BAG Beschluss v. - 7 ABR 70/08

Mitbestimmung bei Umgruppierung - ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats - Unvollständigkeitsrüge - Nachreichung von Informationen

Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 1 S 2 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG, § 99 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 3 S 2 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 77 Abs 1 S 1 BetrVG, § 1 Abs 1 TVG

Instanzenzug: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Az: 5 BV 25/07 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Bremen Az: 3 TaBV 3/08 Beschlussnachgehend Landesarbeitsgericht Bremen Az: 3 TaBV 26/10 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die zutreffende Umgruppierung von Arbeitnehmern in ein neu eingeführtes tarifliches Vergütungsschema.

2Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Köln. In ihrem Unternehmen sind in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Sie führt ua. in Bremen einen Betrieb, in welchem der zu 2. beteiligte Betriebsrat gewählt worden ist.

3Die Vergütung des bei der Arbeitgeberin beschäftigten Bodenpersonals richtete sich zunächst nach dem Vergütungsrahmentarifvertrag für das Bodenpersonal, gültig ab in der Fassung vom . Nach Tarifverhandlungen für ein neues Vergütungssystem vereinbarten die für den Bodenbetrieb der Arbeitgeberin zuständigen Tarifpartner - die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg eV und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft - am ein „Neues Vergütungssystem Boden für die DLH AG“. Dieser Vereinbarung war eine vorläufige, nur auf der ersten Seite von den Tarifpartnern paraphierte sog. TKM-Liste mit einer Gegenüberstellung der bisherigen und der neuen Tätigkeiten beigefügt. Mit (Rück-)Wirkung zum schlossen die Tarifparteien für die Mitarbeiter der Arbeitgeberin im Bodenbereich neue Tarifverträge zu Vergütungssystemen. Hierbei handelt es sich um den Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH(TV VS Boden) und den Vergütungstarifvertrag Nr. 1 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 1). Das Unterschriftenverfahren zu diesen Tarifverträgen endete am .

4Am unterzeichneten die Verhandlungsführer der Tarifvertragsparteien eine zum in Kraft tretende „Vereinbarung der Tarifpartner zur Überleitung in das neue Vergütungssystem DLH Bodenpersonal“(Überleitungsvereinbarung), in der einzelne Aspekte der Zuordnung der Tätigkeit der Mitarbeiter zu einer Vergütungsgruppe des TV VS Boden festgelegt wurden. In einer am von den Verhandlungsführern der Tarifvertragsparteien vereinbarten Ergänzung zur Überleitungsvereinbarung wurde niedergelegt, dass „die Tarifpartner die Eingruppierung der Mitarbeiter anhand der Tätigkeitsmerkmale des TV VS abschließend vorgenommen“ haben, wobei die Überleitung „aus der bisherigen Tätigkeit/Eingruppierung in die Vergütungsgruppen des neuen Systems … durch die Tarifpartner entsprechend der Tabelle gemäß Protokollnotiz III TV VS auf der Grundlage der beigefügten Liste (TKM-Liste)“ erfolgte.

Der TV VS Boden enthält folgende Protokollnotiz III:

Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat mit Schreiben vom um Zustimmung zur Umgruppierung ihres am Standort Bremen beschäftigten Bodenpersonals, ua. der Arbeitnehmer P, O, D, F, G, Me, Mi, Sch, R und S. Beigefügt waren die am von den Verhandlungsführern der Tarifvertragsparteien paraphierten Entwürfe des VTV Nr. 1 und des TV VS Boden, die Tätigkeitsprofile sowie die Überleitungsvereinbarung vom in paraphierter Fassung vom . Eine von den Tarifvertragsparteien nicht unterschriebene oder paraphierte Überleitungsliste nach der Protokollnotiz III des TV VS Boden ging dem Betriebsrat am zu. Er erhielt auch am , , (mit Ergänzung vom ) und Überleitungslisten, die von den Tarifvertragsparteien weder paraphiert noch unterzeichnet waren. In der Zeit nach dem vereinbarten die Betriebsparteien innerhalb offener Frist eine Verlängerung der Frist des Betriebsrats zur Stellungnahme zu den Umgruppierungen zunächst bis zum und sodann bis zum . Am schlossen sie eine „Regelungsvereinbarung“ folgenden Inhalts:

7Vor dem vereinbarten die Betriebsparteien ua. wegen zeitlicher Verzögerungen im Zusammenhang mit den laufenden Betriebsratswahlen eine Verlängerung der Stellungnahmefrist des Betriebsrats zu den beantragten Umgruppierungen der Arbeitnehmer bis zum .

Mit Schreiben vom nahm der Betriebsrat zu den Umgruppierungen gegenüber der Arbeitgeberin wie folgt Stellung:

9Am schlossen die Betriebsparteien eine „Regelungsvereinbarung in Ergänzung zur Regelungsvereinbarung vom “, ausweislich derer sie darin übereinstimmten, dass eine Einigung zu den Umgruppierungen der Mitarbeiter am Standort Bremen nicht erzielt worden sei und die Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen aufgrund der in Nr. 4 der Regelungsvereinbarung vom getroffenen Abrede als verweigert gelte. Die Arbeitgeberin hat sodann das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Während der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am , an der die Betriebsratsvorsitzende teilnahm, legte die Arbeitgeberin Überleitungslisten sowie die sog. TKM-Liste im Original vor, die von den Tarifvertragsparteien paraphiert waren. Der Betriebsrat erhielt Kopien dieser Unterlagen.

10Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsverfahren sei durch ihr Schreiben vom ordnungsgemäß eingeleitet worden. Bei den Mitarbeitern P, Mi, D, Sch, R, G und S gelte die Zustimmung zur Umgruppierung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, weil der Betriebsrat bis zum Ablauf der vereinbarten Frist am seine Zustimmung nicht unter Angabe von Gründen verweigert habe. Hinsichtlich der Beschäftigten O, F und Me treffe der vom Betriebsrat angegebene Zustimmungsverweigerungsgrund nicht zu. Jedenfalls sei bei allen zehn Arbeitnehmern die Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, denn die beabsichtigten Umgruppierungen verstießen nicht gegen tarifliche Regelungen.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,

12Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat gemeint, es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die Umgruppierungen seitens der Arbeitgeberin. Auch sei die Vereinbarung der Betriebsparteien, nach welcher die Zustimmung zu den nicht einvernehmlich geregelten Umgruppierungen als verweigert gelte, wirksam. Die Zustimmung zu den Umgruppierungen sei zu Recht verweigert worden.

13Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Beschäftigten P, D, G, Mi, Sch, R und S als erteilt gelte. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Antragsabweisung. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

14B. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter O, F und Me wendet. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Mit der Begründung des Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter P, Mi, D, Sch, R, G und S als erteilt gilt. Da es für eine abschließende Entscheidung an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt, ist die Sache insoweit zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

15I. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unzulässig, soweit mit ihr die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter O, F und Me begehrt wird. Die Rechtsbeschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG.

161. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Dazu hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält( - Rn. 13, BAGE 126, 176). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig ( - zu I der Gründe, AP ZPO 2002 § 551 Nr. 2 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3; - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe, BAGE 103, 312).

172. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats im genannten Umfange unzulässig. Bei den auf die Umgruppierung verschiedener Arbeitnehmer gerichteten Zustimmungsersetzungsanträgen der Arbeitgeberin handelt es sich um jeweils gesonderte prozessuale Gegenstände. Das Landesarbeitsgericht hat seine die Zustimmung zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmer O, F und Me ersetzende Entscheidung damit begründet, der Betriebsrat habe hinsichtlich dieser Mitarbeiter die Zustimmung zwar rechtzeitig und unter Angabe eines konkreten und beachtlichen Grundes schriftlich verweigert. Die mitgeteilte Umgruppierung entspreche aber der neuen Vergütungstarifsystematik, so dass kein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliege. Mit dieser Argumentation befasst sich die Rechtsbeschwerdebegründung nicht. Es findet sich allenfalls der Passus, der Betriebsrat wende sich „nur deshalb gegen die beabsichtigte Umgruppierung, weil die Mitarbeiter seiner Meinung nach die Eingruppierungsmerkmale einer höheren Vergütungsgruppe erfüllten und damit ein Verstoß gegen die neue Vergütungsordnung“ vorliege. Dies lässt jegliche Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des Landesarbeitsgerichts, warum die bei den Beschäftigten O, F und Me mitgeteilte Zuordnung zur Vergütungsgruppe D des TV VS Boden zutreffe, vermissen.

18II. Im Übrigen hat die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats Erfolg.

191. Allerdings stützt sich die Rechtsbeschwerde nur darauf, das Landesarbeitsgericht habe die Abrede der Betriebsparteien über eine Zustimmungsverweigerungsfiktion nach Nr. 4 der Regelungsvereinbarung vom rechtsfehlerhaft für unwirksam erachtet. Dieser Angriff ist unbegründet. Die Betriebsparteien können nicht wirksam vereinbaren, dass die Zustimmung des Betriebsrats als verweigert gilt, wenn zwischen ihnen bis zum Ablauf der Äußerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG oder einer vereinbarten längeren Stellungnahmefrist kein Einvernehmen über eine vom Arbeitgeber beantragte Umgruppierung erzielt wird. Für den damit verbundenen Eingriff in das Zustimmungsersetzungsverfahren des § 99 Abs. 4 BetrVG fehlt ihnen die Regelungskompetenz( - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 14).

202. Das Rechtsbeschwerdegericht ist jedoch bei einer zulässigen Rechtsbeschwerde nicht auf eine Prüfung der ausdrücklich geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe beschränkt. Der angegriffene Beschluss ist vielmehr vollumfänglich auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit zu überprüfen. Dieser Prüfung hält der angefochtene Beschluss nicht stand.

21a) Die auf die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmer P, D, G, Mi, Sch, R und S gerichteten Anträge des Arbeitgebers sind zulässig. Insbesondere besteht hierfür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Daher bedarf es bei einer Umgruppierung, zu der auch die durch eine Modifikation des bislang geltenden Vergütungsschemas veranlasste Änderung der bisherigen Einreihung bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers zählt, gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats(vgl.  - Rn. 15, BAGE 118, 141). Weil der Betriebsrat den Umgruppierungen seine Zustimmung verweigert hat, kann die Arbeitgeberin diese gerichtlich ersetzen lassen, § 99 Abs. 4 BetrVG.

22b) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Anträge der Arbeitgeberin seien begründet, weil die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter P, Mi, D, Sch, R, G und S gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gelte, hält auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand.

23aa) Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Einzelmaßnahmen als erteilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung nicht frist- und formgerecht mitteilt. Voraussetzung für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion, wie auch für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG, ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf( - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; - 1 ABR 55/03 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 109). Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten ( - Rn. 21 mwN, BAGE 115, 173).

24(1) Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt( - zu B II 2 b bb [2] der Gründe, BAGE 113, 109). In den Fällen der Ein- und Umgruppierung besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage im Sinne einer Richtigkeitskontrolle ( - zu II 1 c der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3). Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass dabei möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden ( - zu B II 1 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 127). Bei Umgruppierungen gehört daher zu einer vollständigen Unterrichtung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch über alle ihm bekannten Umstände zu informieren, welche die Wirksamkeit der Vergütungsordnung betreffen. Ein Grund für die Zustimmungsverweigerung zu einer Ein- und Umgruppierung kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nämlich dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber die Ein- und Umgruppierung in einen nicht zur Anwendung kommenden Tarifvertrag vornehmen will (vgl.  - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 114, 162).

25(2) Die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn es der Betriebsrat unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen( - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 113, 109). Durfte der Arbeitgeber hingegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der erteilten Auskünfte zu bitten ( - zu B II 2 d aa der Gründe, aaO). Gelten die für die Ein- oder Umgruppierung maßgeblichen Tarifverträge - etwa mangels Unterzeichnung - noch nicht, ist der Arbeitgeber prinzipiell verpflichtet, dies dem Betriebsrat ebenso mitzuteilen wie die Gründe dafür, dass die Ein- oder Umgruppierung gleichwohl erfolgen soll. Kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass diese Umstände bekannt sind, ist es Sache des Betriebsrats, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbeurteilungsrechts erforderlichen Angaben verfügt.

26bb) Vorliegend durfte die Arbeitgeberin zunächst davon ausgehen, ihre Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vollständig erfüllt zu haben. Erst aufgrund der Rüge des Betriebsrats vom , die innerhalb der wirksam bis zum verlängerten Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte, musste die Arbeitgeberin erkennen, dass der Betriebsrat nicht über alle zur Mitbeurteilung der Umgruppierung erforderlichen Informationen verfügte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt maßgeblich von demjenigen, der dem Beschluss des Ersten Senats vom (- 1 ABR 49/08 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 14) zugrunde lag; in diesem hatte der Betriebsrat innerhalb offener Frist keine entsprechende Rüge erhoben.

27(1) Die Arbeitgeberin durfte vorliegend zunächst annehmen, den Betriebsrat hinreichend unterrichtet zu haben. Sie hat in ihrem Schreiben vom die Notwendigkeit der Umgruppierungen mit der beabsichtigten Einführung des neuen Vergütungssystems für die im Bodendienst beschäftigten Arbeitnehmer begründet. Die betroffenen Arbeitnehmer waren in der am nachgereichten Überleitungsliste mit ihrer Personalnummer namentlich aufgeführt und damit hinreichend individualisierbar bezeichnet. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat die Tarifgruppe der betroffenen Arbeitnehmer mitgeteilt und angegeben, welcher Vergütungsgruppe nach dem TV VS Boden diese nunmehr zugeordnet werden sollen. Durch die Angaben in der Überleitungsliste war der Betriebsrat des Weiteren darüber informiert, welche Tätigkeit die von dem Antrag betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ausüben und welchem neuen Tätigkeitsmerkmal diese entsprechen soll. Insoweit durfte die Arbeitgeberin davon ausgehen, dem Betriebsrat alle für die Ein- und Umgruppierungen erforderlichen Umstände vollständig mitgeteilt zu haben(vgl. hierzu  - Rn. 14 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 14).

28(2) Mit Schreiben vom hat jedoch der Betriebsrat zu Recht beanstandet, er sei für die von ihm vorzunehmende Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht hinreichend informiert. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom enthielt keine Informationen dazu, dass die anzuwendenden maßgeblichen Tarifverträge noch nicht unterschrieben und auch die Überleitungslisten von den Tarifvertragsparteien weder unterzeichnet noch paraphiert waren. Diesen Umstand hat der Betriebsrat mit Schreiben vom aufgegriffen und beanstandet, dass ihm zu seiner Entscheidungsfindung noch wichtige Informationen - namentlich die von den Tarifvertragsparteien abgezeichneten Überleitungslisten und beschlossenen Tätigkeits- und Funktionsprofile - fehlten. Damit hat er deutlich gemacht, dass und weshalb er sich für die Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht als hinreichend informiert erachtete. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass am die Tarifverträge und Überleitungslisten von den Tarifvertragsparteien noch nicht (end-)unterzeichnet waren, ist diese Rüge auch berechtigt. Dem Betriebsrat fehlten Informationen über die Entwicklung und den Stand der Tarifverhandlungen. Nur bei einer insoweit vervollständigten Unterrichtung ist der Betriebsrat in der Lage zu prüfen, ob die beabsichtigten Umgruppierungen den tariflichen Vorgaben entsprechen. Die Arbeitgeberin durfte im Hinblick auf die berechtigte Beanstandung des Betriebsrats nicht mehr davon ausgehen, ihrer Unterrichtungsverpflichtung mit Schreiben vom und der Zuleitung der Übergangsliste am vollständig genügt zu haben.

29(3) Die Rüge des Betriebsrats zu seiner unvollständigen Unterrichtung war nicht deshalb unbeachtlich, weil sie außerhalb der gesetzlichen Wochenfrist für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte. Die Betriebsparteien haben die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat wirksam bis zum verlängert.

30(a) Die einvernehmliche Verlängerung der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch die Betriebsparteien ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig( - zu B II 1 der Gründe, BAGE 42, 386, 391 ff.; - 1 ABR 48/03 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 112, 329). Das Fristende muss allerdings anhand der getroffenen Abreden eindeutig bestimmbar sein ( - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 118, 141).

31(b) Vorliegend haben die Arbeitgeberin und der Betriebsrat zunächst vor Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG per E-Mail eine Fristverlängerung für die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmer bis zum und sodann innerhalb dieser Frist bis zum verabredet. In der Regelungsvereinbarung vom ist erneut die Fristverlängerung bis vereinbart und vor deren Ablauf Übereinstimmung dahingehend erzielt worden, die gemäß Ziffer 4 der Regelungsvereinbarung mögliche Fristverlängerung bis zum auszunutzen. Eine solche Fristverlängerung um mehr als sieben Monate unterscheidet sich von der gesetzlichen Konzeption der Zustimmungsverweigerungsfrist erheblich. Sie begegnet aber im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Denn sie trägt angesichts der Anzahl der Umgruppierungen nachvollziehbaren praktischen Bedürfnissen Rechnung. Die Tarifvertragsparteien haben außerdem die Überleitungs- und TKM-Listen noch während der verlängerten Frist abgestimmt und zugleich vorgesehen, dem neuen Vergütungssystem Rückwirkung zum beizumessen. In Anbetracht dieser Umstände erscheint es angemessen, bei der dem Betriebsrat zur Verfügung stehenden Frist die noch nicht endgültig abgeschlossenen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen.

32(4) Dem Betriebsrat ist es nicht etwa im Hinblick auf Regelungsvereinbarungen vom und vom verwehrt, sich auf die unvollständige Unterrichtung zu berufen. Weder aus der Verabredung über die Verlängerung der Zustimmungsverweigerungsfrist noch aus der übereinstimmenden Äußerung, dass die Zustimmung des Betriebsrats als verweigert gelte und nunmehr das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen sei, folgt, dass sich der Betriebsrat auf sein betriebsverfassungsrechtliches Recht auf eine umfassende Unterrichtung zu den personellen Maßnahmen wegen des in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht mehr berufen könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit der Betriebsrat durch den Abschluss dieser Vereinbarungen bei der Arbeitgeberin ein schützenswertes Vertrauen darauf hervorgerufen hätte, er werde die Unvollständigkeit der ihm erteilten Informationen nicht geltend machen.

33cc) Ob die erforderliche Vervollständigung der Unterrichtung des Betriebsrats im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am erfolgt und dadurch die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt worden ist, die dann am abgelaufen wäre, vermag der Senat anhand der festgestellten Tatsachen nicht zu beurteilen.

34(1) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber in Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen kann( - Rn. 24 mwN, BAGE 126, 176). Mit der Nachholung der Unterrichtung und Vervollständigung der Informationen wird nunmehr die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt (vgl.  - zu B I 1 der Gründe mwN, NZA 1994, 187). Allerdings muss für den Betriebsrat insbesondere bei einer Vervollständigung der Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens erkennbar sein, dass der Arbeitgeber diese jedenfalls auch zur Ergänzung seiner etwa noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungsverpflichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG vornimmt. Erforderlich - aber auch ausreichend - ist, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat deutlich macht, mit der nachgereichten oder zusätzlichen Information seiner Verpflichtung zur vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats genügen zu wollen, und diese Verpflichtung nunmehr als erfüllt ansieht. Dies muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich auch aus den Umständen der Informationsnachreichung ergeben. Einer Wiederholung des bereits an den Betriebsrat gerichteten Zustimmungsersuchens bedarf es ebenso wenig wie eines ausdrücklichen Hinweises darauf, dass nunmehr die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat erneut zu laufen beginnt.

(2) Hiervon ausgehend genügt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts allein die Übergabe der von den Tarifvertragsparteien paraphierten TKM- und Überleitungslisten im Gütetermin am nicht, um die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG in Lauf zu setzen. Maßgeblich ist vielmehr, ob und aufgrund welcher Erklärungen oder Umstände der Betriebsrat der Listenübergabe durch die Arbeitgeberin den Erklärungswert beimessen musste, diese wolle damit ihre Unterrichtung im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG vervollständigen. Hierzu fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Insbesondere ist noch aufzuklären, ob die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat deutlich gemacht hat, sie betrachte dessen Unterrichtung nunmehr als abgeschlossen. Musste der Betriebsrat dies so verstehen, hat er seine Zustimmung nicht innerhalb der dann bis zum laufenden gesetzlichen Wochenfrist verweigert. Erst im gerichtlichen Verfahren hat er mit Schriftsatz vom unter Beifügung von Tätigkeitsbeschreibungen dargelegt, warum aus seiner Sicht die Umgruppierungen unrichtig sind und damit gegen die Tarifvorschriften verstoßen. Musste der Betriebsrat die Listenübergabe nicht als nachgeholte Unterrichtung verstehen, wäre der Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen. In diesem Fall ist die Zustimmungsverweigerungsfrist wegen der unvollständigen Unterrichtung des Betriebsrats nicht in Lauf gesetzt. Die Zustimmung zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmer P, D, G, Mi, Sch, R und S kann weder als erteilt gelten noch ersetzt werden. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung die hiernach erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2432 Nr. 40
BB 2010 S. 2832 Nr. 46
DB 2010 S. 2174 Nr. 39
MAAAD-48835