BAG Urteil v. - 8 AZR 982/07

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 31 Ca 1709/06 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 8 Sa 220/07 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht und ob demzufolge die Beklagte dem Kläger für die Zeit danach Verdienstausfall zu ersetzen hat.

2Der Kläger war seit dem bei der Beklagten, zuletzt als Analyst im Bereich C I(CI) beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsgehalt belief sich auf 3.789,29 Euro.

3Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten. Am vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser regelte ua., dass Mitarbeiter, die von dem geplanten Personalabbau betroffen sein würden, Abfindungszahlungen erhalten sollten.

Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:

5Mit Wirkung zum wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht und erbrachte seine Arbeitsleistung bei der A GmbH.

6Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet wurde.

7Mit Formschreiben vom rügte der Kläger, das Informationsschreiben vom sei offensichtlich unzutreffend und daher nicht geeignet gewesen, den Lauf der Widerspruchsfrist auszulösen. Der Kläger forderte eine vollständige und wahrheitsgemäße Information gemäß dem Gesetz, nach deren Eingang er die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses treffen werde.

8Unter dem kündigte die A GmbH das Arbeitsverhältnis zum Kläger aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum . Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.

9Mit Schreiben vom widersprach er gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH. Zum hat der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber begründen können. Seinen Verdienstausfall für die Zeit ab Anfang August 2005 bis beziffert er auf 12.737,74 Euro.

10Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Januar 2006 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

12Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich dabei darauf berufen, ihr Informationsschreiben vom habe den gesetzlichen Erfordernissen genügt. Infolgedessen sei der Widerspruch des Klägers verspätet, jedenfalls aber verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Gründe

14Die Revision des Klägers ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Der Kläger hatte sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH im Januar 2006 verwirkt.

15A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

16Es komme nicht darauf an, dass der Kläger nicht binnen eines Monats nach Zugang des Unterrichtungsschreibens der Beklagten vom nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH widersprochen habe. Denn eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung hätte die Monatsfrist für den Widerspruch nicht in Gang gesetzt. Jedoch hätte auch bei einer unkorrekten Information des Klägers nach § 613a Abs. 5 BGB - dies deutet das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Unterrichtung über die Haftung an - kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den hinaus bestanden. Denn der Kläger habe sein Widerspruchsrecht im Zeitpunkt der Ausübung mit Schreiben vom verwirkt gehabt. Das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom , mit dem er die fehlerhafte Information rügt und korrekte Unterrichtung einfordert, nach deren Eingang er eine Entscheidung treffen werde, ob er dem Übergang widerspreche, spreche nur auf den ersten Blick gegen ein Vertrauendürfen der Beklagten darauf, dass der Kläger seinen Widerspruch nicht mehr ausüben werde. Denn erkennbar gehe der Kläger Mitte Juli 2005 davon aus, dass die Widerspruchsvoraussetzungen in seinem Fall noch gegeben seien. Auch über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin habe sich der Kläger vollumfänglich informiert gezeigt. Gleichwohl habe er keinen Widerspruch erklärt und die ihm von der A GmbH zum ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung unangegriffen gelassen. Selbst mit dem Ende seines Arbeitsverhältnisses zur Betriebserwerberin habe der Kläger keinen Widerspruch erklärt. Damit sei das Recht zu widersprechen am als verwirkt anzusehen. Zahlungsansprüche bestünden demnach weder aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch als Schadensersatzansprüche.

17B. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18I. Die Klage auf Feststellung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, ist zulässig.

19Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Das nach dieser Norm erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gegeben. Das Feststellungsinteresse ist eine Sachurteilsvoraussetzung und als solche in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der Revisionsverhandlung.

20Da die Beklagte bestreitet, über den hinaus Arbeitgeberin des Klägers gewesen zu sein, ist ein Feststellungsurteil über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien geeignet klarzustellen, wer die Verpflichtungen aus diesem Arbeitsverhältnis künftig zu erfüllen hat.

21II. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

22Zwischen den Parteien hat über den , den Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH im Wege eines Betriebsteilübergangs(§ 613a BGB), hinaus ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH im Januar 2006 nicht mehr wirksam widersprechen konnte.

231. Die Unterrichtung des Klägers durch die Beklagte mit Schreiben vom über den am erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB( - NZA 2008, 1354; - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302, zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war sein Widerspruch im Januar 2006 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - aaO).

242. Der Kläger hatte sein Widerspruchsrecht allerdings verwirkt.

25a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung(§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

26Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann(Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

27Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei(BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Außerdem ist die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

28b) Dass der Kläger sich gegen die ihm von der A GmbH am ausgesprochene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt hat, hat im Streitfall zur Verwirkung seines Widerspruchsrechts geführt.

29aa) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben(vgl.  - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl.  - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).

30bb) Das Zeitmoment ist erfüllt.

31Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst mit der umfassenden und inhaltlich richtigen Unterrichtung eines Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen(Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des Zeitmoments in Lauf. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind.

32Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das sogenannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufs, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalls, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende November 2004, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist(§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) für den Kläger ablief.

33Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht erst nach über 15 Monaten nach der erfolgten Unterrichtung über den Betriebsübergang am ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom . Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet(Senat - 8 AZR 166/07 -; - 8 AZR 1020/06 -). Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von über 14 Monaten nach dem fiktiven Ablauf der gesetzlichen Widerspruchsfrist ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hat ( - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).

34cc) Das Schreiben des Klägers vom - dessen Auslegung als Standardschreiben auch dem Senat möglich ist - hat, wie auch das Landesarbeitsgericht erkannt hat, die Verwirkung nicht gehemmt. Untersetzt durch nachvollziehbare Tatsachen vertrat der Kläger zwar in diesem Schreiben die Auffassung, die Unterrichtung über den Betriebsübergang vom sei fehlerhaft gewesen, weil die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin - wie sich zwischenzeitlich gezeigt habe - falsch dargestellt worden sei. Aus der fehlerhaften Information leitet der Kläger ausdrücklich das Recht ab, noch Mitte Juli 2005 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH widersprechen zu können. Indes erklärte der Kläger diesen Widerspruch gerade nicht und verlangte lediglich „vollständige und wahrheitsgemäße Information“ und kündigte an, nach deren Erhalt die Entscheidung zu treffen, ob er dem Übergang widerspreche. Wenn der Kläger aber angesichts einer nunmehr auch für ihn offenkundig gewordenen prekären wirtschaftlichen Situation und einer von ihm festgestellten Falschinformation nicht ausschließt, auf die Ausübung seines Widerspruchsrechts möglicherweise zu verzichten, hindert dies nicht die Vertrauensbildung der Beklagten, der Kläger werde ein etwaiges Recht zum Widerspruch im Ergebnis doch nicht ausüben(vgl. Senat - 8 AZR 230/07 - Rn. 36).

35dd) Die Voraussetzungen für das Umstandsmoment liegen vor. Diese hat der Kläger dadurch verwirklicht, dass er die von der A GmbH am ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung zum widerspruchslos hingenommen und eine Kündigungsschutzklage nicht erhoben hat. Als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB rechtfertigen kann, ist es anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er eine vom Betriebserwerber nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat(Senat - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 und - 8 AZR 225/07 -). Vorliegend hat er gar eine von der insolventen Betriebserwerberin ausgesprochene Kündigung wirksam werden lassen und keinen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklärt, obgleich er ein Recht hierzu schon im Juli 2005 gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte. Dies begründet das Vertrauen des früheren Arbeitgebers, der Widerspruch werde auch weiterhin nicht nach § 613a Abs. 6 BGB ausgeübt werden.

36c) Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der A GmbH, nicht aber der Beklagten alle von dem Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

37Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstands zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich zu begreifen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber(Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).

383. In Ermangelung eines zwischen den Parteien über den hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses ist die Beklagte nicht unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den Verdienstausfallschaden des Klägers von August 2005 bis April 2006 haftbar. Für eine Haftung aus Schadensersatzgesichtspunkten fehlt es an der Kausalität zwischen der Falschinformation und der Nichtausübung des Widerspruchsrechts und deshalb auch an einer Kausalität zwischen der unzulänglichen Information und dem Eintritt des geltend gemachten Schadens. Der Kläger hätte durch Ausübung des Widerspruchs die eingetretene Verwirkung verhindern können(vgl. Senat - 8 AZR 1022/06 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 91 und - 8 AZR 109/07 -).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
IAAAD-48093