BAG Beschluss v. - 7 ABR 80/09

(Mitbestimmung bei Umgruppierung - Schriftformerfordernis des § 1 Abs 2 TVG - ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats)

Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 99 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG, § 1 Abs 2 TVG

Instanzenzug: Az: 25 BV 23145/06 Beschlussvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 10 TaBV 664/08 10 TaBV 1642/08 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung von zuletzt zwölf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anlässlich eines neu eingeführten tariflichen Vergütungsschemas.

2Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Köln. In ihrem Unternehmen sind in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Sie führt ua. in Berlin einen Betrieb, in welchem der zu 2. beteiligte Betriebsrat besteht. Die Vergütung des bei der Arbeitgeberin beschäftigten Bodenpersonals richtete sich zunächst nach dem Vergütungsrahmentarifvertrag für das Bodenpersonal, gültig ab in der Fassung vom . Mit (Rück-)Wirkung zum schlossen die für den Bodenbetrieb der Arbeitgeberin zuständigen Tarifpartner - die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg eV und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft - für die Mitarbeiter im Bodenbereich neue Tarifverträge zu Vergütungssystemen. Hierbei handelt es sich um den Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH (TV VS Boden) und den Vergütungstarifvertrag Nr. 1 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 1). Der TV VS Boden mit dem Redaktionsstand wurde von den Tarifvertragsparteien am paraphiert. Das Unterschriftenverfahren zu diesen Tarifverträgen endete am . In einer unter dem über den Angaben „Für DLH AG“ und „Für ver.di“ unterzeichneten und zum in Kraft getretenen „Vereinbarung der Tarifpartner zur Überleitung in das neue Vergütungssystem DLH Bodenpersonal“ (Überleitungsvereinbarung) wurden einzelne Aspekte der Zuordnung der Tätigkeit der Mitarbeiter zu einer Vergütungsgruppe des TV VS Boden festgelegt. In einer unter dem über den Angaben „Für DLH AG“ und „Für ver.di“ unterzeichneten „Ergänzung zur Überleitungsvereinbarung“ wurde niedergelegt, dass „die Tarifpartner … die Eingruppierung der Mitarbeiter anhand der Tätigkeitsmerkmale des TV VS abschließend vorgenommen“ haben, wobei die Überleitung „aus der bisherigen Tätigkeit/Eingruppierung in die Vergütungsgruppen des neuen Systems … durch die Tarifpartner entsprechend der Tabelle gemäß Protokollnotiz III TV VS auf der Grundlage der beigefügten Liste (TKM-Liste)“ erfolgt sei.

Der TV VS Boden enthält folgende Protokollnotiz III:

4Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat mit Schreiben vom um Zustimmung zur Umgruppierung ihres am Standort Berlin beschäftigten Bodenpersonals, ua. der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer C, F, L, M, P, W, D, H, G, R, N und S. In diesem Schreiben ist ua. ausgeführt, dass zum für die Tarifmitarbeiter (Boden) neue Tarifverträge zum Vergütungssystem in Kraft treten würden. Dem Schreiben beigefügt waren die paraphierten Entwürfe des VTV Nr. 1 und des TV VS Boden in der Fassung vom , die TKM-Liste mit Stand vom sowie die Überleitungsvereinbarung in paraphierter Fassung vom . Die im Schreiben angekündigte, nicht paraphierte Überleitungsliste mit dem Stand erhielt der Betriebsrat am . Am wurde dem Betriebsrat eine ergänzte, nicht paraphierte Überleitungsliste zugesandt. Mit Datum vom 15./ überreichte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die Überleitungsliste in der Form, die dann im August 2006 von den Tarifvertragsparteien paraphiert wurde.

Am vereinbarten die Betriebsparteien eine Verlängerung der Wochenfrist gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG für die Stellungnahme des Betriebsrats bis zum . Eine am vom Betriebsrat beantragte weitere Fristverlängerung bis zum bestätigte der Arbeitgeber am . Am schlossen die Betriebsparteien eine „Regelungsvereinbarung“ folgenden Inhalts:

Mit einem der Arbeitgeberin am zugegangenen Schreiben vom nahm der Betriebsrat zu den Umgruppierungen wie folgt Stellung:

7In den diesem Schreiben beigelegten „einzelnen - hilfsweisen - Widersprüchen“ führte der Betriebsrat zu den beabsichtigten Umgruppierungen seine Widerspruchsgründe näher aus.

8Am schlossen die Betriebsparteien eine „Regelungsvereinbarung in Ergänzung zur Regelungsvereinbarung vom “, ausweislich derer sie ua. darin übereinstimmten, dass eine Einigung zu den Umgruppierungen der Mitarbeiter am Standort Berlin teilweise nicht erzielt worden sei und die Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen daher gemäß Punkt 4 der Regelungsvereinbarung vom als verweigert gelte.

9In dem am von ihr eingeleiteten Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der im einzelnen bezeichneten Arbeitnehmer begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsverfahren zu den Umgruppierungen sei durch ihr Schreiben vom und die ergänzende Zuleitung der Überleitungsliste am ordnungsgemäß eingeleitet worden. Aufgrund der nach den Festlegungen der Tarifvertragsparteien verbindlich vorgesehenen Umgruppierungen stünden dem Betriebsrat keine Zustimmungsverweigerungsgründe zur Seite.

Die Arbeitgeberin hat - soweit für die Rechtsbeschwerdeinstanz noch von Interesse - beantragt,

11Der Betriebsrat hat Antragsabweisung beantragt und gemeint, er sei nicht hinreichend über die konkreten Tätigkeiten der betroffenen Mitarbeiter informiert worden. Es fehle damit bereits an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung durch die Arbeitgeberin über die Umgruppierungen. Die lediglich paraphierten Überleitungs- und TKM-Listen würden nicht dem Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 TVG entsprechen und seien daher keine verbindlichen Tarifbestimmungen, mit der die Arbeitgeberin die Umgruppierungen begründen könne.

12Das Arbeitsgericht hat elf der in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch streitbefangenen Zustimmungsersetzungsanträge abgewiesen und in einem Fall - bei der Mitarbeiterin S - dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin - soweit die noch anhängigen Zustimmungsersetzungsanträge betroffen sind - zurückgewiesen. Auf die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats hat es auch den auf die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiterin S gerichteten Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der vom zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Umgruppierungen. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

13B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind die Zustimmungsersetzungsanträge allerdings nicht wegen fehlender Unterzeichnung der paraphierten Überleitungsliste unbegründet. Jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung genügte die Einbeziehung der Überleitungsliste in der Protokollnotiz III des TV VS Boden den Anforderungen an das Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind aber bereits deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht vollständig unterrichtet hat. Die Zustimmung zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer C, F, L, M, P, W, D, H, G, R, N, S kann daher nicht ersetzt werden.

14I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts können die Zustimmungsersetzungsanträge nicht abgewiesen werden.

151. Das Beschwerdegericht hat argumentiert, bei der Ersetzung der Zustimmung zu den Umgruppierungen komme es entscheidend auf die Eingruppierungskriterien des Tarifvertrags an. Die konkreten Inhalte der Tätigkeiten der betroffenen Mitarbeiter habe die Arbeitgeberin aber nicht geschildert, so dass diese nicht unter die Tarifmerkmale subsumiert werden könnten. Der Verweis der Arbeitgeberin auf die Überleitungsliste, mit welcher sich die Tarifvertragsparteien auf die jeweilige Umgruppierung der Bodenpersonalmitarbeiter konkret verständigt hätten, helfe nicht weiter. Denn es handele sich nicht um eine wirksame Überleitungsliste gemäß Protokollnotiz III des TV VS Boden. Mit der Protokollnotiz III des TV VS Boden hätten sich die Tarifvertragsparteien auf eine Unterzeichnung jeder Seite der Liste geeinigt. Diesem selbst gewählten Identifikationsmerkmal werde durch die bloße Paraphierung nicht genügt. Auch die TKM-Liste habe keine Relevanz für die Umgruppierungen, denn diese sei von den Tarifvertragsparteien nicht wirksam in Bezug genommen. Sie werde lediglich in der von der Arbeitgeberin - und nicht der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg eV als Tarifvertragspartei - und ver.di unterzeichneten „Ergänzung zur Vereinbarung der Tarifpartner zur Überleitung in das neue Vergütungssystem DLH Bodenpersonal vom “ erwähnt. Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht offensichtlich auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG abgestellt und angenommen, die für die Umgruppierungen von der Arbeitgeberin herangezogenen Regelungen seien keine tarifvertraglichen Bestimmungen.

162. Entgegen dieser Rechtsauffassung ist jedenfalls die paraphierte Überleitungsliste für die Umgruppierungen relevant. Diese ist Bestandteil der tariflichen Vergütungsregelung.

17a) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Die korrekte Einreihung des Arbeitnehmers in einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung. Daher reicht das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Wo es der Anwendung abstrakter Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung auf die mit einer konkreten Arbeitsstelle verbundenen Tätigkeitsaufgaben zur korrekten Einreihung des Arbeitnehmers nicht bedarf, besteht kein Erfordernis der Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber und damit kein Erfordernis der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat. Dies ist zB dann der Fall, wenn schon die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht haben. Ihre Einreihung ist in einem solchen Fall für die Betriebsparteien selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde ( - Rn. 25 - 27, BAGE 118, 141). Dabei wird die Kompetenz der Betriebsparteien bei einer Ein- und Umgruppierung nach § 99 BetrVG nicht in rechtswidriger Weise beschnitten ( - Rn. 38, aaO). Angesichts der verbindlichen tariflichen Stellenbewertung ist die rechtsanwendende Beurteilung der Betriebsparteien aber auf die Frage beschränkt, ob die ein- oder umzugruppierenden Arbeitnehmer die von den Tarifvertragsparteien bewertete Stelle tatsächlich inne haben und die dort zu leistenden Tätigkeiten und Aufgaben der Stellenbeschreibung entsprechen (vgl.  - Rn. 44, aaO).

18b) Die im Zuge der Einführung des neuen tariflichen Vergütungssystems vereinbarte Überleitungsliste ist eine Bestimmung, die im Sinne einer tarifvertraglichen Bewertung normative Wirkung entfaltet. Insbesondere entspricht die Einbeziehung der Liste - jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung - dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG. Die Arbeitgeberin kann daher im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren im Zusammenhang mit der zutreffenden Umgruppierung der einzelnen Mitarbeiter auf die Überleitungsliste verweisen.

19aa) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich damit grundsätzlich nach § 126 BGB und nach den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Norm. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht ( - Rn. 30, BAGE 118, 141;  - zu 3 a aa (1) der Gründe, NJW 2000, 354). Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - nicht selbst unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt ( - Rn. 30, aaO; - 1 AZR 421/54 - BAGE 3, 174).

20bb) Hiernach genügt die paraphierte Überleitungsliste, mit der die Mitarbeiter von dem alten Tarifvertrag in das neue Regelungswerk individuell übergeleitet worden sind, dem Schriftformerfordernis.

21(1) Die Protokollnotiz III ist Bestandteil des von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichneten TV VS Boden. Dieser führt die Protokollnotiz III im Inhaltsverzeichnis auf. Die Protokollnotiz III verweist wiederum eindeutig auf die Überleitungsliste. An deren Identität konnten jedenfalls bei Abschluss des Unterschriftenverfahrens zum TV VS Boden im August 2006 keine Zweifel bestehen. Es gab zu diesem Zeitpunkt nur eine von den Tarifpartnern einzeln auf jeder Seite paraphierte Überleitungsliste.

22(2) Mit der Bestimmung in der Protokollnotiz III zum TV VS Boden, letzter Satz, nach der die Tarifvertragsparteien jede einzelne Seite der Listen „unterzeichnet haben“, ist entgegen der landesarbeitsgerichtlichen Auffassung kein Identifikationsmerkmal für die Überleitungsliste dahingehend festgelegt, dass nur auf eine solche verwiesen wird, bei der die Seitenabzeichnungen in Form eines vollständigen handschriftlichen Namenszuges erfolgt sind. Der vergangenheitsbezogene Wortlaut „Die Tarifpartner … haben … unterzeichnet“ gibt die Kenntnisnahme der Tarifvertragsparteien von den Listen wieder, die sie auf jeder einzelnen Seite als „unterzeichnet“ ansehen. „Unterzeichnet“ war im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterschriftsverfahrens zu den tariflichen Regelungen im August 2006 jede Seite der Überleitungsliste nur mit den Paraphen der Vertreter der Tarifvertragsparteien.

23c) Ob auch die paraphierte TKM-Liste dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG genügt, muss für das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren nicht abschließend entschieden werden.

24II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig, so dass die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen war, § 561 ZPO. Der Betriebsrat ist nicht ausreichend über die Umgruppierungen unterrichtet worden. Die von ihm verweigerten Zustimmungen sind daher nicht zu ersetzen.

251. Die auf die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer C, F, L, M, P, W, D, H, G, R, N, S gerichteten Anträge der Arbeitgeberin sind zulässig. Insbesondere besteht hierfür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Daher bedarf es bei einer Umgruppierung, zu der auch die durch eine Modifikation des bislang geltenden Vergütungsschemas veranlasste Änderung der bisherigen Einreihung bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers zählt, gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats (vgl.  - Rn. 15, BAGE 118, 141). Weil der Betriebsrat den Umgruppierungen seine Zustimmung verweigert hat, kann die Arbeitgeberin diese gerichtlich ersetzen lassen, § 99 Abs. 4 BetrVG.

262. Voraussetzung für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf ( - Rn. 23; - 1 ABR 93/07 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12). Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten ( - Rn. 21 mwN, BAGE 115, 173).

27a) Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. In den Fällen der Ein- und Umgruppierung besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage im Sinne einer Richtigkeitskontrolle. Bei Umgruppierungen gehört daher zu einer vollständigen Unterrichtung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch über alle ihm bekannten Umstände zu informieren, welche die Wirksamkeit der Vergütungsordnung betreffen. Ein Grund für die Zustimmungsverweigerung zu einer Ein- und Umgruppierung kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nämlich dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber die Ein- und Umgruppierung in einen nicht zur Anwendung kommenden Tarifvertrag vornehmen will ( - Rn. 24 mwN).

28Die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn es der Betriebsrat unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Durfte der Arbeitgeber hingegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der erteilten Auskünfte zu bitten. Gelten die für die Ein- oder Umgruppierung maßgeblichen Tarifverträge zum Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsverfahrens - etwa wie im vorliegenden Fall mangels Unterzeichnung - noch nicht, ist der Arbeitgeber prinzipiell verpflichtet, dies dem Betriebsrat ebenso mitzuteilen wie die Gründe dafür, dass die Ein- oder Umgruppierung gleichwohl erfolgen soll. Kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass diese Umstände bekannt sind, ist es Sache des Betriebsrats, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbeurteilungsrechts erforderlichen Angaben verfügt ( - Rn. 25 mwN).

29b) Vorliegend durfte die Arbeitgeberin zunächst davon ausgehen, ihre Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vollständig erfüllt zu haben. Erst aufgrund der Rüge des Betriebsrats vom , die innerhalb der wirksam bis zum verlängerten Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte, musste die Arbeitgeberin erkennen, dass der Betriebsrat nicht über alle zur Mitbeurteilung der Umgruppierung erforderlichen Informationen verfügte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt maßgeblich von demjenigen, der dem Beschluss des Ersten Senats vom (- 1 ABR 49/08 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 14) zugrunde lag; in diesem hatte der Betriebsrat innerhalb offener Frist keine entsprechende Rüge erhoben.

30aa) Die Arbeitgeberin durfte zunächst annehmen, den Betriebsrat hinreichend unterrichtet zu haben. Sie hat in ihrem Schreiben vom die Notwendigkeit der Umgruppierungen mit der beabsichtigten Einführung des neuen Vergütungssystems für die im Bodendienst beschäftigten Arbeitnehmer begründet. Die betroffenen Arbeitnehmer waren in der am nachgereichten Überleitungsliste mit ihrer Personalnummer namentlich aufgeführt und damit hinreichend individualisierbar bezeichnet. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat die Tarifgruppe der betroffenen Arbeitnehmer mitgeteilt und angegeben, welcher Vergütungsgruppe nach dem TV VS Boden diese nunmehr zugeordnet werden sollen. Durch die Angaben in der Überleitungsliste war der Betriebsrat des Weiteren darüber informiert, welche Tätigkeit die von dem Antrag betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ausüben und welchem neuen Tätigkeitsmerkmal diese entsprechen soll. Insoweit durfte die Arbeitgeberin davon ausgehen, dem Betriebsrat alle für die Ein- und Umgruppierungen erforderlichen Umstände vollständig mitgeteilt zu haben.

31bb) Mit Schreiben vom hat der Betriebsrat jedoch zu Recht beanstandet, er sei für die von ihm vorzunehmende Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht hinreichend informiert. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom enthielt keine Angaben dazu, dass die anzuwendenden maßgeblichen Tarifverträge noch nicht unterschrieben und auch die Überleitungsliste zu diesem Zeitpunkt von den Tarifvertragsparteien noch nicht paraphiert waren. Diese Umstände hat der Betriebsrat mit Schreiben vom aufgegriffen und beanstandet, dass ihm zu seiner Entscheidungsfindung noch wichtige Informationen - namentlich die von den Tarifvertragsparteien abgezeichneten Überleitungslisten und die endgültig beschlossenen Tätigkeits- und Funktionsprofile - fehlten. Damit hat er deutlich gemacht, dass und weshalb er sich für die Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht als hinreichend informiert erachtete. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass am die Tarifverträge und Überleitungsliste von den Tarifvertragsparteien noch nicht (end-)unterzeichnet waren, ist diese Rüge auch berechtigt. Das Unterschriftenverfahren zum TV VS Boden war erst im August 2006 abgeschlossen. Ein dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG genügendes Exemplar des TV VS Boden konnte dem Betriebsrat damit am nicht vorliegen. Ihm fehlten also am Informationen über die Entwicklung und den Stand der Tarifverhandlungen. Ohne eine insoweit vervollständigte Unterrichtung war er nicht in der Lage zu prüfen, ob die beabsichtigten Umgruppierungen den tariflichen Vorgaben entsprechen. Die Arbeitgeberin durfte im Hinblick auf die berechtigte Beanstandung des Betriebsrats nicht mehr davon ausgehen, ihrer Unterrichtungsverpflichtung mit Schreiben vom und der Zuleitung der Übergangsliste am vollständig genügt zu haben.

32Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat sich in der Sache zu den beabsichtigten Umgruppierungen detailliert geäußert und ihnen unter Bezugnahme auf die Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 Ziff. 1 und 4 BetrVG mit ausführlicher Begründung widersprochen hat. Bemängelt der Betriebsrat berechtigterweise seine unzureichende Information, relativiert er diese Beanstandung nicht dadurch, dass er sich auch zur Sache - im vorliegenden Fall durch ausdrücklich als „hilfsweise“ bezeichnete Widersprüche - einlässt. Dem Arbeitgeber ist die unvollständige Unterrichtung vor Augen geführt. Er kann aus einer (hilfsweisen) Verweisung auf Zustimmungsverweigerungsgründe nicht den Schluss ziehen, die Unterrichtung sei aus Sicht des Betriebsrats (doch) ausreichend (ebenso für den Fall der offensichtlichen Unvollständigkeit der Unterrichtung des Betriebsrats und dessen Stellungnahme in der Sache:  - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 113, 109).

33cc) Die Rüge der unvollständigen Unterrichtung ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie außerhalb der gesetzlichen Wochenfrist für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte. Die Betriebsparteien haben die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat wirksam bis zum verlängert.

34(1) Die einvernehmliche Verlängerung der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch die Betriebsparteien ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig ( - Rn. 30 mwN). Das Fristende muss allerdings anhand der getroffenen Abreden eindeutig bestimmbar sein ( - Rn. 21, BAGE 118, 141).

35(2) Vorliegend haben die Arbeitgeberin und der Betriebsrat zunächst am eine Verlängerung der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bis zum verabredet. Eine am vom Betriebsrat beantragte weitere Fristverlängerung bis zum bestätigte die Arbeitgeberin am . In der Regelungsvereinbarung vom ist erneut die Fristverlängerung bis vereinbart und sodann vom Betriebsrat die gemäß Ziffer 4 Satz 1 der Regelungsvereinbarung - wegen der bis dahin nicht erfolgten vollständigen Beurteilung der korrekten Eingruppierung - mögliche Fristverlängerung bis zum ausgenutzt worden. Der Eintritt der bereits in der Regelungsvereinbarung vom festgelegten Bedingung für die Fristverlängerung bis zum ist mit der am getroffenen „Regelungsvereinbarung in Ergänzung zur Regelungsvereinbarung vom “ bestätigt worden.

36(3) Eine Fristverlängerung um mehr als sieben Monate unterscheidet sich von der gesetzlichen Konzeption der Zustimmungsverweigerungsfrist erheblich. Sie begegnet aber im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Denn sie trägt angesichts der Anzahl der Umgruppierungen nachvollziehbaren praktischen Bedürfnissen Rechnung. Die Tarifvertragsparteien haben außerdem die Überleitungs- und TKM-Listen noch während der verlängerten Frist abgestimmt und zugleich vorgesehen, das neue Vergütungssystem rückwirkend zum in Kraft zu setzen. In Anbetracht dieser Umstände erscheint es angemessen, bei der dem Betriebsrat zur Verfügung stehenden Frist die noch nicht endgültig abgeschlossenen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen ( - Rn. 31).

37dd) Dem Betriebsrat ist es nicht etwa im Hinblick auf die Regelungsvereinbarungen vom und vom verwehrt, sich auf die unvollständige Unterrichtung zu berufen. Weder aus der Verabredung über die Verlängerung der Zustimmungsverweigerungsfrist noch aus der übereinstimmenden Äußerung, dass die Zustimmung des Betriebsrats als verweigert gelte und nunmehr das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen sei, folgt, dass sich der Betriebsrat auf sein betriebsverfassungsrechtliches Recht auf eine umfassende Unterrichtung zu den personellen Maßnahmen wegen des in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht mehr berufen könne. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit der Betriebsrat durch den Abschluss dieser Vereinbarungen bei der Arbeitgeberin ein schützenswertes Vertrauen darauf hervorgerufen hätte, er werde die Unvollständigkeit der ihm erteilten Informationen nicht geltend machen (vgl.  - Rn. 32).

38c) Es ist nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin die als fehlend gerügten Informationen während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt und die Unterrichtung damit vervollständigt hat.

39aa) In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen. Mit der Nachholung der Unterrichtung und Vervollständigung der Informationen wird nunmehr die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt. Allerdings muss für den Betriebsrat bei einer Vervollständigung der Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens erkennbar sein, dass der Arbeitgeber diese jedenfalls auch zur Ergänzung seiner etwa noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungsverpflichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG vornimmt ( - Rn. 34).

bb) Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren nicht die paraphierte - und erst damit von den Tarifvertragsparteien „endgültig“ vereinbarte - Überleitungsliste zukommen lassen. Als Anlage A 28 zum Schriftsatz vom hat sie lediglich die nicht paraphierte Liste, die dem Betriebsrat bereits im Februar 2006 zugeleitet wurde, beigefügt. Damit genügt sie nicht der vom Betriebsrat zu Recht beanstandeten Unterrichtungspflicht. Daneben ist dem Schriftsatz vom als Anlage A 27 zwar eine Kopie der auf jeder Seite paraphierten - und damit wohl endgültigen - TKM-Liste beigefügt. Die Arbeitgeberin hat aber gegenüber dem Betriebsrat nicht deutlich gemacht, mit dieser Anlage zu einem Verfahrensschriftsatz zugleich ihrer Verpflichtung zur vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats genügen zu wollen und diese Verpflichtung nunmehr als erfüllt anzusehen. Vielmehr sprechen die Umstände der Informationsnachreichung dafür, dass die Arbeitgeberin damit „nur“ ihrer Beibringungspflicht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nachgekommen ist.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 500 Nr. 8
GAAAD-61586