BGH Beschluss v. - 2 StR 278/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Bad Kreuznach vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 17. Lebensjahr unter einer hebephrenen Schizophrenie leidet. In Phasen eines akuten Schubes verspürte er oftmals den Drang, sich selbst zu töten. Motiviert wurde dies unter anderem durch die Furcht des Angeklagten davor, dass er seinen Phantasien von Gewalthandlungen gegenüber Frauen folgen könne. Schon vor der Tat war es zu einer Reihe von Selbsttötungsversuchen gekommen. Am Tattag, dem , hatte der Angeklagte davon gelesen, dass eine Frau durch Brand zu Tode gekommen sei, nachdem sie im Bett geraucht hatte. Dies nahm er zum Anlass, einen Selbsttötungsversuch durch Brandstiftung in seiner Wohnung, die sich in einem von acht Mietparteien bewohnten Haus befand, zu unternehmen. Er band sich selbst ein Bein am Bett fest, legte Zeitungen vor dem Bett aus und zündete diese an. Er erkannte dabei die Gefährdung anderer Hausbewohner durch Ausbreitung des Feuers, vertraute aber darauf, dass diese Personen rechtzeitig gewarnt werden würden. Als die Bettdecke in seiner unmittelbaren Nähe brannte, geriet er in Panik, löste seine Fessel und rannte aus dem Haus. Danach versuchte er, die Mitbewohner zu warnen. Durch Einsatz der Feuerwehr konnte der Brand gelöscht werden. Die vom Angeklagten gemietete Wohnung wurde aber weit gehend zerstört.

Das Landgericht ist dem psychiatrischen Sachverständigen Su. darin gefolgt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben gewesen sei. Zur Tatzeit habe ein akuter Schub der Schizophrenie vorgelegen. Dadurch sei die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. Er habe die Gefährdung anderer Personen noch erfassen können, diese Erkenntnis jedoch infolge des psychotischen Handlungsantriebes in den Hintergrund gedrängt. "Gerade dies habe dazu geführt, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, den Gedanken an eine Gefährdung anderer auch entsprechende Taten folgen zu lassen. Die Realität habe den Angeklagten erst wieder erreicht, als sich das Feuer ausgebreitet habe und er in Panik verfallen sei."

2.

Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zur Tatzeit nicht im Sinne von § 20 StGB aufgehoben gewesen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Ferner ist die Maßregelanordnung rechtlich zu beanstanden.

a) Die hebephrene Schizophrenie des Angeklagten ist eine krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB (vgl. Müller-Isberner/Venzlaff in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. 2009, S. 177). Das Landgericht hat auch festgestellt, dass die Brandstiftung der Ausdruck eines akuten Krankheitsschubes war. Jedoch hat es daraus keine fehlerfreien Schlüsse gezogen.

Auf die erhebliche Verminderung der Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen, kommt es hier nicht an. Sie wäre nur von Bedeutung, wenn sie das tatsächliche Fehlen der Einsicht zur Folge gehabt hätte (BGHSt 34, 22, 25). Davon ist aber nach den Feststellungen nicht auszugehen.

Bei der Annahme, dass der Angeklagte zur Tatzeit in der Lage war, sich entsprechend seiner Unrechtseinsicht rechtmäßig zu verhalten, waren die im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen widersprüchlich. Einerseits hat er bemerkt, es habe für eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit keine Hinweise gegeben. Andererseits war der Angeklagte nach Ansicht des Sachverständigen bei der Begehung der Tat "nicht in der Lage gewesen, den Gedanken an eine Gefährdung anderer auch entsprechende Taten folgen zu lassen". Damit war ersichtlich ein Vermeidungsverhalten gemeint. War der Angeklagte jedoch wegen seines krankheitsbedingten Dranges zur Selbsttötung nicht in der Lage, die Brandstiftungshandlung zu unterlassen, dann hat ihm zur Tatzeit die nach § 20 StGB erforderliche Steuerungsfähigkeit gefehlt.

Ob bei der Begehung der Tat Schuldunfähigkeit vorlag, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht zu beantworten hat. Dabei handelt es sich nicht um eine psychiatrische Frage (vgl. schon BGHSt 8, 113, 122). Das Landgericht hat aber den genannten Widerspruch in den Ausführungen des Sachverständigen nicht aufgelöst. Das wäre geboten gewesen, zumal bei einer Straftat, die gerade aus dysphorischer Verstimmung oder impulsiver Spannung aufgrund einer hebephrenen Schizophrenie begangen wurde, die Steuerungsunfähigkeit des Täters regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, S. 152). Die Überlegung des Landgerichts, dass der Angeklagte sein Vorhaben "planvoll und zielgerichtet umzusetzen versucht" habe, schließt es dagegen nicht aus, dass er zur Vermeidung der Tathandlungen nicht in der Lage war. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB zwar sicher vorliegen, Schuldunfähigkeit aber auszuschließen sei, genügt daher nicht den Anforderungen (vgl. Senat, NStZ 1997, 383). Der Schuldspruch und der Strafausspruch können deshalb keinen Bestand haben.

b) Der Senat hebt auch den Maßregelausspruch auf. Der Rechtsfehler hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe erfasst zunächst auch die Anwendung von § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB. Darüber hinaus ist das Landgericht bei der Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit im Sinne von § 63 StGB dem Sachverständigen gefolgt, der für den Fall des Ausbleibens einer konsequenten medikamentösen Behandlung und betreuenden Versorgung weitere Krankheitsschübe und darauf beruhende Selbsttötungsversuche als wahrscheinlich bezeichnet hat. Auf die bloße Selbstgefährdung kommt es aber für die strafrechtliche Maßregel nicht an. Das Landgericht hat angemerkt, dass Selbsttötungshandlungen auch unter Gefährdung anderer Personen zu erwarten seien, wie es sich aus der im Urteil nicht näher erläuterten Herbeiführung einer Gasexplosion im Jahre 1987 ergebe. Es fehlt im Urteil aber eine Auseinandersetzung damit, dass der Angeklagte ungeachtet zahlreicher Selbsttötungsversuche seither nicht mehr wegen zumindest rechtswidriger Taten in Erscheinung getreten ist, er seit Juni 2009 erneut unter Betreuung steht und nach freiwilliger stationärer Behandlung in der Abteilung für Psychiatrie der H. klinik in einem Wohnheim für psychisch Kranke aufgenommen wurde. Die Anordnung der schwer wiegenden Maßregel nach § 63 StGB setzt aber eine erschöpfende Abwägung der Umstände voraus (vgl. Senat, NStZ-RR 2007, 73, 74). Der neue Tatrichter wird daher das Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades für erneute schwere Störungen des Rechtsfriedens (vgl. Senat, NStZ-RR 2005, 303, 304) näher zu erörtern haben.

c) Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem unter 2.a) genannten Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten werden. Ergänzende, nicht im Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAD-48149