BGH Beschluss v. - AnwZ (B) 110/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: AGH Niedersachsen, AGH 6/08 vom

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1989 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, seit dem im Bezirk der Antragsgegnerin. Im Laufe des Jahres 2007 wurde bekannt, dass sich der Antragsteller in finanziellen Schwierigkeiten befand. Am gab er vor dem Amtsgericht B. die eidesstattliche Versicherung ab. Mit Bescheid vom widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Er beantragt,

ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Die formellen Rügen des Antragstellers greifen nicht durch.

a) Die Anwaltsgerichtshöfe sind staatliche Gerichte für das besondere Sachgebiet des anwaltlichen Berufsrechts, gegen deren Einrichtung und Besetzung, anders als der Antragsteller meint, weder unter dem Gesichtspunkt verbotener Ausnahmegerichte (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG) noch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit (vgl. Art. 92, Art. 97 GG) etwas einzuwenden ist (BVerfGE 26, 186, 195 ff.; 48, 300, 316 f.; BVerfGK 8, 280, 284 f. = NJW 2006, 3049; Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 81/97, BRAK-Mitt. 1999, 39, 40; Beschl. v. , AnwZ (B) 87/05, BRAK-Mitt. 2007, 77 [Ls.], Vollabdruck bei [...]; BVerwG NJW 1984, 191 f.; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., Vor § 92 Rdn. 11 f.). Unbedenklich ist auch das Verfahren für die zudem den Landesjustizverwaltungen obliegende Berufung der berufsrichterlichen und der anwaltlichen Mitglieder dieser Gerichtshöfe (BVerfGK 8, 280, 284 f.; Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 87/05, BRAK-Mitt. 2007, 77 [Ls.], Vollabdruck bei [...]).

b) Die weitere Rüge, sein Prozesskostenhilfeantrag sei von dem Anwaltsgerichtshof zu spät entschieden worden, ist prozessual überholt, weil dieser Antrag durch Beschluss des Anwaltsgerichtshofs vom zurückgewiesen worden ist und der Antragsteller dagegen ein Rechtsmittel nicht einlegen konnte (vgl. Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 16/97, BRAK-Mitt. 1997, 253; Beschl. v. , AnwZ (B) 59/07, [...]) und auch nicht eingelegt hat.

c) Die geltend gemachten weiteren Verfahrensfehler (nichtöffentliche Verhandlung, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) sind für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof unerheblich. Der Bundesgerichtshof entscheidet nämlich nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. und dem danach ergänzend heranzuziehenden früheren Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Tatsacheninstanz. Er hat dabei den Sachverhalt selbst und ohne Bindung an die Feststellungen der Vorinstanz von Amts wegen aufzuklären und eigenständig zu beurteilen. Dadurch werden etwaige Verfahrensfehler des Anwaltsgerichtshofs geheilt (Senat, BGHZ 77, 327, 329; Beschl. v. , AnwZ (B) 13/09, [...], Rdn. 6 f.). Im Beschwerdeverfahren vor dem Senat hat der Antragsteller seine Position eingehend darstellen können und dargestellt.

2.

Sein Rechtsmittel ist auch in der Sache unbegründet. Der Widerrufsbescheid ist rechtmäßig.

a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. , AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. , AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.

b) Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

aa) Der Antragsteller war nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten gegenüber dem niedersächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk in Höhe von 17.000 EUR und gegenüber der Stadt B. , Fachbereich Kinder, Jugend und Familie, in Höhe von 4.000 EUR zu erfüllen. In den zur Durchsetzung seiner Verpflichtungen eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren hatte der Antragsteller am die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Er ist seitdem in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts B. eingetragen. Vermögensverfall wurde deshalb bei dem Antragsteller gesetzlich vermutet. Diese Vermutung hatte der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht widerlegt. Aus den von ihm abgegebenen eidesstaatlichen Versicherungen ergab sich im Gegenteil, dass der Vermögensverfall gegeben war. Danach hatte der Antragsteller seinerzeit seine Rechtsanwaltskanzlei verkauft. Der Kaufpreis war auf Gegenforderungen verrechnet worden. Ein zur Tilgung seiner Schulden verwertbares Einkommen hatte der Antragsteller nach seinen Angaben nicht. Er bezog vielmehr staatliche Unterstützungsleistungen.

bb) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 33/07, [...]). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich.

c) Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers sind, was zu berücksichtigen wäre (Senat, BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), auch nicht im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.

aa) Der Antragsteller befindet sich nach wie vor in Vermögensverfall. Er bezieht nach dem Bescheid der ARGE B. vom weiterhin staatliche Unterstützungsleistungen, weil er nach wie vor kein für seinen Lebensunterhalt und die Rückführung seiner Verbindlichkeiten ausreichendes Einkommen hat. Damit hat der Antragsteller auch seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe begründet.

bb) Die Interessen der Rechtsuchenden sind auch weiterhin gefährdet.

(1)

Dem kann der Antragsteller nicht erfolgreich entgegenhalten, dass er die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht mehr selbständig ausübt. Allerdings kann eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach der Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen sein, wenn der Rechtsanwalt die zum Schutz der Interessen der Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen trifft und (vertrags-) rechtlich und tatsächlich sicherstellt, dass diese Vorkehrungen auch eingehalten werden (Beschl. v. , AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925; Beschl. v. , AnwZ (B) 87/08, [...]; Beschl. v. , AnwZ (B) 67/08, [...], Rdn. 11 f.). Das setzt indes regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät (Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, 560; Beschl. v. , AnwZ (B) 67/07, [...] = AnwBl. 2009, 64, 65, dort allerdings mit fehlerhaften Entscheidungsdaten; Beschl. v. , AnwZ (B) 67/08, [...]) voraus, der nach der Organisation der Sozietät (vgl. Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 67/07, aaO), dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät (vgl. Senat, Beschl. v. , AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67) und den getroffenen vertraglichen und tatsächlichen Vorkehrungen einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtsuchenden erwarten lässt (Senat; Beschl. v. , AnwZ (B) 87/08, [...], und v. , AnwZ (B) 67/08, [...]).

(2)

Diese Voraussetzungen liegen hier schon im Ansatz nicht vor. Der Antragsteller hat zwar einen Praxisvertrag mit einer Sozietät geschlossen. Er hat sich in Nr. 1 dieser Vereinbarung aber ausdrücklich eine selbst- und eigenständige Tätigkeit innerhalb der Kooperation auf den Gebieten anwaltliche Beratung, Mediation und kollektives Arbeitsrecht vorbehalten. Das ist auch der Bereich, auf den sich der Antragsteller in seiner künftigen Tätigkeit beschränken will. Gerade hier sieht der Vertrag keine Vorkehrungen zum Schutz der Mandanteninteressen vor. Sie sind sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Nach Nr. 6 der Vereinbarung soll die Abrechnung anwaltlicher Leistungen in diesem Bereich unmittelbar zwischen dem Antragsteller und den Mandanten erfolgen. Es wird nach Nr. 4 der Vereinbarung dafür auch ein eigenes, dem Zugriff des Antragstellers unterliegendes Konto eingerichtet. Für die Mandanten des Antragstellers ändert der Vertrag damit im praktischen Ergebnis nichts. Deshalb ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht (mehr) gefährdet wären, obwohl sich der Antragsteller weiterhin in Vermögensverfall befindet.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F., § 14 FGG a.F. und § 114 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen aussichtslos erscheint.

4. Nach dem Verzicht beider Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden.

Fundstelle(n):
EAAAD-45300