = SozR Nr 4 zu § 556 ZPO; BSGE 44, 184 f = SozR 1750 § 556 Nr 1; BSGE 47, 168, 169 = SozR 1750 § 556 Nr 2; BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5 S 23; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160 RdNr 79; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160 RdNr 3f und § 164 RdNr 12e). Die Revisionsbegründung ist dem Klägerbevollmächtigten (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 172 Abs 1 Satz 1 ZPO) von Amts wegen (§ 63 Abs 1 Satz 1 SGG) gegen Empfangsbekenntnis (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 174 Abs 1, 4 Satz 1 ZPO) am wirksam zugestellt worden. Mit dem Tag nach der Zustellung, also am , begann die einmonatige Frist zur Einlegung der Anschlussrevision (§ 64 Abs 1 SGG). Sie endete gemäß § 64 Abs 2 Satz 1, Abs 3 SGG am (Dienstag nach Ostern). Die Anschlussrevision ist aber erst am und damit nach Fristablauf eingelegt worden.

22Gegen die Versäumung der Monatsfrist ist dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) zu gewähren. Denn er hat den Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der einjährigen Ausschlussfrist des § 67 Abs 3 SGG gestellt. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist (hier: Mittwoch, der ) unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Der Kläger hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 67 Abs 2 Satz 2 SGG), die auf das Vorliegen höherer Gewalt schließen lassen könnten.

23B. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen den klagestattgebenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen und den Bescheid vom , der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom ersetzte und deshalb nach § 153 Abs 1 SGG iVm § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, aufgehoben. Gegenstand der Revision ist nur die Frage, ob die Beitragsforderung, die das LSG dem Grunde nach aus § 233a Abs 1 Satz 3 Ziffer 2 iVm Satz 1 SGB VI hergeleitet hat, verjährt ist. Die Beklagte hat die Revision entsprechend ihrer Interessenlage auf die Verjährungseinrede begrenzt. Dies ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 11; Bundesgerichtshof <BGH>, Urteile vom - I ZR 89/72 - MDR 1974, 558, 559 und vom - VIII ZR 286/88 - BGHZ 108, 256). Ob eine Beitragsforderung dem Grunde nach entstanden ist, unterliegt mangels zulässig erhobener Anschlussrevision (vgl dazu A.) nicht mehr der revisionsgerichtlichen Prüfung.

24Die Beitragsforderung ist nicht verjährt. Denn die Voraussetzungen des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift (in ihrer hier noch maßgeblichen Fassung bis zum ) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Der Anspruch auf Zahlung der Nachversicherungsbeiträge wurde am fällig (I.), so dass die Verjährungsfrist nach Ablauf des Kalenderjahres 1992 am begann und vier Jahre später am geendet hätte, wenn sie nicht in unverjährter Zeit durch das Beitragsverfahren unterbrochen worden wäre (II.), das aufgrund des Antrags der Beigeladenen zu 1) vom eingeleitet worden ist. Nach Abschluss dieses Beitragsverfahrens und dem Ende der Unterbrechung am hat die Beklagte vor dem (erneuten) Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am den Beitragsbescheid vom in unverjährter Zeit erlassen (III.). Dieser Beitragsbescheid unterbrach die laufende Verjährungsfrist erneut, wobei aus der Unterbrechung am kraft gesetzlicher Fiktion eine Hemmung wurde (IV.). Mit dem Erlass des Beitragsbescheids vom , der den ursprünglich angefochtenen Beitragsbescheid vom ersetzte, wurde die Hemmung der Verjährung nicht beendet (V.)

25I. Die Fälligkeit von Nachversicherungsbeiträgen regelt § 184 Abs 1 SGB VI (vgl zum Normzweck: Gürtner in Kass Komm, SGB VI, Stand 2010, § 184 RdNr 2, 3), der vorliegend in seiner bis zum geltenden Fassung (aF) anzuwenden ist. Danach werden Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Voraussetzungen des § 233a Abs 1 Satz 3 Ziffer 2 iVm Satz 1 SGB VI für die Nachversicherung der Beigeladenen zu 1) traten ein, als die Norm gemäß Art 42 Abs 1 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz <RÜG> vom , BGBl I, 1606) am in Kraft trat. Aufschubgründe iS von § 184 Abs 2 SGB VI aF lagen nicht vor. Da der Beitragsanspruch somit am fällig wurde, begann die Verjährungsfrist - nach Ablauf des Kalenderjahres 1992 - am .

26II. Der Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am wurde noch in unverjährter Zeit durch das Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) unterbrochen, das die Beklagte zur Prüfung der Nachversicherung aufgrund der Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom und des Diakoniewerkes Ruhr-Witten vom eingeleitet hatte (§ 18 Satz 2 Nr 1 SGB X). Denn Beitragsverfahren oder Verfahren über einen Rentenanspruch unterbrechen nach § 198 Satz 2 SGB VI (in der bis zum geltenden Fassung) auch die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen (§ 25 Abs 1 SGB IV). Der Begriff des Beitragsverfahrens ist weit zu verstehen und erfasst schon Verwaltungsverfahren, in denen (zunächst nur) die Nachversicherungsvoraussetzungen geprüft werden (vgl zur weiten Auslegung: Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, Stand: 12/2009, § 198 Anm 2; Finke in Hauck/Haines, SGB VI, Stand 2010, K § 198 RdNr 7; Peters in Kass Komm, SGB VI, aaO, § 198 RdNr 4; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 198 RdNr 8; von Koch, BeckOK SGB VI, § 198 RdNr 4; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, Stand: 9/2009, § 198 RdNr 3; differenzierend Mutschler in jurisPK-SGB VI, § 198 RdNr 23 ff, der nur "Verfahren über die Versicherungsberechtigung, Beitragszahlung, Beitragstragung und Beitragshöhe" zu den Beitragsverfahren zählt). Unerheblich ist dabei, ob es anschließend (dh nach Abschluss der Prüfung) tatsächlich zur Durchführung der Nachversicherung mit dem Ziel der Beitragszahlung kommt. Für diese weite Interpretation spricht entscheidend, dass § 198 Satz 2 SGB VI die Versicherten davor schützen soll, dass sich lange Verfahrenslaufzeiten zu ihren Lasten auswirken (BT-Drucks 11/4124, S 190 zu § 193 RRG 1992; Finke, aaO, § 198 RdNr 3 und 7; Mutschler, aaO, § 198 RdNr 13). Soweit der Beigeladene zu 2) unter Berufung auf eine Literaturmeinung (Kreikebohm/Kuszynski in GK-SGB VI, Stand: August 2009, § 198 RdNr 15) einwendet, der Antrag der Beigeladenen zu 1) vom berühre das Verhältnis zwischen den Hauptbeteiligten nicht, weil der Kläger als Arbeitgeber am (Beitrags-)Verfahren zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Beklagten nicht beteiligt sei, so ist dies unzutreffend. Denn der Kläger war - jedenfalls über den Beigeladenen zu 2), der das Diakoniewerk Ruhr-Witten mit der Abwicklung der Nachversicherungsfälle beauftragt hatte - als potentieller Adressat eines Nachversicherungs- und Beitragsbescheids (§ 12 Abs 1 Nr 2 SGB X) an dem Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherungsvoraussetzungen kraft Gesetzes beteiligt. Ungeachtet dessen kommt es auf die Beteiligtenstellung des beitragsbelasteten Arbeitgebers auch gar nicht an, wie ein Blick auf die gleichrangige zweite Alternative des § 198 Satz 1 SGB VI aF belegt: Denn am "Verfahren über einen Rentenanspruch" zwischen Versicherten und Rentenversicherungsträgern, das bis zum ebenfalls zur Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen führte, ist der Arbeitgeber nie "beteiligt". Ein solches Rentenverfahren war hier im Übrigen auf Antrag der Beigeladenen zu 1) vom ebenfalls eingeleitet und erst am beendet worden.

27Das Beitragsverfahren (und damit auch die Unterbrechung der Verjährung) endete nicht mit dem Schreiben der Beklagten vom an das Diakoniewerk Ruhr-Witten. Denn dieses Schreiben stellt keinen (verfahrensabschließenden) Verwaltungsakt iS der §§ 8, 31 Satz 1 SGB X dar. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom nur ihre vorläufige Rechtsmeinung kundtun und (noch) nicht verbindlich regeln wollte, ob ein Nachversicherungsanspruch besteht, verdeutlicht ihre Bitte, "zur Klärung der Angelegenheit" abschließend Stellung zu nehmen. Eine verbindliche Entscheidung über die Nachversicherungsvoraussetzungen sollte vielmehr erst nach Eingang der Stellungnahme ergehen. Hierzu kam es jedoch im weiteren Verlauf nicht mehr, weil das Beitragsverfahren durch die Erledigungserklärungen des Diakoniewerks Ruhr-Witten vom und der Beigeladenen zu 1) vom endete.

28III. Mit dem Eingang der letzten Erledigungserklärung am endete diese Unterbrechung der Verjährung. Da nach § 25 Abs 2 SGB IV aF iVm § 217 BGB in seiner bis zum geltenden Fassung die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt, begann die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV aF am neu. Sie wäre am abgelaufen, wenn die Beklagte den Ablauf der Verjährungsfrist nicht zuvor in unverjährter Zeit durch Erlass des Beitragsbescheids vom gemäß § 52 Abs 1 SGB X in seiner bis zum geltenden (Alt-) Fassung erneut unterbrochen hätte. Nach dieser Vorschrift unterbricht ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs (Satz 1). Die Unterbrechung dauert fort, bis der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder das Verwaltungsverfahren, das zu seinem Erlass geführt hat, anderweitig erledigt ist (Satz 2).

29IV. Aus dieser Unterbrechung ist am kraft gesetzlicher Fiktion eine Hemmung geworden. Denn nach Art 229 § 6 Abs 2 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) gilt, soweit die Vorschriften des BGB in der seit dem geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des BGB in der vor dem geltenden Fassung vor dem eintritt und mit Ablauf des noch nicht beendigt ist, als mit dem Ablauf des beendigt, und ist die neue Verjährung mit Beginn des gehemmt. Diese Bestimmung gilt gemäß § 120 Abs 5 SGB X entsprechend bei der Anwendung des § 52 SGB X in seiner neuen Fassung (nF), die er durch Art 11 Nr 3 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz - HZvNG) vom (BGBl I, 2167) mit (Rück-)Wirkung zum (Art 25 Abs 5 HZvNG) erhalten hat. § 52 Abs 1 SGB X nF lautet: "Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung."

30Die Unterbrechung der Verjährung des Nachversicherungsanspruchs galt mit Ablauf des als beendet, und die Verjährung war mit Beginn des gehemmt. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art 229 § 6 Abs 2 EGBGB, der bei Anwendung des § 52 SGB X nF entsprechend gilt, waren vorliegend erfüllt: § 52 SGB X nF sieht die Hemmung der Verjährung anstelle der Unterbrechung vor, die hier mit Erlass des Beitragsbescheids vom (und damit vor dem ) eingetreten und mit Ablauf des - aufgrund des anhängigen Klageverfahrens - noch nicht beendigt war.

31V. Seither ist die Verjährung durchgehend gehemmt. Denn nach § 52 Abs 1 Satz 2 SGB X nF endet die Hemmung nur mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner Erledigung. Obwohl sich der Beitragsbescheid vom anderweitig erledigte, als ihn die Beklagte mit Bescheid vom während des Berufungsverfahrens aufhob, entfiel die Verjährungshemmung nicht nach Ablauf von sechs Monaten. Denn die Beklagte hat am gleichen Tag - und damit innerhalb der Sechsmonatsfrist - einen neuen Beitragsbescheid erlassen, der den ursprünglichen Beitragsbescheid ersetzte, deshalb Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde und den Eintritt der Verjährung gemäß § 52 Abs 1 Satz 1 SGB X nF erneut hemmte.

32Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG in der bis zum geltenden Fassung; § 197a SGG ist nicht anwendbar, weil diese Vorschrift nach Art 17 Abs 1 Satz 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom (BGBl I, 2144) nur Verfahren erfasst, die nach dem rechtshängig geworden sind (vgl dazu ausführlich BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:270410UB5R808R0

Fundstelle(n):
TAAAD-49232